Die Bundesregierung hat zurückhaltend
auf die Idee von SPD-Chefin Andrea Nahles reagiert
Berlin- Finanzielle Hilfen für die wirtschaftlich angeschlagene Türkei sind für die Bundesregierung nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert derzeit kein Thema. “Das ist nicht unser Fokus“, sagte Seibert am Montag in Berlin mit Blick auf einen Vorstoß von SPD-Chefin Andrea Nahles. Die Grünen verlangten als Voraussetzung für Hilfen die Freilassung zu Unrecht in der Türkei Inhaftierter.
Nahles hatte am Wochenende Hilfen für die Türkei ins Gespräch gebracht, um die Lage dort zu stabilisieren – und zwar unabhängig von der Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Sie war damit auf breite Kritik gestoßen. Vor einer Destabilisierung der Türkei warnte auch der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Seibert bekräftigte das deutsche Interesse an einer “stabilen und prosperierenden” Türkei. Dazu trügen “gute Beziehungen” bei. Der Regierungssprecher verwies zudem darauf, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Telefonat mit Erdogan in der vergangenen Woche vereinbart hatte, dass es noch vor Erdogans Deutschland-Besuch Kontakte zwischen den Ministerien für Finanzen und Wirtschaft beider Länder geben solle.
Zu möglichen Finanzhilfen durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Türkei sagte Seibert, es sei Sache eines jeden Staates, ob er einen Antrag auf Hilfen stelle. Die Führung in Ankara schließt einen Hilfsantrag beim IWF bislang aus.
Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums sollen die türkischen Minister für Finanzen, Handel und Verkehr am 21. September nach Deutschland kommen, eine Woche vor dem Erdogan-Besuch. Dabei dürfte es um den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen gehen.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte nach Beratungen von CDU-Präsidium und -Vorstand in Berlin, die Parteigremien unterstützten die Haltung von Parteichefin Merkel, wonach sie “keine Notwendigkeit sieht, zur Zeit über besondere deutsche Hilfen für die Türkei nachzudenken”. Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt nannte in der “Rheinischen Post” als Bedingung für Türkei-Hilfen einen Kurswechsel Erdogans hin zu Rechtsstaatlichkeit und einer Unabhängigkeit der türkischen Zentralbank.
Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte auf die Frage nach möglicher Unterstützung für die Türkei, es sei “zu früh”, um konkrete Instrumente zu nennen. Dies sei auch noch nicht Gegenstand der Gespräche. Es gebe aber “eine breite Palette” von Möglichkeiten, um Außenwirtschaft und Handel zu fördern.
Skeptisch zu Türkei-Hilfen äußerte sich der frühere Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir. “Ich bin nicht der Meinung, man soll die Türkei kollabieren lassen, aber das soll bitteschön der IWF machen”, sagte er der “Bild”-Zeitung zufolge. Zuerst müsse Erdogan die Unabhängigkeit der türkischen Zentralbank wiederherstellen und “alle aus dem Gefängnis entlassen, die dort nicht hingehören”. Dies müsse Merkel von Erdogan bei dessen Ende September geplantem Deutschland-Besuch klar fordern.
FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff nannte die Äußerungen von Nahles zu den Türkei-Hilfen in der “Welt” vom Montag “naiv und deplatziert”. Mit solchen Hilfen stabilisiere man “nur das System Erdogan”, warnte Lambsdorff.