Brexit-Deal,Brexit-Abkommen,Ausland,Außenpolitik,Presse,Nachrichten,London,Aktuelles

Abstimmung über Brexit-Deal

Veröffentlicht von PSM.Media

Britisches Kabinett vor der Zerreißprobe

London- Brexit-Deal: Vor der Sitzung des britischen Kabinetts zum Brexit-Vertragsentwurf sieht sich Premierministerin Theresa May heftigem Gegenwind aus ihrer eigenen Partei ausgesetzt. Konservative Abgeordnete riefen Kabinettsmitglieder auf, den Entwurf abzulehnen und drohten mit einer Blockade im Parlament. May selbst dagegen argumentierte am Mittwoch, der Brexit-Entwurf erfülle das Votum des britischen Volkes.

Nach schwierigen Verhandlungen in den vergangenen Monaten hatte Mays Büro am Dienstagabend mitgeteilt, dass sich Großbritannien und die EU auf einen Vertragsentwurf für den britischen EU-Austritt verständigt hätten. Aus Brüssel verlautete, es sei eine technische Vereinbarung erzielt worden. Nun müsse auf beiden Seiten noch eine Einigung auf politischer Ebene folgen.

Das Kabinett in London will am Mittwoch um 14.00 Uhr Ortszeit (15.00 Uhr MEZ) zusammentreten, um über den Entwurf zu beraten. Die den Brexit befürwortende Tageszeitung “Daily Telegraph” nannte die Sitzung einen “Moment der Wahrheit”. Die Boulevardzeitung “Sun” warnte vor “Verrat”, der Brexit-Entwurf müsse abgelehnt werden.

Die Kritiker des Brexit-Entwurfs argumentieren, dieser enthalte für Großbritannien inakzeptable Kompromisse. Die wegen der Differenzen über den Brexit im Juli zurückgetretenen Ex-Minister Boris Johnson und David Davis riefen Kabinettsmitglieder und Parlamentarier zu einem Nein auf.

Als einer der Knackpunkte in den Brexit-Verhandlungen galt die Frage nach der künftigen Grenzregelung zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland. Der irische Fernsehsender RTE berichtete am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise, es sei eine Einigung erzielt worden, die eine Rückkehr zu einer festen Grenze vermeide.

Demnach verständigten sich die EU und Großbritannien offenbar auf einen Kompromiss, der vorübergehend gemeinsame Zollregeln der EU mit dem gesamten Vereinigten Königreich sowie spezielle Regelungen für Nordirland vorsieht, solange kein endgültiges Handelsabkommen steht.

Brexit-Hardliner wie Ex-Außenminister Johnson befürchten, dass Großbritannien dauerhaft an die EU gebunden sein könnte. Sein Land drohe mit der Einigung zum “Vasallenstaat” zu werden, sagte Johnson der BBC. Seine Ex-Kabinettskollegen rief er auf, den Entwurf zurückzuweisen. Er selbst werde im Parlament dagegen stimmen.

Ex-Brexit-Minister David Davis, der zeitgleich mit Johnson zurückgetreten war, erklärte, das Kabinett und alle konservativen Abgeordneten sollten “aufstehen” und “Nein sagen zu dieser Kapitulation”.

May steht seit langem bei konservativen Abgeordneten wegen ihres Brexit-Kurses in der Kritik. Am Mittwoch warb sie im Parlament für den Vertragsentwurf mit der EU: “Was wir ausgehandelt haben, ist ein Deal, der das Votum des britischen Volkes erfüllt”, sagte sie mit Blick auf das Brexit-Referendum von 2016.

Mit dem Brexit-Entwurf könnte es möglicherweise weitere ranghohe Rücktritte geben. “Auch wenn eine Einigung von der EU unterzeichnet wurde, garantiert nichts, dass diese auch vom Kabinett akzeptiert wird”, warnte Ruth Gregory, Analystin beim Capital Economics. “Wir wären nicht überrascht, weitere Rücktritte zu sehen.”

In den Stunden vor der Kabinettssitzung empfing May ihre Minister bereits einzeln – Kommentatoren sahen darin eine Strategie, um eine gemeinsame Revolte abzuwenden.

Die nordirische Democratic Unionist Party (DUP), auf deren Stimmen May im Parlament angewiesen ist, drohte angesichts der Berichte über Sonderregelungen für Nordirland mit einem Bruch des Bündnisses. DUP-Chefin Arlene Foster sprach am Mittwoch von “beunruhigenden Zeiten”.

Jeffrey Donaldson von der DUP sagte, dies sei “nicht der richtige Brexit”, es untergrabe “in grundlegender Weise die verfassungsmäßige und wirtschaftliche Integrität des Vereinigten Königreichs”.

Kritik kam auch von der Opposition: Labour-Chef Jeremy Corbyn erklärte, der Entwurf überschreite Mays “eigene rote Linien”.

Auch die Botschafter der 27 verbleibenden EU-Mitglieder wollen am Mittwoch in Brüssel über den Entwurfstext beraten. Sollte der Text von beiden Seiten gebilligt werden, könnte es am 25. November einen Sondergipfel zur Vertragsunterzeichnung geben.

 

Quelle: AFP, 14.11.2018, Foto: Theresa May , Quelle: AFP / Ben STANSALL