EU-Kommission gibt grünes Licht
London- Wichtiger Durchbruch bei den Brexit-Gesprächen: Die EU-Kommission hat am Freitag grünes Licht für Phase zwei der Verhandlungen mit Großbritannien über die künftigen Beziehungen gegeben. Offiziell entscheiden darüber müssen noch die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel kommende Woche. EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte bereits harte “Bedingungen” für die von London geforderte Übergangsphase nach dem Brexit an. Für ihn steht “die schwierigste Herausforderung noch bevor”.
“Es wurden genügend Fortschritte erzielt, damit wir jetzt in die zweite Phase der Verhandlungen eintreten können”, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der britischen Premierministerin Theresa May in Brüssel.
Knackpunkt war die Nordirland-Frage. May sicherte zu, dass es durch den Brexit “keine harte Grenze” mit strengen Pass- und Zollkontrollen zwischen Irland und Nordirland geben werde. Auch am Karfreitagsabkommen, das 1998 den blutigen Nordirlandkonflikt beendet hatte, werde festgehalten. Der irische Premierminister Leo Varadkar begrüßte die Einigung und sprach von einem “sehr wichtigen Tag”.
Am Montag war ein Durchbruch in den Brexit-Gesprächen bei einem Besuch Mays in Brüssel noch an der nordirischen Democratic Unionist Party gescheitert, die Mays konservative Minderheitsregierung in London stützt. Mit ihr führte May nun intensive Verhandlungen, bevor sie am frühen Freitagmorgen erneut nach Brüssel flog.
EU-Verhandlungsführer Michel Barnier sagte, auch in den beiden anderen wichtigen Austrittsfragen von Phase eind seien “ausreichende Fortschritte” für den Übergang in Phase zwei erzielt worden. Dabei geht es um die künftigen Rechte der 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien und die milliardenschweren Finanzforderungen an London.
So könnten EU-Bürger nach dem Brexit in Großbritannien “wie heute weiter wohnen, arbeiten, studieren”, sagte Barnier. Eine Einigung gab es auch beim Familiennachzug und der Mitnahme von Sozial- und Rentenansprüchen bei Umzug in ein anderes Land.
Bei der lange umstrittenen Frage, ob die Rechte auch beim Europäischen Gerichtshof eingeklagt werden können, gab es einen Kompromiss: Britische Richter können den Gerichtshof anrufen, wenn es aus ihrer Sicht Rechtslücken gibt. Dies gilt aber nur für acht Jahre.
Auf eine Summe bei den Finanzforderungen verständigten sich beide Seiten wie erwartet noch nicht. “Mögliche Verbindlichkeiten werden zum Austrittsdatum des Vereinigten Königreichs aus der Union berechnet”, sagte Barnier. In Brüssel werden die Forderungen auf bis zu 60 Milliarden Euro geschätzt. Vereinbart wurden nun lediglich Grundsätze, wie die Summe berechnet werden soll.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zeigte sich “erleichtert über den Durchbruch”. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bezeichnete die Einigung als “ein verspätetes Nikolausgeschenk”.
Denn in Phase zwei geht es um die künftigen Handelsbeziehungen, nachdem Großbritannien auch aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion austreten will. Um Turbulenzen in den engen Wirtschaftsbeziehungen zu verhindern, hat May vorschlagen, in einer rund zweijährigen Übergangsphase im Wirtschaftsbereich alles so zu belassen wie es ist.
Tusk stellte dafür aber Bedingungen, die für Brexit-Hardliner in Großbritannien schwer zu akzeptieren sein dürften. “Während dieser Zeit wird das Vereinigte Königreich das gesamte EU-Recht einschließlich neuer Gesetzgebung respektieren”, sagte er. “Es wird Haushaltsverpflichtungen respektieren, es wird juristische Aufsicht respektieren.”
Da London nicht mehr an der Freizügigkeit im EU-Binnenmarkt teilnehmen will, sieht Barnier als einzige Möglichkeit ein Freihandelsabkommen nach dem Vorbild der jüngst geschlossenen EU-Vereinbarung mit Kanada. Dies hat May aber bisher eigentlich ausgeschlossen.
Für Tusk beginnt auch deshalb nun der komplizierteste Teil der Verhandlungen. “Wir alle wissen, dass eine Trennung schwer ist”, sagte er. “Aber sich zu trennen und eine neue Beziehungen aufzubauen ist sehr viel schwerer.”
Quelle: AFP, Foto: Brüssel empfiehlt zweite Phase der Brexit-Gespräche, (Quelle: AFP / EMMANUEL DUNAND)