Nach Rückzug eines obersten Richters will US-Präsident rasch Nachfolger benennen
Washington- US-Präsident Donald Trump hat die Chance, dem Obersten Gericht des Landes für lange Zeit einen konservativen Stempel aufzudrücken. Einer der neun Richter des Supreme Court, Anthony Kennedy, wird Ende Juli in den Ruhestand treten, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Den moderaten Konservativen, der bei manchen Entscheidungen zusammen mit den linksliberalen Richtern votierte, dürfte Trump nun durch einen dezidiert konservativen Juristen ersetzen wollen.
Es sei ihm eine “große Ehre und großes Privileg” gewesen, der Nation 43 Jahre in der Bundesgerichtsbarkeit zu dienen, davon 30 Jahre am Obersten Gericht, erklärte Kennedy. Der 81-Jährige begründete seine Entscheidung für den Ruhestand damit, dass er mehr Zeit für seine Familie haben wolle. Die Richter am Supreme Court sind auf Lebenszeit ernannt. Kennedy war seinerzeit von Präsident Ronald Reagan in das höchste Gericht des Landes berufen worden.
Trump würdigte Kennedy als “großartigen Richter” und kündigte an, das Verfahren zur Bestimmung des Nachfolgers solle “unverzüglich” beginnen. “Hoffentlich suchen wir jemanden aus, der genauso großartig ist”, sagte der Präsident zu Reportern im Weißen Haus. Er habe bereits eine Liste mit 25 möglichen Kandidaten. Der Präsident entscheidet allerdings nicht autonom über die Besetzung der Richterposten – sein Personalvorschlag bedarf der Zustimmung des Senats.
Zu erwarten ist ein zähes Ringen um die Neubesetzung. Trumps Republikanische Partei hat im Senat nur eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme, und im November wird mehr als ein Drittel der Kongresskammer neu gewählt. Im bereits begonnenen Wahlkampf dürfte die Zusammensetzung des Supreme Court zu einem wichtigen Thema werden.
Der Vorsitzende der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, forderte den Präsidenten auf, mit der Personalentscheidung bis nach den Wahlen zu warten. Das Votum der Wähler über die Zusammensetzung des Senats müsse abgewartet werden, sagte Schumer.
Das Oberste Gericht hat bei vielen politischen und gesellschaftlichen Streitfragen immer wieder das letzte Wort – von der Todesstrafe über die Abtreibung bis hin zu den Homosexuellenrechten. Erst am Dienstag hatte das Gericht entschieden, dass die heftig umstrittenen Einreiserestriktionen Trumps für Bürger mehrheitlich muslimischer Länder nicht verfassungswidrig sind.
Das Urteil zu dem Einreisebestimmungen kam mit der Stimme Kennedys zustande. Insgesamt spielte er aber über die Jahre hinweg am Obersten Gericht eine Sonderrolle, indem er nicht durchgängig mit dem konservativen Flügel votierte. Da jeweils vier der übrigen Richter klar dem konservativen oder linksliberalen Flügel zuzuordnen sind, spielte er oft die Rolle des Züngleins an der Waage.
So gab sein Votum etwa den Ausschlag dafür, dass der Supreme Court die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aufrechterhielt, und dass das Gericht vor drei Jahren in einer bahnbrechenden Entscheidung Homosexuellen das Recht auf die Eheschließung zusprach.
Für Trump ist es nun seit seinem Amtsantritt vor 17 Monaten bereits das zweite Mal, dass er einen Richter für das Oberste Gericht auszuwählen hat. Wenige Tage nach seinem Einzug ins Weiße Haus hatte er den konservativen Richter Neil Gorsuch für den Supreme Court nominiert, der dann nach verbissenem Ringen schließlich die erforderliche Zustimmung des Senats bekam.