Fast alle Flüsse in Deutschland in keinem guten Öko-Zustand
Fast alle Flüsse in Deutschland sind nach Einschätzung der Bundesregierung ökologisch in keinem guten Zustand. Von den 8995 Flüssen führten zuletzt 93,3 Prozent nicht ihre natürlichen, typischen Lebensgemeinschaften an Fischen, Kleintieren oder Pflanzen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen hervorgeht, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.
Demnach ist die Gewässerstruktur und Nährstoffqualität der Flüsse in Deutschland “weiterhin unbefriedigend”. Die Bundesregierung bewertet zudem trotz erheblicher Erfolge bei der Verbesserung der Wasserqualität und der Rückkehr etwa der Biber und Lachse Gewässer und Auen als weiterhin bedrohte Lebensräume in Deutschland.
Der Regierungsantwort zufolge können von allen deutschen Flüssen nur 0,1 Prozent ökologisch als “sehr gut” bewertet werden. Eine genaue Zahl geht aus der Antwort der Bundesregierung zwar nicht hervor, aber bei knapp 9000 Flüssen wären dies rechnerisch gerade mal neun Flüsse in Deutschland in sehr guter Qualität. Weitere 6,6 Prozent erreichten einen guten ökologischen Zustand.
Auf der anderen Seite waren laut der Regierungsantwort mit Stand vergangenen Oktober 19,9 Prozent der deutschen Flüsse nach den EU-Kriterien in einem schlechten Zustand, 34,4 Prozent in einem unbefriedigenden Zustand und 36,2 Prozent in einem mäßigen Zustand.
Von den 75 Küstengewässern ist demnach keines in einem sehr guten oder guten ökologischen Zustand. Außerdem können von den Auenlandschaften nur zehn Prozent aktuell als weitgehend funktionsfähig eingestuft werden.
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, bewertete die Ergebnisse “alarmierend”. Lemke nannte als positives Gegenbeispiel, wie in Sachsen-Anhalt durch die Deichrückverlegung der Lenzener Elbaue neuer Lebensraum für Tiere und gleichzeitig Fortschritte beim Hochwasserschutz entstanden seien.
Die Naturschutzorganisation WWF warf Deutschland vor, “seit vielen Jahren” Aderlass mit seinen Fließgewässern zu betreiben. Es brauche deshalb mehr Geld, mehr Personal und politischen Willen, um Verstöße gegen die bestehende europäische Wasserrahmenrichtlinie etwa durch Industrie und Landwirtschaft zu ahnden.
Wie aus der Antwort der Bundesregierung weiter hervorgeht, laufen beim Bundesumweltministerium derzeit die fachlichen Vorbereitungen, um ein Förderprogramm für Auen zu etablieren. Es sollten dabei Verbundprojekte im Gewässer, am Ufer und an der Aue umgesetzt werden. Die Förderrichtlinie solle im Herbst verabschiedet werden. In einer ersten Abschätzung sei von einem Investitionsbedarf von etwa 50 Millionen Euro jährlich über einen Zeitraum von 30 Jahren ausgegangen worden, also insgesamt etwa 1,5 Milliarden Euro.