Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernahm die Ermittlungen
Bei einem womöglich antisemtisch motivierten Angriff hat es am Mittwoch in Halle an der Saale zwei Tote und zwei Schwerverletzte gegeben.
Nach ersten Erkenntnissen wurden zwei Personen in #Halle getötet.
Es fielen mehrere Schüsse. Die mutmaßlichen Täter sind mit einem Fahrzeug flüchtig. Wir fahnden mit Hochdruck und bitten die Bevölkerung in ihren Wohnungen zu bleiben. #hal0910
— Polizei Halle (Saale) (@Polizei_HAL) October 9, 2019
Einer oder mehrere Täter gaben Schüsse ab, die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernahm die Ermittlungen. Nach Angaben der Jüdischen Gemeinde zu Halle wollte der Täter die Türen zur Synagoge aufschießen. In dieser befanden sich am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu der Zeit demnach 70 bis 80 Menschen.
Bei den Todesopfern handelt es sich nach den Worten einer Polizeisprecherin um einen Mann und eine Frau. Der Mann sei in einem Dönerimbiss erschossen worden, die Frau in der Humboldtstraße, in der sich auch die Synagoge befindet. Die beiden wurden gegen Mittag getötet.
Neben den beiden Toten gibt es auch zwei Schwerverletzte. Das Universitätsklinikum berichtete, dass zwei Menschen mit Schussverletzungen eingeliefert wurden und am Mittwochnachmittag operiert wurden. Ob Lebensgefahr besteht, stand zunächst nicht fest.
Die Bundesanwaltschaft übernahm bereits kurz nach Bekanntwerden der Schüsse die Ermittlungen. Ein Sprecher begründete dies mit der “besonderen Bedeutung des Falls”,ermittelt werde wegen Mordes. Es gehe hier um “die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland”.
Die genauen Hintergründe der Tat blieben zunächst ebenso unklar wie die Identität eines Verdächtigen, den die Polizei festnehmen konnte. Die Angaben des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Max Privorozki, deuteten aber auf einen antisemitschen Hintergrund.
“Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen”, sagte Privorozki der “Stuttgarter Zeitung” und den “Stuttgarter Nachrichten”. Die Türen hätten aber standgehalten. Der oder die Täter hätten außerdem versucht, das Tor des danebenliegenden jüdischen Friedhofs aufzuschießen, sagte Privorozki. Vor der Tür habe ein Todesopfer des Angreifers gelegen.
Die Menschen in der Synagoge seien sehr geschockt gewesen. “Wir haben die Türen von innen verbarrikadiert und auf die Polizei gewartet”, sagte er. Der Gottesdienst sei dann weiter gefeiert worden. Auch der “Spiegel” berichtete von Versuchen der mutmaßlichen Täter, in die Synagoge einzudringen.
Nach Informationen des Magazins handelte es sich um mindestens zwei Täter. Sie trennten sich nach dem Angriff – einer der Verdächtigen floh im Taxi und konnte auf der Autobahn gestoppt werden. Die Polizei berichtete von einer Festnahme. Details zu dessen Identität blieben zunächst unklar.
Der Oberbürgermeister von Halle, Bernd Wiegand (parteilos), sprach von einer “Amoklage”. Er rief einen Stab für außergewöhnliche Ereignisse ein. Ein offenbar von einem Augenzeugen aufgenommenes Video zeigte einen mit einem Kampfanzug und Helm ausgestatteten Angreifer, der auf offener Straße mehrere Schüsse abgab. Die Polizei forderte die Einwohner von Halle auf, wachsam zu bleiben.
Ein Zeuge berichtete im Fernsehsender n-tv, dass ein mit Sturmmaske und Helm bekleideter Mann mit einem Sturmgewehr in ein Dönerrestaurant geschossen habe. Zuvor habe der Angreifer eine Art Sprengsatz geworfen, der aber an der Fassade abgeprallt und explodiert sei. In dem Dönerimbiss hätten sich insgesamt fünf bis sechs Gäste aufgehalten, sagte der Zeuge. Er selbst habe sich in der Toilette versteckt.
In welche Richtung die mutmaßlichen Täter flüchteten, war noch unbekannt. Die Polizei forderte die Menschen in Halle auf, in ihren Wohnungen zu bleiben oder sichere Orte aufzusuchen. Der Hauptbahnhof wurde wegen des Einsatzes gesperrt, wie die Bahn mitteilte. Auch der Nahverkehrsbetrieb stellte seinen Liniendienst ein.
Das Lagezentrum der Landesregierung warnte kurz darauf vor einem “Schusswaffengebrauch im Bereich Landsberg” östlich von Halle. Anwohner wurden ebenfalls aufgefordert, Gebäude und Wohnungen nicht zu verlassen. Die Polizei bestätigte das zunächst nicht.
Die Bundesregierung zeigte sich bestürzt über die tödlichen Schüsse. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von “schrecklichen Nachrichten”. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zeigte sich “entsetzt über diese verabscheuenswürdige Tat”, erklärte er. Ebenso wie sein Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) brach Haseloff seinen Urlaub ab.
Quelle: AFP, 09.10.2019, Foto: Einsatzkräfte in Halle, Quelle: dpa/dpa/picture-alliance/Archiv / Sebastian Willnow