Corona Demo Schwerin- Corona-Panik frisst Grundrechte

Corona Demo Schwerin- Corona-Panik frisst Grundrechte

Veröffentlicht von PSM.Media

Demonstration in Schwerin gegen Corona-Maßnahmen

Schwerin- In Mecklenburg-Vorpommern sind am Freitag trotz Einschränkungen mehrere Hundert Menschen zu Protesten auf die Straße gegangen. In Schwerin wurde eine angemeldete Mahnwache gegen die derzeitigen Corona-Maßnahmen am Nachmittag vorzeitig aufgelöst. Veranstalter und Polizei befürchteten, dass die Demonstration aus dem Ruder läuft. Statt der angemeldeten und erlaubten 50 Teilnehmer kamen nach Angaben der Polizei bis zu 600 Menschen an das Südufer des Pfaffenteiches. Wie ein Polizeisprecher zu NDR 1 Radio MV sagte, seien die Beamten von der Anzahl der Teilnehmer überrascht worden.

Zunächst waren auch nur vier Polizeibeamte vor Ort. Rund 20 weitere Einsatzkräfte wurden zur Verstärkung angefordert. Nach Polizeiangaben nutzten einige alkoholisierte Schaulustige die Situation aus, um zu provozieren. Außerdem konnte der Mindestabstand nicht eingehalten werden. Die Teilnehmer selbst nahmen friedlich an der Mahnwache teil. Diese wurde organisiert von mehreren Ärzten aus Schwerin. Ihrer Meinung nach würden die Corona-Schutzmaßnahmen die Grundrechte aushebeln.

 

Demonstration in Schwerin gegen Corona-Maßnahmen

Gerichtsentscheidungen zum Coronavirus

Inzwischen sind zahlreiche gerichtliche Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Covid 19 Virus (Coronavirus) veröffentlicht worden. In fast allen Fällen haben die Gerichte die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen der Hoheitsträger sowie die erlassenen Ordnungsmaßnahmen zunächst als rechtmäßig erkannt. Es ist auffällig, dass mit zunehmender Zeit die gerichtlichen Entscheidungen zu einer stärkeren Betrachtung des Einzelfalls mahnen.

Zu den Entscheidungen im Detail:

1. Rechtmäßige Schließung von Schulen, Kitas usw.

Am 11.03.2020 bestätigte das VG Bayreuth eine Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) vom 06.03.2020 zum Besuch von Schulen, Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen und Heilpädagogischen Tagesstätten im Zusammenhang mit der Eindämmung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (VG Bayreuth, Beschl. v. 11.03.2020 – B 7 S 20.223).

2. Verbot des Late-Night-Shoppings wirksam

Am 14.03.2020 bestätigte das Verwaltungsgericht Stuttgart das Verbot eines Late-Night Shoppings (VG Stuttgart, Beschl. v. 14.03.2020 – 16 K 1466/20).

3. Keine Geburtstagsfeier in großer Runde

Das VG Göttingen hat entschieden, dass die infektionsschutzrechtliche Allgemeinverfügung der Stadt Göttingen vom 17.03.2020 rechtmäßig ist und es dem Antragsteller daher verboten ist, seinen runden Geburtstag in großer Runde zu feiern (VG Göttingen, Beschl. v. 20.03.2020 – 4 B 56/20).

4. Rechtmäßige Schließung von Ladengeschäften des Einzelhandels

In zwei Entscheidungen vom 20.03.2020 hat das Verwaltungsgericht München die am 16.03.2020 angeordnete Schließung von Ladengeschäften des Einzelhandels als verhältnismäßig erachtet(VG München, Beschl. v. 20.03.2020 – M 26 E. 20.1209 und M 26 S 20.1222).

5. Schließung von Spielhallen rechtmäßig

Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat entschieden, dass die Anordnung der Schließung von Spielhallen in Langenfeld rechtmäßig ist (VG Düsseldorf, Beschl. v. 20.03.2020 – 7 L 575/20).

In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

Der Betreiber einer Spielhalle in Langenfeld hatte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner gleichzeitig erhobenen Klage beantragt. Mit dieser Klage wendet er sich gegen die Allgemeinverfügung der Stadt Langenfeld, mit der der Bürgermeister auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes u.a. die generelle Schließung von Spielhallen bis zum 19. April 2020 angeordnet hat.

Das Gericht hat in seiner Entscheidung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Anordnung kontaktreduzierender Maßnahmen höher gewichtet als das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers. Die Behörde habe nachvollziehbar und plausibel begründet, dass das auch von Land und Bund verfolgte Ziel der Verzögerung der Ausbreitung des Corona-Virus nur durch einschneidende Maßnahmen erreicht werden könne. Die damit gewonnene Zeit sei erforderlich, um das Gesundheitssystem im Interesse des Gesundheits- und Lebensschutzes insbesondere vulnerabler Personengruppen leistungsfähig zu erhalten. Ferner werde damit voraussichtlich auch Zeit gewonnen, um Therapeutika und Impfstoffe zu entwickeln.

Den hiergegenüber nachrangigen wirtschaftlichen Folgen für den Antragsteller in Folge der zeitlich befristeten Schließungen werde durch die zugesagten Finanzhilfen von Bund und Land gegebenenfalls Rechnung getragen.

Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zulässig.

6. Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg vom 22.03.2020 wirksam

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat den Antrag eines Potsdamer Bürgers auf teilweise Aussetzung des Vollzugs der SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg vom 22.03.2020 zurückgewiesen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.03.2020 – OVG 11 S 12.20).

In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

Zur Begründung hat er [das Gericht] ausgeführt, die Regelungen hinsichtlich der Untersagung sonstiger Ansammlungen in § 1 Abs. 1 der Verordnung und hinsichtlich des Aufenthalts im öffentlichen Raum in § 11 der Verordnung verletzten den Antragsteller insbesondere nicht in seinem Recht auf Freizügigkeit. Die angegriffenen Bestimmungen fänden eine hinreichende Rechtsgrundlage im Infektionsschutzgesetz. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem neuartigen Coronavirus auch in anderen Ländern und dessen Einstufung als Pandemie durch die WHO seien die angeordneten Schutzmaßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen und überschritten den dem Verordnungsgeber eingeräumten Einschätzungsspielraum nicht. Dass sie über die Regelungen hinausgingen, die am 22. März 2020 von der Bundeskanzlerin und den Regierungschefs der Bundesländer vereinbart worden seien, sei nicht ersichtlich.

7. Vorübergehende Betriebsschließung einer Lottoannahmestelle und eines Pralinenfachgeschäfts rechtmäßig

Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat am 23.03.2020 die vorübergehende Betriebsschließung einer Lottoannahmestelle und eines Pralinenfachgeschäfts aufgrund der Coronavirus-Pandemie für rechtmäßig erklärt (VG Aachen, Beschl. v. 23.03.2020 – 7 L 230/20, 7 L 233/20). Grundlage für die Schließung ist eine Allgemeinverfügung der Stadt Würselen vom 18.03.2020, mit der angesichts der fortschreitenden Ausbreitung des Corona-Virus ab sofort – zunächst bis zum 19.04.2020 – u.a. der Weiterbetrieb bestimmter Verkaufsstellen des Einzelhandels untersagt worden ist.

8. Ausgangsbeschränkungen zweier Einzelpersonen aus formalen Gründen nicht rechtmäßig

Das Verwaltungsgericht (VG) München hat mit zwei Beschlüssen vom 24.03.2020 zugunsten zweier Einzelpersonen die Wirkung der Ausgangsbeschränkungen vom 20.03.2020 aus formalen Gründen vorläufig außer Kraft gesetzt (VG München, Beschl. v. 24.03.2020 – M 26 S 20.1252 und M 26 S 20.1255).

9. Verbot der Nutzung von Nebenwohnungen in Schleswig-Holstein vorläufig wirksam / Rückreiseverfügung und Einreiseverbot vorläufig wirksam

Das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig hat  Anträge von Nutzern von Nebenwohnungen  auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmittel gegen die Verfügung von zwei Landkreisen zurückgewiesen (VG Schleswig, Beschl. v. 21.03.2020 – 1 B 10/20, 1 B 11/20, 1 B 12/20, 1 B 13/20, 1 B 14/20; VG Schleswig, Beschl. v. 26.03.2020 1 B 30/20).

Die Landkreise hatten verfügt, dass die Nutzung von Nebenwohnungen zu unterbleiben hat und entsprechende Nutzer an ihren Hauptwohnsitz zurückzukehren haben. Das Gericht hat keine Entscheidung darüber getroffen, ob die Maßnahme letztendlich rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Angesichts des  nur summarischen Prüfungsumfangs bei Verfahren auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gegen Verfügungen der staatlichen Behörden hatte sich das Gericht dafür entschieden, die Eindämmung der Infektionsgefahr den Vorrang einzuräumen. In der Pressemitteilung heißt es hierzu:

Soweit die Antragsteller durch die ergangenen Allgemeinverfügungen aufgefordert werden, den Ort der Nebenwohnung zu verlassen, hat das Gericht in den Entscheidungsgründen weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Verfügungen festgestellt.

Wegen der Eilbedürftigkeit hat die Kammer die Entscheidung auf eine weitergehende Interessenabwägung gestützt. Dabei haben die Richter der im öffentlichen Interesse stehenden Abwehr von Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung und der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der medizinischen, insbesondere krankenhausärztlicher (Intensiv?) Versorgung für die Bevölkerung ein überragendes Gewicht beigemessen. Das private Interesse der Antragsteller, in der Nebenwohnung zu verbleiben, überwiege das überragende öffentliche Interesse nicht. Insbesondere seien von den Antragstellern keine individuellen Umstände vorgetragen worden, die eine Nutzung ihrer Hauptwohnung im Einzelfall als unzumutbar erscheinen ließe.

Mit der gleichen Begründung wurde am 26.03.2020 auch ein Einreiseverbot für Nebenwohnungsbesitzer bestätigt. (VG Schleswig vom 26.03.2020 1 B 30/20).

Siehe dazu auch die zweitinstanzliche Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig (das OVG bestätigt das Verbot der Anreise auswärtiger Zweitwohnungsbesitzer, OVG Schleswig, Beschl. v. 02.04.2020 – 3 MB 8/20; 3 MB 11/20). In der Pressemitteilung heißt es:

Es bleibt bei dem vom Kreis Nordfriesland zur Eindämmung des Coronavirus verfügten Verbot der Anreise zur Nutzung von Zweitwohnungen. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein in Schleswig hat das Verbot mit Beschlüssen vom 02.04.2020 in zweiter Instanz bestätigt und sich zugleich zu den diesbezüglichen Ausnahmeregelungen geäußert. Es entnimmt den geltenden Regelungen, dass vorerst jede Art vermeidbarer Anreisen zu unterbleiben habe (…).

Mit Beschlüssen vom gestrigen Tage hat nunmehr auch das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht als zweite Instanz in zwei Beschwerdeverfahren das durch den Kreis Nordfriesland verfügte Anreiseverbot zur Nutzung von Nebenwohnungen (Zweitwohnungen) zwecks Bekämpfung und Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 bestätigt und sich zugleich zu den diesbezüglichen Ausnahmeregelungen geäußert. Der zuständige 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts entnimmt den geltenden Regelungen, dass vorerst jede Art vermeidbarer Anreisen zu unterbleiben habe.

Im Verfahren 3 MB 8/20 führt der zuständige 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts nach summarischer Prüfung aus, dass das Anreiseverbot aus der Allgemeinverfügung des Kreises rechtmäßig sei. Nach dem Infektionsschutzgesetz des Bundes sei der Kreis gehalten, der Verbreitung des Virus entgegenzuwirken und die jeweils erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Beanstandungsfrei berufe sich der Kreis darauf, dass das Virus vermutlich gerade durch auswärtige Personen verbreitet werde, die erst im Skiurlaub gewesen seien und danach in ihre Ferienwohnung reisten. Auf diese Weise kämen Personen miteinander in Kontakt, die sonst keinen Kontakt hätten. Allein im Kreis Nordfriesland gebe es mehrere Tausend Ferienwohnungen. Der Senat habe deshalb keinen Zweifel, dass die untersagte Anreise ein verhältnismäßiges Mittel darstelle, um die Ausbreitung des neuartigen Virus einzudämmen und die medizinischen Versorgungskapazitäten im Kreisgebiet vor Überlastung zu schützen. Es dürfe nicht so weit kommen, dass das medizinische Personal darüber entscheiden müsse, welche beatmungspflichtigen Patienten von einer intensivmedizinischen Behandlung ausgeschlossen würden. Das Interesse der Antragsteller an einer uneingeschränkten Nutzung ihrer Nebenwohnung müsse hinter diesem überragenden öffentlichen Interesse zurückstehen, zumal es sich um eine nur vorübergehende Maßnahme handele und bei schwerwiegenden Gründen Ausnahmen möglich seien. Schließlich sei der der Verfügung zugrundeliegende § 28 des Infektionsschutzgesetzes zum 28. März 2020 geändert worden und ermächtige nunmehr auch zu Eingriffen in das Grundrecht auf Freizügigkeit.

Im Verfahren 3 MB 11/20 begehrten die Antragsteller die gerichtliche Feststellung, dass für die von ihnen geplante Anreise zu ihrer Nebenwohnung im Kreisgebiet ein Ausnahmetatbestand gegeben sei. Es sei kein Aufenthalt zu touristischen Zwecken geplant, vielmehr solle von dort aus im Homeoffice gearbeitet werden.

Eine Ausnahmemöglichkeit vermochten weder das Verwaltungsgericht noch das Oberverwaltungsgericht dafür anzuerkennen. Die Allgemeinverfügung des Kreises bestimme unter Bezugnahme auf die SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung der Landesregierung ausdrücklich, dass nicht nur Reisen aus touristischem Anlass, sondern auch zu Freizeitzwecken, zu Fortbildungszwecken oder zur Inanspruchnahme von vermeidbaren oder aufschiebbaren Maßnahmen untersagt seien. Ausgenommen vom Verbot sei die Nutzung einer Nebenwohnung nur aus zwingenden Gründen, etwa aus zwingenden gesundheitlichen oder beruflichen Gründen. Dergleichen gelte für die Antragsteller nicht. Es sei nicht erkennbar, warum es für sie unerlässlich sein solle, zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit ihren Nebenwohnsitz aufzusuchen. Es sei zwar verständlich, dass sie die im Vergleich mit ihrer Hauptwohnung geräumigere und mit einem Grundstück versehene Zweitwohnung zum Aufenthalt für sich und ihre Kinder nutzen wollten, doch vermöge dies keinen zwingenden Grund oder einen vergleichbar schwerwiegenden Grund im Sinne der Allgemeinverfügung zu begründen.

Die Beschlüsse (Az. 3 MB 8/20 und 3 MB 11/20) sind unanfechtbar.

10. Vorläufige Ausgangsbeschränkung in Bayern bleiben in Vollzug

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) hat am 26.03.2020 entschieden, die in Bayern im Kampf gegen die Corona-Pandemie erlassene vorläufige Ausgangsbeschränkung vorerst weiter in Vollzug bleiben (BayVerfGH, Beschl. v. 26.03.2020 – Vf. 6-VII-20). Die mit der Ausgangsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriffe seien zwar tiefgreifend. Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung überwiege aber.

11. Verlängerte Räumungsfristen bei Wohnraummietsachen

Das Landgericht (LG) Berlin hat entschieden, dass gerichtliche Räumungsfristen in Wohnraummietsachen wegen des Coronavirus bis Ende Juni verlängert werden (LG Berlin, Beschl. v. 27.03.2020 – 67 S 16/20).

12. Allgemeinverfügung zur Schließung von Einzelhandelsgeschäften rechtlich nicht zu beanstanden

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg hat entschieden, dass die Allgemeinverfügung zur Schließung von Einzelhandelsgeschäften in Hamburg rechtlich nicht zu beanstanden sei (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.03.2020 – 5 Bs 48/20).  Damit blieb das gerichtliche Vorgehen einer Betreiberin mehrerer Einzelgeschäfte für den Handel mit elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern gegen die Allgemeinverfügung zur Eindämmung des Coronavirus in Hamburg vom 16.03.2020 erfolglos. Das OVG hat mit Beschluss vom 26.03.2020 ihren Eilantrag zurückgewiesen.

13. Derzeit keine Untersagung einer für Mai geplanter Hauptversammlung einer Bank

Das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt a. M. hat entschieden, dass es derzeit keine rechtliche Möglichkeit gebe, eine für Mai geplante Hauptversammlung einer Bank gerichtlich untersagen zu lassen (VG Frankfurt a. M., Beschl. v. 26.03.2020 – 5 L 744/20.F).

14. Keine Aussetzung von Abiturprüfungen in Hessen

Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat den Eilantrag einer Schülerin auf Aussetzung der Abiturprüfung in Hessen wegen einer drohenden Gesundheitsgefährdung durch das Coronavirus abgelehnt (VG Wiesbaden, Beschl. v. 30.03.2020 – 6 L 342/20/.WI).

In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts kann die Antragstellerin nicht die vorläufige Aussetzung des Abiturs für alle Schülerinnen und Schüler in Hessen verlangen, weil ihr dafür die Antragsbefugnis fehlt. Sie habe auch keinen Anspruch auf die Aussetzung ihrer eigenen Klausuren. Das Hessische Kultusministerium habe durch einen Erlass diverse Hinweise zur Durchführung des Abiturs an alle hessischen Schulen gesendet, denen die allgemeinen Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes zugrunde lägen. Darin werde insbesondere ein ausreichender Abstand der Schülerinnen und Schüler sowohl auf dem Schulhof als auch im Prüfungsraum gefordert. Bei der Ableistung der Klausuren sollen die Prüfungsgruppen klein gehalten werden. Außerdem solle ein regelmäßiges Lüften der Räume gewährleistet werden.

15. Eilanträge gegen sächsische Maßnahmen zu Corona-Pandemie bleiben erfolglos

Das Verwaltungsgericht (VG) Dresden hat entschieden, dass die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit Allgemeinverfügungen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt erlassenen Maßnahmen rechtmäßig seien (VG Dresden, Beschl. v. 30.03.2020 – 6 L 212/20 und 6 L 220/20).

Das Gericht hält die Einschränkungen persönlicher Freiheiten für zur Gefahrenabwehr erforderlich, geeignet und in Anbetracht der gegenwärtigen Gefahrenlage auch verhältnismäßig. Eine Ausnahme für die Durchführung einer Demonstration mit lediglich wenigen Teilnehmern komme nicht in Betracht.

16. Unwirksamer Einreisestopp des Landkreises Ostprignitz-Ruppin

Der Versuch eines Landkreises, das Verbot der Übernachtung von Touristen auf die Nutzung von Zweitwohnungen auszuweiten, ist vor dem Verwaltungsgericht (VG) Potsdam gescheitert. Zwei Berliner dürfen somit trotz des vom Landkreis Ostprignitz-Ruppin verhängten Einreisestopps zur Eindämmung der Corona-Ansteckungsgefahr zu ihren Zweitwohnsitzen reisen (VG Potsdam, Beschl. v. 31.03.2020 – VG 6 L 302/20 und VG 6 L 308/20).

In der Pressemitteilung des VG heißt es:

Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam hat am 31. März 2020 in zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über einzelne Regelungen der Zweiten Allgemeinverfügung für Reisen in das Gebiet des Landkreises Ostprignitz-Ruppin als Schutzmaßnahme zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 des Landkreises Ostprignitz-Ruppin vom 27. März 2020 entschieden. Die bis zum 19. April 2020 geltende Zweite Allgemeinverfügung bezweckt nach ihrer Begründung die Aufrechterhaltung der Versorgungskapazitäten in medizinischen Einrichtungen des Landkreises und untersagt unter anderem die Anreise zur Nutzung von Nebenwohnungen (sog. Zweitwohnungen) im Landkreis aus touristischen Gründen. 

Die jeweils mit Hauptwohnsitz in Berlin gemeldeten Antragsteller verfügen im Kreisgebiet Ostprignitz-Ruppin über Nebenwohnungen und wollen diese alsbald nutzen, ohne die in der Zweiten Allgemeinverfügung geregelten Ausnahmen vom Verbot zu erfüllen.

Mit den den Beteiligten heute bekannt gegebenen Beschlüssen hat die 6. Kammer die vorläufige Vollziehung der Allgemeinverfügung im Verhältnis zu den Antragstellern der hiesigen Verfahren ausgesetzt.

Nach der Auffassung des Gerichts kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die in Rede stehende Untersagung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 erforderlich ist. Denn entgegen der Annahme des Landkreises dränge sich eine absehbare Kollabierung des Gesundheitssystems des Landkreises infolge eines erhöhten Anstiegs der Ansteckungsgefahr wegen der bevorstehenden Anreise von Zweitwohnungsnutzern keinesfalls auf.

Zwar ist es ein berechtigtes Anliegen zu verhindern, dass die medizinischen Kapazitäten, insbesondere im Bereich der Intensivmedizin, infolge einer zunehmenden Ausbreitung der Infektion überschritten werden. Inwieweit allerdings ein Zusammenhang zwischen der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems im Versorgungsgebiet und der Nutzung von Nebenwohnungen besteht, ist derzeit nicht ersichtlich und auch weder in der Begründung der Allgemeinverfügung noch in der Antragserwiderung des Landrats des Landkreises Ostprignitz-Ruppin dargetan worden, zumal überdies Beherbergungen von Touristen nach § 6 Abs. 5 der SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg vom 22. März 2020 (GVBl. II/20 Nr. 11) untersagt sind.  

Gegen die Beschlüsse steht dem Landrat des Landkreises Ostprignitz-Ruppin die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat in zweiter Instanz die Entscheidung des VG Potsdam bestätigt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07.04.2020 – OVG 11 S 15.20; OVG 11 S 16.20).

17. Das Bundesverfassungsgericht lehnt eine Entscheidung über Berliner Corona-Beschränkungen aus formalen Gründen ab

Siehe dazu BVerfG, Beschl. v. 01.04.2020 – 1 BvR 712/20:

In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts heißt es:

2. Die Verfassungsbeschwerde wird den Anforderungen des Subsidiaritätsgrundsatzes nicht gerecht.

a) Nach diesem Grundsatz muss ein Beschwerdeführer vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden und zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Das gilt auch, wenn zweifelhaft ist, ob ein entsprechender Rechtsbehelf statthaft ist und im konkreten Fall in zulässiger Weise eingelegt werden kann (…). Allerdings verlangt der Grundsatz der Subsidiarität nicht, dass Betroffene vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm verstoßen und sich dem Risiko einer entsprechenden Ahndung aussetzen müssen, um dann im Straf- oder Bußgeldverfahren die Verfassungswidrigkeit der Norm geltend machen zu können (…). Doch genügt eine Verfassungsbeschwerde auch dann nicht dem Grundsatz der Subsidiarität, wenn die Möglichkeit besteht, fachgerichtlichen Rechtsschutz außerhalb eines Straf- oder Bußgeldverfahrens zu erlangen (…).

b) So liegt es hier. Der Beschwerdeführer ist darauf zu verweisen, um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen.

18. Reha-Einrichtung hat keinen Anspruch auf Erlass einer behördlichen Schließungsverfügung

Das Verwaltungsgericht (VG) Dresden hat den Antrag des Betreibers einer Reha-Einrichtung auf Erlass einer Schließungsverfügung, gerichtet gegen die Einrichtung, zurückgewiesen (VG Dresden, Beschl. v. 01.04.2020 – 6 L 224/20). Wie das VG Dresden meint bestehe für eine solche Verfügung kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragstellerin ihre Einrichtung eigenverantwortlich schließen könne und demzufolge nicht auf eine behördliche Schließungsanordnung angewiesen sei.

19. Erfolgreiches Vorgehen gegen die Schließung eines Hundesalons wegen des Coronavirus

Das Verwaltungsgericht (VG) Minden hat im Rahmen eines Eilantrags, der sich gegen die (angebliche) Schließung eines Hundesalons wegen des Coronavirus richtete, zugunsten des Betreibers des Hundesalons entschieden (VG Minden, Beschl. v. 02.04.2020 – 7 L 272/20). In der Pressemitteilung heißt es:

Eine Hundesalonbetreiberin aus dem Kreis Lippe darf nach einer neuen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden nun doch trotz Corona-Pandemie weiter Hunde frisieren. Das Gericht hat am Donnerstag einen zunächst ergangenen Eilbeschluss von Dienstag entsprechend abgeändert (Az.: 7 L 272/20).

Es habe sich erst jetzt herausgestellt, dass die Stadt überhaupt gar keine Schließung des Salons im Sinn gehabt habe, sondern die Inhaberin lediglich auf die Bestimmungen der Corona-Schutzverordnung habe hinweisen wollen, teilte eine Gerichtssprecherin mit. Zwar wäre es grundsätzlich möglich gewesen, unter Verweis auf das Infektionsschutzgesetz den Betrieb zu schließen, um die Pandemie einzudämmen. Darauf habe sich die Stadt jedoch gar nicht berufen, wie sich nun herausgestellt habe.

Die Hundesalonbetreiberin war stets davon ausgegangen, die Behörden hätten ihren Betrieb komplett untersagen wollen. Sie wehrte sich per Eilverfahren und brachte vor, dass sie ihre Betriebsabläufe umstrukturiert habe: Die Tierhalter hätten den Salon nicht mehr betreten, sondern ihre Tiere an Tür abgeben oder anbinden können, um unmittelbare Kontakte zwischen Kunde und Salonmitarbeitern zu verhindern.

20. Rechtmäßiges Verbot einer Zwei-Personen-Demonstration wegen des Coronavirus

Das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt a. d. Weinstraße hält das Verbot einer Zwei-Personen-Demo für rechtmäßig (VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschl. v. 02.04.2020 – 4 L 333/20.NW). Der Landkreis Germersheim habe zu Recht wegen des Coronavirus eine für den 04.04.2020 geplante Zwei-Personen-Demonstration in Kandel untersagt. Es sei mit der Entstehung einer verbotenen Menschenansammlung zu rechnen. Auch eine Auflage zum Tragen von Schutzmasken komme nicht in Betracht. In der Pressemitteilung heißt es:

Die vom Landkreis Germersheim gegenüber einem Veranstalter einer Versammlung in Kandel angeordnete Untersagung der Veranstaltung ist rechtens. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr. mit Beschluss vom 2. April 2020 entschieden.

Am 30. März 2020 meldete der Antragsteller beim Landkreis Germersheim für den 4. April 2020 eine Versammlung unter freiem Himmel in Kandel mit dem Thema Migrationspolitik, neue Weltordnung, Corona an. Die Versammlung sollte um 14 Uhr mit einer Auftaktkundgebung in der Nähe eines Supermarktes in Kandel beginnen und ausschließlich auf den Gehwegen durch mehrere innerörtliche Straßen wieder zurück zum Ausgangsplatz führen. In der Anmeldung hieß es, die Versammlung solle mit einem Megaphon, einem kleinen Bollerwagen mit mobiler Beschallungsanlage und zwei Schildern durchgeführt werden. Es würden nur zwei Personen inklusive des Versammlungsleiters an der Kundgebung teilnehmen. Eine Gegenveranstaltung sei nicht zu erwarten, da die Versammlung nicht beworben werde.

Mit Bescheid vom 1. April 2020 untersagte der Landkreis Germersheim die geplante Demonstration unter Hinweis darauf, der Antragsteller könne weder sicherstellen noch verhindern, dass sich weitere Personen spontan der 2-Personen-Versammlung anschließen würden. Auch sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in kürzester Zeit ein spontaner Gegenprotest zu erwarten. Es würde dadurch zu durch die 3.  Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 23. März 2020 – 3. CoBeLVO – untersagten Menschenansammlungen kommen.

Der Antragsteller hat dagegen Widerspruch eingelegt und zugleich um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung hat er geltend gemacht, das Verbot der öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel, zumal explizit auf zwei Personen begrenzt, sei rechtswidrig und verletze ihn in seinem Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Es sei nicht ersichtlich, woraus sich eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Versammlung mit lediglich zwei Personen ergebe. Selbst wenn sich Dritte der Versammlung anschließen würden und dabei den geforderten Sicherheitsabstand von 1,5 Metern einhielten, wäre dies zulässig. Er wolle mit der angemeldeten Versammlung auch das aus seiner Sicht überzogene und rechtswidrige Vorgehen der verantwortlichen Regierung und Behörden in Bezug auf die aktuelle Corona-Problematik thematisieren. Der Landkreis Germersheim habe es des Weiteren versäumt, z.B. per Auflage zusätzlich das Tragen von Schutzmasken anzuordnen, um das Infektionsrisiko bei Durchführung der Versammlung auszuschließen.

Die 5. Kammer des Gerichts hat den Eilantrag des Antragstellers mit folgender Begründung abgelehnt:

Die Untersagung der Versammlung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 3 der 3. CoBeLVO  seien Veranstaltungen jeglicher Art untersagt. Bei der von dem Antragsteller geplanten Versammlung handele es sich um eine solche Veranstaltung. Das Infektionsschutzgesetz, auf dessen Grundlage die 3. CoBeLVO erlassen worden sie, ermächtige den Landesgesetzgeber dazu, u.a. das Grundrecht der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) insoweit einzuschränken.

Der Antragsteller könne sich nicht darauf berufen, es gäbe nur zwei Versammlungsteilnehmer, zwei Personen dürften sich nach der 3. CoBeLVO aber im öffentlichen Raum zusammen bewegen. Da es sich bei der vom Antragsteller angemeldeten Versammlung um eine öffentliche Versammlung handele, an dem sich jeder an der Teilnahme Interessierte der Versammlung unter freiem Himmel anschließen könne, sei nicht gewährleistet, dass es nicht zu durch die 3. CoBeLVO untersagten Menschenansammlungen kommen werde. Der Antragsgegner weise zu Recht darauf hin, dass aufgrund der in der Südpfalz außergewöhnlichen Situation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in kürzester Zeit mit einem spontanen Gegenprotest zu rechnen sei. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die gewählte Aufzugsstrecke durch Wohngebiete in Kandel und die Benutzung eines Megafons, eines Bollerwagens mit mobiler Beschallungsanlage auch ohne vorherige Bewerbung innerhalb kürzester Zeit Aufmerksamkeit erlangen werde. Eine mögliche Menschenansammlung, bei der auch mit Verstößen gegen das Gebot des § 4 Abs. 2 Satz 2 der 3. CoBeLVO, wonach in der Öffentlichkeit, wo immer möglich, ein Mindestabstand von 1,5 m zu anderen Personen einzuhalten sei, zu rechnen sei, könne nicht hingenommen werden.

Soweit der Antragsteller schließlich rüge, die Untersagung der Versammlung sei unverhältnismäßig, da es der Antragsgegner versäumt habe, z.B. per Auflage zusätzlich das Tragen von Schutzmasken anzuordnen, um das Infektionsrisiko bei der Versammlung auszuschließen, könne dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Zwar schreibe beispielsweise die Stadt Jena inzwischen einen Mund-Nasen-Schutz für den Aufenthalt in bestimmten öffentlichen Bereichen vor. Mit diesen Maßnahmen sei jedoch keinesfalls ein Infektionsausschluss zu erreichen. Denn es sei derzeit nicht möglich, überaus knappe Schutzmasken einer zertifizierten Schutzkategorie zur faktisch erfüllbaren Auflage zu machen.

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.

21. Berliner Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus greift nicht unverhältnismäßig in anwaltliche Berufsfreiheit ein

Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat entschieden, dass die Berliner Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus nicht unverhältnismäßig in anwaltliche Berufsfreiheit eingreift (VG Berlin, Beschl. v. 02.04.2020 – VG 14 L 31.20).

Ein Berliner Rechtsanwalt ist vor dem VG Berlin damit gescheitert, Teile der Berliner Verordnung über erforderlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus vorläufig für rechtswidrig erklären zu lassen. Das VG verwies auf die überragende Bedeutung der Schutzgüter Leben und Gesundheit und die Tatsache, dass die Einschränkungen zeitlich stark befristet sind. Gegen den Beschluss vom 02.04.2020 ist die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg möglich.

Nach einem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg bliebt der Eilantrag des Berliner Rechtsanwalts auch in zweiter Instanz erfolglos (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 08.04.2020 – OVG 11 S 20/20).

Auch der Verfassungsgerichtshof Berlin weist den Eilantrag des Berliner Rechtsanwalts zurück (VerfGH Berlin, Beschl. v. 14.04.2020 – VerfGH 50 A/20).

In den Gründen der Entscheidung heißt es:

Im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens kann bei der aufgrund der Eilbedürftigkeit nur möglichen überschlägigen Prüfung in dem vom Antragsteller vorgegebenen Umfang weder eine offensichtliche Begründetheit noch eine offensichtliche Unbegründetheit festgestellt werden. Daher bedarf es einer Folgenabwägung. Dabei sind die Nachteile, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. Beschluss vom 2. August 2019 – VerfGH 112 A/19 – Rn. 10; st. Rspr.; wie alle nachfolgend zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes abrufbar unter www.gerichtsentscheidun-gen.berlin-brandenburg.de). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, wenn – wie hier – Rechtsvorschriften außer Vollzug gesetzt werden sollen. Der Verfassungsgerichtshof darf von seiner Befugnis, den Vollzug einer Rechtsvorschrift auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen. Der Erlass einer dahin gehenden einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn Aussetzungsgründe besonderen Gewichts diesen als unabweisbar erscheinen lassen (Beschluss vom 27. Mai 2008 – VerfGH 20 A/08 -, Rn. 7; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 25. September 2000 – 1 BvR 1498/00 -, juris Rn. 6).

Bei Anwendung des dargestellten strengen Maßstabes führt die Folgenabwägung zu dem Ergebnis, dass die nachteiligen Folgen, die für die Allgemeinheit im Falle der ganzen oder teilweisen Aussetzung der § 1 Abs. 1, 2, 4 und 6, § 11, § 14, § 22 der Verordnung, soweit sie berufliche und private Tätigkeiten regeln, einträten, schwerer wiegen als die Nachteile, welche die von diesen Regelungen Betroffenen (BVerfG, Beschlüsse vom 7. April 2020 – 1 BvR 755/20 -, juris Rn. 8 m. w. N. und vom 9. April 2020 – 1 BvR 802/20 – Rn. 12) bei der Ablehnung des Eilrechtsschutzantrages zu befürchten hätten.

22. VG Gera lehnt Eilantrag gegen Maskenpflicht in Jena ab

Am 03.04.2020 hat das Verwaltungsgericht (VG) Gera einen Eilantrag gegen die von der Stadt Jena mit Allgemeinverfügung vom 31.03.2020 eingeführte Pflicht zur Tragung einer Schutzmaske abgelehnt (VG Gera, Beschl. v. 03.04.2020 – 3 E 432/20 Ge). Die Maskenpflicht gilt beim Betreten von Ladengeschäften, der Nutzung des Nahverkehrs und ab 10.04.2020 in geschlossenen Räumen, wenn der Mindestabstand von 1,5 m zu weiteren Personen nicht sichergestellt werden kann.

In der Pressemitteilung führt das Gericht aus, dass die Maßnahme noch verhältnismäßig sei, weil nicht das Tragen eines zertifizierten Mund-Nasenschutzes verlangt werde, sondern auch selbstgefertigte Masken, Schals oder Tücher ausreichen. Die Stadt Jena ist jedoch verpflichtet, die Wirksamkeit und Geeignetheit einer Gesichtsmaske zur Eindämmung der Virusinfektion fortlaufend überprüfen zu lassen (Pressemitteilung des VG Gera 5/2020).

23. Weinhändler darf trotz Coronavirus öffnen

Das Verwaltungsgericht (VG) Aachen hat entschieden, dass ein Weinhändler seine Weinhandlung trotz der Coronavirus-Pandemie geöffnet halten darf (VG, Beschl. v. 03.04.2020 – 7 L 259/20). Genussmittel zählten auch dann, wenn sie nicht der Grundversorgung der Menschen dienen, zu den Lebensmitteln, die trotz der Corona-Pandemie verkauft werden dürfen. Der Weinhändler hatte sich gegen eine Schließungsanordnung der Stadt Aachen gewendet. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen hat mit Beschluss vom 3. April 2020 entschieden, dass der Verkauf von Genussmitteln von den in der Corona-Schutzverordnung geregelten Betriebsverboten nicht erfasst wird. Es hat damit dem Eilantrag eines Weinhändlers stattgegeben, der sich gegen eine Schließungsanordnung der Stadt Aachen gewendet hatte. Die Stadt Aachen hatte sich darauf berufen, der Begriff der Lebensmittel, die trotz der Corona-Pandemie weiter verkauft werden dürften, sei einschränkend auszulegen und erfasse nicht Genussmittel, die nicht zu den dringend erforderlichen Lebensmitteln des täglichen Bedarfs zählten.

Dem ist die Kammer nicht gefolgt. Zur Begründung ihrer stattgebenden Entscheidung hat sie ausgeführt, das zuständige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales habe inzwischen klargestellt, dass auch der Betrieb von Einzelhandelsgeschäften für Genussmittel durch die Schutzverordnung gedeckt sei. Der Begriff Lebensmittel sei umfassend zu verstehen und nicht auf die für die Grundversorgung der Bevölkerung notwendigen Lebensmittel beschränkt. Das Ziel, die weitere Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, könne nach der Überzeugung des Ministeriums bei allen Lebensmittelläden durch die Einhaltung strenger Hygieneanforderungen erreicht werden. Die Kammer hat weiter ausgeführt, dass die örtlichen Ordnungsbehörden Schutzmaßnahmen, die über die in der Corona-Schutzverordnung geregelten Maßnahmen hinausgingen, zwar grundsätzlich auf die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes stützen könnten. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hat die Kammer die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Betriebsschließung auf dieser Grundlage jedoch nicht als erfüllt angesehen. Der Weinhändler darf sein Geschäft daher wieder öffnen.

Gegen den Beschluss kann die Antragsgegnerin Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.

24. Erfolgloser Eilantrag gegen Einschränkungen des Besuchsrechts in Pflegewohnheimen

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hält die Einschränkungen des Besuchsrechts in Pflegwohnheimen für rechtmäßig (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 03.04.2020 – OVG 11 S 14/20). Das OVG hat den am 03.04.2020 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Regelung in § 8 Abs. 1 und 2 der SARS-CoV-2 Eindämmungsverordnung als unbegründet zurückgewiesen.

25. Eilantrag gegen die Schließung von Einzelhandelsgeschäften in NRW bleibt erfolglos

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hält die Schließung von Einzelhandelsgeschäften in NRW auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) für wirksam (OVG Münster, Beschl. vom 06.04.2020 – 13 B 398/20.NE). Zur Begründung hat das Gericht unter anderem darauf hingewiesen, die angegriffene Regelung sei voraussichtlich rechtmäßig, denn sie habe im Infektionsschutzgesetz des Bundes eine hinreichende gesetzliche Grundlage.

26. Eilantrag gegen die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung bleibt erfolglos

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) hat zur Frage der Wirksamkeit der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung entschieden (Sächsisches OVG, Beschl. v. 07.04.2020 – 3 B 111/20). In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag gegen die Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung – Sächs-CoronaSchVO) vom 31. März 2020 abgelehnt. Der Antragsteller wandte sich einerseits gegen § 2 Abs. 2 Nr. 14 Sächs-CoronaSchVO, wonach Sport und Bewegung im Freien nur vorrangig im Umfeld des Wohnbereichs und nur im Ausnahmefall mit einer weiteren nicht im Hausstand leben-den Person möglich sind. Es sei unklar, was mit vorrangig im Umfeld des Wohnbereichs und mit im Ausnahmefall gemeint sei, so dass er nicht wisse, was er dürfe und was er nicht dürfe. Zum anderen machte der Antragsteller geltend die Fortbewegung mit Kraftfahrzeugen müsse entgegen § 2 Abs. 2 SächsCoronaSchVO auch ohne triftigen Grund möglich sein und das Verbot nach § 2 Abs. 1 SächsCoronaSchVO dürfe nicht mehr gelten, wenn jemand bereits immun gegen das Coronavirus sei, weil in beiden Fällen keine Ansteckungsgefahr bestehe. Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Trotz der weitreichenden Einschränkung der Freiheitsrechte der Menschen ist dieser massive Eingriff zur Erreichung des legitimen Ziels, weitere Infektionsfälle zu verhindern und eine möglichst umfassende medizinische Versorgung an COVID-19 erkrankter Personen zu gewährleisten, geeignet und wegen ihrer zeitlichen Begrenzung auf wenige Wochen bis zum 20. April 2020 auch verhältnismäßig. Denn bereits immunisierte Personen sind derzeit nur mit unverhältnismäßigem Aufwand sicher zu identifizieren und die begehrte Freigabe des Kfz-Verkehrs könnte bei den mit dem Verkehr typischerweise einhergehenden Sozialkontakten zu einer unübersehbaren Weiterverbreitung des Coronavirus führen. Auch § 2 Abs. 2 Nr. 14 SächsCoronaSchVO ist bestimmt genug gefasst. Der Vorschrift kann hinreichend sicher entnommen werden, dass vorrangig im Umfeld des Wohnbereichs meint, dass Aktivitäten jedenfalls dann unzulässig sind, wenn Ausflüge in die nähere oder weitere Umgebung der politischen Gemeinde geplant sind und wenn der Zielort der Aktivität typischerweise nur unter Zuhilfenahme eines Kraftfahrzeugs oder des überörtlichen öffentlichen Personenverkehrs (Zug, S-Bahn) erreicht werden könnte. Die Benutzung von entsprechenden Fortbewegungsmitteln innerhalb der Grenzen der politischen Gemeinde wird hingegen genauso gebilligt werden können, wie deren Überschreitung, wenn die Aktivität in einem räumlichen Bereich ausgeübt wird, der typischerweise ohne entsprechende Hilfsmittel – also etwa zu Fuß oder mit dem Fahrrad – erreicht werden kann, also in einem Bereich von etwa 10 bis 15 Kilometern von der Wohnung entfernt. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser Bereich auch tatsächlich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Pkw bzw. dem öffentlichen Nahverkehr erschlossen wird. Die Regelung, dass Sport und Bewegung im Freien nur im Ausnahmefall mit einer weiteren nicht im Hausstand lebenden Person möglich sind, ermöglicht nach Sinn und Zweck hingegen nicht nur die Begleitung einer Person, die aufgrund körperlicher oder sonstiger Gebrechen oder Behinderungen nicht in der Lage ist, Sport und Bewegung im Freien alleine durch-zuführen, sondern auch die Begleitung solcher Personen, die (etwa weil sie alleinstehend sind oder allein leben) ein nachvollziehbares Bedürfnis geltend machen können, zur Vermeidung einer mit dem Kontaktverbot einher-gehenden sozialen Isolierung oder aus Gründen der psychischen Gesundheit mit einer anderen Person des Vertrauens zusammenzutreffen. Dies gilt jedoch jeweils nur, solange die Aktivitäten unter Beachtung des Mindestabstands von 1,5 Metern ausgeübt werden. Die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.

27. Der während der Corona-Pandemie erlaubte Lebensmittelhandel ist nicht auf die Grundversorgung beschränkt

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Weimar hat entschieden, dass der während der Corona-Pandemie erlaubte Lebensmittelhandel nicht auf die Grundversorgung beschränkt sei (OVG Weimar, Beschl. v. 07.04.2020 – 3 EO 236/20). Das Gericht ist der Auffassung, dass die Stadt Suhl einem Ladenbesitzer, der sein Ladengeschäft trotz der zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus erlassenen Allgemeinverfügung der Stadt nicht geschlossen hatte, kein Zwangsgeld androhen durfte. Der Antragsteller bot nach eigenen Angaben neben einem Sortiment alkoholischer Getränke u.a. Schokoladenprodukte, Kaffee, Tee, Kakao, Gebäck und verschiedene Feinkostartikel an. Der Begriff des Lebensmittelhandels ist nach Einschätzung des OVG nicht auf die Versorgung mit Lebensmitteln des Grundbedarfs begrenzt.

28. Verbot der Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen und Synagogen rechtmäßig

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel hat das vorübergehende Verbot von Zusammenkünften in Kirchen, Moscheen und Synagogen während der Corona-Pandemie nicht außer Vollzug gesetzt (VGH Kassel, Beschl. v. 07.04.2020 – 8 B 892/20.N). Der Eilantrag eines gläubigen Katholiken wurde damit abgelehnt.

Im Ergebnis ebenso hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden (VG Berlin, Beschl. v. 07.04.2020 – VG 14 L 32/20). Das mit der Berliner Coronavirus-Eindämmungsverordnung ausgesprochene Verbot von Gottesdiensten ist demnach rechtlich nicht zu beanstanden.

Zudem hat der VGH Mannheim einen Eilantrag gegen das Verbot von Veranstaltungen in Kirchen als unzulässig verworfen (VGH Mannheim, Beschl. v. 07.04.2020 – 1 S 871/20). Der Antragsteller hatte den Antrag selbst gestellt; für diesen Fall besteht jedoch Anwaltszwang.

Siehe auch VGH München, Beschl. v. 09.04.2020 – 20 NE 20.704: Das Gericht lehnte mit den beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Außervollzugsetzung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 27.03.2020 ab. Es bestehe derzeit im Erzbistum München und Freising unabhängig von der Verordnung des Landes keine Möglichkeit, Gottesdienste zu besuchen, denn das Bistum habe von sich aus alle öffentlichen Gottesdienste bis zum 19.04.2020 abgesagt.

29. Eilanträge im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie bleiben vor dem Bundesverfassungsgericht erfolglos

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beschäftigt sich erneut mit der COVID-19-Pandemie (Coronavirus-Krise) und geht in der nachfolgend abgedruckten Pressemitteilung der Gerichts auch noch einmal auf die bislang ebenfalls erfolglos gebliebenen, weiteren Eilanträge gegen behördliche bzw. staatliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ein.

In der Pressemitteilung Nr. 23/2020 v. 08.04.2020 heißt es zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2020 (BVerfG, Beschl. v. 07.04.2020 – 1 BvR 755/20):

I. Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats einen Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung der bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen und über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie abgelehnt. Der Antragsteller hielt die Verbote, Freunde zu treffen, seine Eltern zu besuchen, zu demonstrieren oder neue Menschen kennenzulernen, für zu weitgehend. Der Antrag war zwar nicht wegen des Grundsatzes der Subsidiarität unzulässig, da die vorherige Anrufung der Fachgerichte derzeit offensichtlich aussichtslos ist, denn diese haben bereits in anderen Verfahren den Erlass einstweiliger Anordnungen abgelehnt. Er war aber unbegründet. Die Kammer hatte im Rahmen einer Folgenabwägung aufgrund summarischer Prüfung zu entscheiden, wobei die Auswirkungen auf alle von den angegriffenen Regelungen Betroffenen zu berücksichtigen waren. Danach sind die Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung ergeben, wenn sich die angegriffenen Maßnahmen im Nachhinein als verfassungswidrig erwiesen, zwar von besonderem Gewicht. Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die entstehen würden, wenn die Maßnahmen außer Kraft träten, sich aber später doch als verfassungsgemäß erweisen würden. Die Gefahren für Leib und Leben wiegen hier schwerer als die Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Zwar beschränken die angegriffenen Maßnahmen die Grundrechte der Menschen, die sich in Bayern aufhalten, erheblich. Sie schreiben vor, den unmittelbaren körperlichen Kontakt und weithin auch die reale Begegnung einzuschränken oder ganz zu unterlassen, sie untersagen Einrichtungen, an denen sich Menschen treffen, den Betrieb, und sie verbieten es, die eigene Wohnung ohne bestimmte Gründe zu verlassen. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde Erfolg, wären all diese Einschränkungen mit ihren erheblichen und voraussichtlich teilweise auch unumkehrbaren sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht verfügt und etwaige Verstöße gegen sie auch zu Unrecht geahndet worden.

Erginge demgegenüber die einstweilige Anordnung und hätte die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg, würden sich voraussichtlich sehr viele Menschen so verhalten, wie es mit den angegriffenen Regelungen unterbunden werden soll, obwohl die Verhaltensbeschränkungen mit der Verfassung vereinbar wären. So würden dann Einrichtungen, deren wirtschaftliche Existenz durch die Schließungen beeinträchtigt wird, wieder öffnen, Menschen ihre Wohnung häufig verlassen und auch der unmittelbare Kontakt zwischen Menschen häufig stattfinden. Damit würde sich aber auch die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen nach derzeitigen Erkenntnissen erheblich erhöhen.

Eine geltende Regelung kann im Eilrechtsschutz nur ausnahmsweise außer Vollzug gesetzt werden; dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Nach diesem erscheinen die Folgen der angegriffenen Schutzmaßnahmen zwar schwerwiegend, aber nicht im geforderten Maß unzumutbar. Es erscheint nicht untragbar, sie vorübergehend zurückzustellen, um einen möglichst weitgehenden Schutz von Gesundheit und Leben zu ermöglichen, zu dem der Staat grundsätzlich auch nach der Verfassung verpflichtet ist. Gegenüber den Gefahren für Leib und Leben wiegen die Einschränkungen der persönlichen Freiheit weniger schwer. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Regelungen befristet sind, bezüglich der Ausgangsbeschränkungen viele Ausnahmen vorsehen und bei der Ahndung von Verstößen im Einzelfall im Rahmen des Ermessens individuellen Belangen von besonderem Gewicht Rechnung zu tragen ist.

II. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht bereits mehrere Entscheidungen zu Sachverhalten veröffentlicht, die Bezüge zur COVID-19-Pandemie aufweisen. So hat die 2. Kammer des Zweiten Senats einstweilige Anordnungen betreffend die Aufhebung mehrerer Hauptverhandlungstermine wegen der behaupteten Gefahr einer Corona-Infektion abgelehnt, weil dem Grundsatz der Subsidiarität nicht Genüge getan war beziehungsweise die Antragsschrift nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen genügte (Az. 2 BvR 474/20, 2 BvR 483/20 und 2 BvR 571/20 ) Die 1. Kammer des Ersten Senats hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ein infektionsschutzrechtliches Versammlungsverbot als unzulässig abgelehnt, weil die Beschwerdeführer die Möglichkeit fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes nicht in Anspruch genommen hatten (1 BvR 661/20), und einen weiteren derartigen Antrag abgelehnt, weil das Rechtsschutzbedürfnis nicht hinreichend begründet war (1 BvR 742/20). Zudem hat die Kammer eine Verfassungsbeschwerde gegen die Berliner Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus nicht zur Entscheidung angenommen, da diese den Anforderungen des Subsidiaritätsgrundsatzes nicht genügte (1 BvR 712/20). Schließlich hat die 3. Kammer des Ersten Senats eine Verfassungsbeschwerde gegen die Begrenzung der Kündigungsmöglichkeiten durch Vermieter im Rahmen der Neuregelungen zur COVID-19-Pandemie nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht genügte (1 BvR 714/20).

30. Kein Hähnchen-Verkauf aus mobilem Verkaufsstand während Corona-Pandemie

In Schleswig-Holstein darf angesichts der Corona-Pandemie bis auf Weiteres kein Grillgut aus mobilen Verkaufsständen heraus verkauft werden. Das bestätigt das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig (VG Schleswig, Beschl. v. 08.04.2020 – 1 B 28/20).

31. Erfolgloser Eilantrag gegen Corona-Verordnungen des Landes Hessen

Die infektionsschutzrechtlichen Regelungen des Landes Hessen durch zwei Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus werden nicht außer Vollzug gesetzt; der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) erkennt zwar einen gravierenden Grundrechtseingriff, erachtet diesen aber in der gegenwärtigen Lage als verhältnismäßig (Hessischer VGH, Beschl. v. 08.04.2020 – 8 B 910/20.N).

32. Bank muss pandemiebedingter Kontoüberziehung Rechnung tragen und muss dem Bankkunden eine verlängerte Frist zur Rückführung der Überziehung gewähren

Das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M. hat im Rahmen eines Eilverfahrens entschieden, dass eine Bank der pandemiebedingten Kontoüberziehung Rechnung tragen und eine verlängerte Frist zur Rückführung der Überziehung gewähren muss (AG Frankfurt a. M., Beschl. v. 08.04.2020 – 32 C 1631/20 (89)).

Bezieht ein Arbeitnehmer wegen der Coronavirus-Pandemie (COVID-19) nur noch Kurzarbeiterlohn und kann er aus diesem Grund eine in Anspruch genommene Kontoüberziehung nicht sofort ausgleichen, muss ihm die Bank eine verlängerte Frist zur Rückzahlung des Darlehens einräumen.

Nach Auffassung des AG ist das vor Kurzem in Kraft getretene Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie auch im Zivilrecht zu beachten. Danach werden aus vor dem 15.03.2020 abgeschlossenen Darlehensverträgen mit Verbrauchern Ansprüche des Darlehensgebers auf Rückzahlung, Zinsen und Tilgung, die zwischen dem 01.04.2020 und dem 30.06.2020 fällig werden, für die Dauer von drei Monaten gestundet. Voraussetzung für die Stundung sei aber, dass der Verbraucher aufgrund der durch die Pandemie hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle habe und ihm deshalb die Erbringung seiner Leistung nicht zumutbar sei. Der Antragsteller habe zum Nachweis dafür Unterlagen vorgelegt, weshalb das Amtsgericht die Voraussetzungen als glaubhaft gemacht angesehen habe. Die vor Erlass der Entscheidung schriftlich angehörte Bank habe sich binnen einer ihr gesetzten Stellungnahmefrist nicht geäußert.

33. Keine vorläufige “NRW-Soforthilfe 2020” ohne glaubhaft gemachte Existenzgefährdung

Das Verwaltungsgericht Köln hat entschieden (VG Köln, Beschl. v. 08.04.2020 – 16 L 679/20, Pressemitteilung des Gerichts v. 09.04.2020): Im gerichtlichen Eilverfahren kann eine “NRW-Soforthilfe 2020” nicht vorläufig gewährt werden, wenn der Antragsteller nach der Corona-Schutz-Verordnung weiterhin seiner Tätigkeit nachgehen kann und eine Existenzgefährdung durch die Corona-Krise nicht glaubhaft gemacht wurde. Der Antragsteller beantragte am 28.03.2020 bei der Bezirksregierung Köln mittels eines Online-Antrags die Gewährung von NRW-Soforthilfe 2020 i.H.v. 9.000,00 EUR. Diesen Antrag lehnte die Bezirksregierung Köln im Online-Verfahren ab, weil die Voraussetzungen nicht vorlägen. Der Antragsteller wandte sich daraufhin mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht und begehrte die vorläufige Auszahlung der Soforthilfe bis zur Entscheidung über seine Klage. Er versicherte an Eides statt, er sei Elektrohandwerker und sei in seiner wirtschaftlichen Existenz durch die Corona-Krise bedroht. Die Hälfte seiner Aufträge sei weggefallen. Das Gericht lehnt den Antrag ab.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts stellt eine vorläufige Gewährung der Soforthilfe eine Vorwegnahme der Hauptsache, also bereits eine endgültige Entscheidung des Verfahrens, dar. Denn wenn ihm die Hilfe gewährt werde, stehe sie einem anderen potentiellen Anspruchsinhaber nicht mehr zur Verfügung. Eine solche Entscheidung sei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Insbesondere müsse der drohende Nachteil, der durch eine erst nachträgliche Gewährung der Soforthilfe entstünde, glaubhaft gemacht werden. Hierfür reiche allein die Behauptung, die wirtschaftliche Existenz sei gefährdet, nicht aus. Denn nach § 7 der Corona-Schutz-Verordnung sei einem Elektrohandwerker – anders als vielen anderen Handwerkern – der weitere Betrieb des Unternehmens unter Beachtung der Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen möglich. Daher müsse der Antragsteller plausibel machen, wieso ihm trotzdem aufgrund der Corona-Krise eine Existenzgefährdung drohe. Auch wenn es im behördlichen Verfahren ausreiche, das Vorliegen der Voraussetzungen ohne Vorlage von Belegen zu bestätigen, so gelte im gerichtlichen Verfahren weiterhin der Maßstab der Glaubhaftmachung.

34. Eilantrag eines Fitnessstudios gegen Corona-Verordnung bleibt erfolglos!

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim hat entschieden (VGH Mannheim, Beschl. v. 09.04.2020 – 1 S 925/20, Pressemitteilung):

Das in Baden-Württemberg ansässige Fitnessstudio (Antragstellerin) hat in seinem am 27. März eingegangenen Antrag geltend gemacht, die von der Landesregierung herangezogene Ermächtigungsgrundlage in §§ 32, 28 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sei keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Betriebsstilllegung. Diese verletze es in seiner Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.

Der 1. Senat des VGH hat den Antrag abgelehnt. Zur Begründung führt er aus:

Präventive Wirkungen der Bekämpfungsmaßnahmen zulässig

Die Argumentation der Antragstellerin, die Schließung von Betrieben und Verkaufsstellen könne als präventive Maßnahme nur auf Ermächtigungsgrundlagen aus dem 4. Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes, insbesondere § 16 IfSG gestützt werden, treffe voraussichtlich nicht zu. Wenn eine übertragbare Krankheit festgestellt sei, könnten nach § 28 Abs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit getroffen werden. Mit solchen repressiven Bekämpfungsmaßnahmen gingen zulässigerweise auch stets präventive Wirkungen einher, solche präventiven Folgen seien gerade bezweckt. Dabei ermächtige § 28 Abs.1 IfSG auch zu Maßnahmen gegenüber sog. Nichtstörern. Für die Rechtmäßigkeit der Schließung von Einrichtungen durch eine Rechtsverordnung sei daher unerheblich, ob gerade in diesen die Krankheit festgestellt worden sei.

Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen im Infektionsschutzgesetz offen

Offen sei, ob § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die landesweite Schließung bestimmter Arten von privat betriebenen Dienstleistungsbetrieben und Verkaufsstellen durch eine Rechtsverordnung sei. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichteten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Der Schutz der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erlaube Eingriffe nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lasse. Insoweit müsse der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen, soweit sie gesetzlicher Regelung zugänglich seien.

Dafür, dass die Vorschriften der § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG die Voraussetzungen, den Umfang und die Grenzen dieses Eingriffs noch ausreichend erkennen ließen, könne die Auslegung dieser Vorschriften nach allgemeinen Regeln sprechen. Der Gesetzgeber habe sich mit § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ganz bewusst für eine generelle Ermächtigung entschieden, um für alle Fälle gewappnet zu sein, da die Fülle der notwendigen Schutzmaßnahmen sich von vornherein nicht übersehen lasse. Gerade die Vielfältigkeit von Infektionsgeschehen durch ganz unterschiedliche Krankheitserreger könne dafür sprechen, dass eine genauere Bestimmung der insoweit zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten geeigneten und notwendigen Maßnahmen durch den Gesetzgeber kaum oder gar nicht möglich sei. Zudem könnten nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG Veranstaltungen und sonstige Ansammlungen beschränkt oder verboten werden. Von dieser Befugnis seien auch Ansammlungen von Menschen in jeder Art von geschlossenen Räumen, also auch in Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetrieben aller Art umfasst. Dies könnte dafür sprechen, dass deren Schließung von der Ermächtigung in § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG, alle notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen und Ansammlungen zu verbieten, gedeckt sei. Denn bloße Kontaktbeschränkungen in solchen offen gehaltenen Einrichtungen wären kaum zu kontrollieren und deutlich weniger wirksam.

Die Schließung einer Vielzahl von Verkaufsstellen und Dienstleistungsbetrieben durch eine Rechtsverordnung sei jedoch von einer sehr beträchtlichen Eingriffstiefe. Die Intensität des damit verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit sei für jeden einzelnen betroffenen Betrieb ausgesprochen hoch. Denn der Eingriff führe für sie für mehrere Wochen zu einem weitgehenden oder vollständigen Wegfall jeglichen Umsatzes. Den Betroffenen sei es zudem praktisch unmöglich, den Wirkungen dieses Eingriffs auszuweichen. Diese sehr gravierenden Auswirkungen könnten dafür sprechen, dass die Vorschriften der § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG wegen Verstoßes gegen den Parlamentsvorbehalt nicht verfassungsgemäß seien. Denn die in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG enthaltene Befugnis zum Erlass der notwendigen Schutzmaßnahmen sei nur begrenzt durch das Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit und durch den Halbsatz soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Die ausdrücklich geregelten Befugnisse bestünden nur in der Beschränkung oder dem Verbot von Veranstaltungen und Ansammlungen, der Schließung von Badeanstalten und Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten und der Verpflichtung, bestimmte Orte nicht zu verlassen oder nicht zu betreten.

Beschränkungen verhältnismäßig

Von dieser offenen, im Hauptsacheverfahren zu klärenden Frage abgesehen, sei die durch die Corona-Verordnung angeordnete Schließung von Betrieben und Verkaufsstellen zumutbar. Zwar würden die davon Betroffenen gravierende wirtschaftliche Einbußen erleiden. Demgegenüber stünden jedoch die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands. Daher seien die angeordneten Schließungen verhältnismäßig, zumal die Landesregierung die Notwendigkeit der Maßnahmen und deren Auswirkungen fortlaufend überprüfe.

Corona-Verordnung bleibt anwendbar

Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache seien daher im Hinblick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen im Infektionsschutzgesetz offen. Eine einstweilige Anordnung, die Corona-Verordnung vorläufig außer Kraft zu setzen, könne nicht ergehen. Eine solche Anordnung setze ein deutliches Überwiegen der von der Antragstellerin geltend gemachten Belange gegenüber den von dem Antragsgegner vorgetragenen gegenläufigen Interessen voraus. Daran fehle es wegen der hohen Bedeutung des Schutzes von Leib und Leben.

Der Beschluss vom 9. April 2020 ist unanfechtbar (Az. 1 S 925/20).

35. Verordnung der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern vorläufig außer Vollzug gesetzt

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Mecklenburg-Vorpommern hat § 4a der Verordnung der Landesregierung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Mecklenburg-Vorpommern (SARS-CoV-2 Bekämpfungsverordnung) in der Fassung vom 8. April 2020 vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 09.04.2020 – 2 KM 268/20 OVG und 2 KM 281/20 OVG). In der Pressemitteilung 2/2020 heißt es dazu:

Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit zwei Beschlüssen vom heutigen Tag in gerichtlichen Eilverfahren (Az. 2 KM 268/20 OVG und 2 KM 281/20 OVG) § 4a der Verordnung der Landesregierung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Mecklenburg-Vorpommern (SARS-CoV-2 Bekämpfungsverordnung) in der Fassung vom 8. April 2020 vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt.

Mit § 4a der Verordnung war für den Zeitraum der Osterfeiertage den Einwohnern Mecklenburg-Vorpommerns untersagt worden tagestouristische Ausflüge zu den Ostseeinseln und in die Gemeinden, die unmittelbar an die Ostseeküste angrenzen, sowie in die Stadt Waren an der Müritz und in mehrere Ämter der mecklenburgischen Seenplatte zu unternehmen.

Aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Verfahren hat der Senat zunächst nur sogenannte Tenorbeschlüsse gefasst, die nur die Entscheidung selbst enthalten. Die schriftlichen Entscheidungsgründe zu den beiden Beschlüssen liegen zurzeit noch nicht vor. Sie sollen im Laufe des Tages noch hinzugefügt werden.

36. Trotz Corona-Pandemie keine Ausnahme vom Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit für private Paketzusteller

Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin, hat entschieden, dass es trotz Corona-Pandemie keine Ausnahme vom Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit für private Paketzusteller gibt (VG Berlin, Beschl. v. 09.04.2020 – 4 L 132/20 ). Das infolge der Coronavirus-Krise erhöhte Paketaufkommen rechtfertigt für Paketzusteller demnach keine Ausnahme vom gesetzlichen Verbot, Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen zu beschäftigen.

37. Eilanträge gegen Reiseverbote der SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung des Landes Schleswig-Holstein bleiben erfolglos

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig hat die Eilanträge gegen das im Rahmen der landesrechtlichen SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung erlassene Verbot, aus touristischem Anlass oder zu Freizeitzwecken Reisen nach Schleswig-Holstein zu unternehmen, zurückgewiesen (OVG Schleswig, Beschl. v. 09.04.2020 – 3 MR 2/20; 3 MR 4/20). Die Regelung stellt nach Einschätzung des Gerichts  eine voraussichtlich rechtmäßige Infektionsschutzmaßnahme dar.

38. Gottesdienstverbot der hessischen Landesregierung bleibt unbeanstandet

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass ein Gottesdienstverbot als überaus schwerwiegender Eingriff in die Glaubensfreiheit einer fortlaufenden strengen Prüfung seiner Verhältnismäßigkeit anhand der jeweils aktuellen Erkenntnisse bedürfe und gleichwohl das aktuell bestehende Gottesdienstverbot in Hessen im Ergebnis unbeanstandet gelassen (BVerfG, Beschl. v. 10.04.2020 – 1 BvQ 28/20). In der Pressemitteilung Nr. 243/2020 v. 10.04.2020 heißt es:

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heutigem Beschluss einen Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung einer Regelung der Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus der hessischen Landesregierung (im Folgenden: Corona-Verordnung), die unter anderem ein Verbot von Zusammenkünften in Kirchen enthält, auf der Grundlage einer Folgenabwägung abgelehnt.

Der Antragsteller ist katholischen Glaubens und besucht regelmäßig die Heilige Messe. Er hat unter Bezugnahme auf Aussagen des II. Vatikanischen Konzils (Dogmatische Konstitution über die Kirche, Nr. 11) und des Katechismus der Katholischen Kirche (Nr. 1324 bis 1327) nachvollziehbar dargelegt, dass die gemeinsame Feier der Eucharistie nach katholischer Überzeugung ein zentraler Bestandteil des Glaubens ist, deren Fehlen nicht durch – nach wie vor zulässige – alternative Formen der Glaubensbetätigung wie die Übertragung von Gottesdiensten im Internet oder das individuelle Gebet kompensiert werden kann. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer das Verbot von Zusammenkünften in Kirchen nach der Corona-Verordnung des Landes Hessen als überaus schwerwiegenden Eingriff in die Glaubensfreiheit gewertet. Das gilt nach den plausiblen Angaben des Antragstellers verstärkt, soweit sich das Verbot auch auf Eucharistiefeiern während der Osterfeiertage als dem Höhepunkt des religiösen Lebens der Christen erstreckt. Damit sind die Nachteile für den Fall, dass die begehrte einstweilige Anordnung nicht ergeht, eine Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, überaus schwerwiegend und nach dem Glaubensverständnis des Antragstellers auch irreversibel.

Bei einer antragsgemäßen vorläufigen Außervollzugsetzung des Verbots von Zusammenkünften in Kirchen versammelten sich demgegenüber voraussichtlich sehr viele Menschen in Kirchen, gerade auch über die Osterfeiertage. Damit würde sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtung bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen nach der maßgeblichen Risikoeinschätzung des Robert-Koch-Instituts vom 26. März 2020 erheblich erhöhen, obwohl dies im Falle der Erfolglosigkeit einer Verfassungsbeschwerde durch ein Gottesdienstverbot in verfasssungsrechtlich zulässiger Weise hätte vermieden werden können. Diese Gefahren blieben dann auch nicht auf jene Personen beschränkt, die freiwillig an den Gottesdiensten teilgenommen haben, sondern erstreckten sich auf einen erheblich größeren Personenkreis.

Nach Auffassung der Kammer hat der Schutz vor diesen Gefahren für Leib und Leben derzeit trotz des damit verbundenen überaus schwerwiegenden Eingriffs in die Glaubensfreiheit Vorrang vor dem Schutz dieses Grundrechts. Nach der Bewertung des Robert-Koch-Instituts kommt es in dieser frühen Phase der Corona-Pandemie darauf an, die Ausbreitung der hoch infektiösen Viruserkrankung durch eine möglichst weitgehende Verhinderung von Kontakten zu verlangsamen, um ein Kollabieren des staatlichen Gesundheitssystems mit zahlreichen Todesfällen zu vermeiden. Die Kammer stellt klar, dass für die Folgenabwägung auch die Befristung der Corona-Verordnung bis zum 19. April 2020 von Bedeutung ist. Damit ist sichergestellt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden muss. Bei jeder Fortschreibung der Verordnung muss mit Blick auf den mit einem Gottesdienstverbot verbundenen überaus schwerwiegenden Eingriff in die Glaubensfreiheit eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfolgen und untersucht werden, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Corona-Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, das Verbot von Gottesdiensten unter – gegebenenfalls strengen – Auflagen und möglicherweise auch regional begrenzt zu lockern.

Die Kammer weist abschließend darauf hin, dass Gleiches auch für andere Religionsgemeinschaften gilt, die durch das Verbot von Zusammenkünften vergleichbar schwerwiegend betroffen sind, weil für sie die gemeinsame Zusammenkunft ihrer Gläubigen ebenfalls zentraler Bestandteil ihres Glaubens ist.

39. Demonstrationen unter Auflagen gestattet

Das Verwaltungsgericht (VG) Schwerin hat unter Auflagen zwei Demonstrationen gestattet, die der Oberbürgermeister der Stadt unter Hinweis auf die Corona-Verfügungen untersagt hatte (VG Schwerin, Beschl. v. 11.04.2020 – 15 B 487/20 SN und 15 486/20 SN).

In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

Die 15. Kammer des Verwaltungsgerichts Schwerin hat am heutigen Sonnabend im Wege zweier Eilentscheidungen die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen gegen versammlungsrechtliche Verbote des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Schwerin unter mehreren Auflagen wiederhergestellt. In dem einen Fall (Az. 15 B 487/20 SN) ging es um die für Ostermontag als Demonstrationszug in Schwerin angemeldete Versammlung 71 Jahre Grundgesetz –60 Jahre Ostermarsch –2 Monate Corona, für die die Stadt ein umfassendes Versammlungsverbot verhängt hatte. Der zuständige Richter hat dem dagegen gerichteten Eilantrag des Veranstalters unter näher bezeichneten Auflagen entsprochen. Danach hat die Versammlung unterer anderem zwingend stationär (und nicht als Zug) zu erfolgen, ist die Teilnehmerzahl begrenzt und hat der Versammlungsleiter Namen und Anschrift der Teilnehmenden schriftlich zu erfassen; zwischen den Teilnehmenden sind zwei Meter sowie zu Passanten zehn Meter Abstand einzuhalten. In dem anderen Fall (Az. 15 486/20 SN) ging es um die für kommenden Dienstag von einer Flüchtlingsinitiative geplante Übergabe der Petition Schutz vor Corona: Recht auf Abstand für Flüchtlinge in MV an das Landesinnenministerium. Auch hier hat das Gericht die von Anfang an als stationäre Veranstaltung geplante Versammlung unter mehreren Auflagen gestattet. Unter anderem dürfen maximal 20 Personen, deren Namen und Anschriften zu erfassen sind, teilnehmen, diese müssen Mund- und Nasenschutz tragen und einen Abstand von zwei Metern untereinander und zehn Metern zu Passanten einhalten.

Den Entscheidungenlag jeweils eine Abwägung zwischen dem für eine funktionierende Demokratie wesentlichen Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und dem ebenso wichtigen Rechtsgut des Schutzes von Leib und Leben der Bevölkerung zu Grunde. Vor diesem Hintergrund hat sich der zuständige Richter nicht davon überzeugen können, dass der Gesundheitsschutz nur über das vom Antragsgegner verhängte vollständige Versammlungsverbot gewährleistet werden könne. Auch die SARS-CoV-2-Verordnung vom 3. April 2020 in der Fassung vom 8. April 2020 sehe in ihrem § 6 Abs. 4 die Möglichkeit der Genehmigung von Versammlungen unter freiem Himmel vor. Die Beschlüsse sind noch nicht rechtskräftig. Gegen sie kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in Greifswald eingelegt werden.

40. Nutzung einer Gaststätte als Verkaufsraum für Einzelhandelswaren bedarf einer Genehmigung

Die Nutzung einer Gaststätte als Verkaufsraum für Einzelhandelswaren wegen der Coronavirus-Pandemie erfordert eine baurechtliche Genehmigung (VG Köln, Beschl. v. 14.04.2020 – 2 L 688/20). In der Pressemitteilung heißt es:

Die Umnutzung einer Gaststätte als Verkaufsraum für typische Einzelhandelswaren bedarf einer baurechtlichen Genehmigung. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln per Beschluss entschieden und damit einen Eilantrag eines Gastwirts aus Bergisch Gladbach abgelehnt, der mit dem Warenverkauf auf Einnahmeausfälle infolge der Corona-Schutzmaßnahmen reagieren wollte.

Der Antragsteller ist Inhaber einer genehmigten Gaststätte, die aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen derzeit jedoch geschlossen ist. Da er um seine wirtschaftliche Existenz fürchtet, beabsichtigte er, sein Geschäftsmodell zu ändern und nunmehr Einzelhandelswaren wie Toilettenpapier, Küchenrollen, Obst und Gemüse, Getränke sowie Gutscheine für Online-Shops zu verkaufen. Dies teilte er der Stadt Bergisch Gladbach mit und fügte hinzu, er gehe davon aus, dass seinem Vorhaben keine rechtlichen Bedenken entgegenstünden. Er werde daher mit dem Verkauf in Kürze beginnen, wenn er von der Stadt nichts Abweichendes höre. Die Stadt antwortete per E-Mail, die beabsichtigte Nutzung als Verkaufsstätte sei unzulässig.

Daraufhin hat der Gastwirt einen Eilantrag beim Gericht gestellt. Er wollte feststellen lassen, dass er für den Warenverkauf keine Baugenehmigung brauche, da es sich um keine wesentliche Nutzungsänderung handele und die beabsichtigte Verkaufstätigkeit baurechtlich genehmigungsfrei sei.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Die vom Antragsteller angestrebte Änderung der Nutzung bedürfe einer baurechtlichen Genehmigung. Denn für die Nutzung einer baulichen Anlage als Gaststätte würden beispielsweise hinsichtlich des Stellplatzbedarfs andere bauordnungsrechtliche Anforderungen gelten als für eine Nutzung als Ladengeschäft. Es komme entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht darauf an, ob die Art der beabsichtigten neuen Nutzung eine höhere Intensität als die bestehende Nutzung aufweise. Die Bauordnung gehe ausdrücklich vom Vorliegen einer genehmigungsbedürftigen Nutzungsänderung aus, wenn Anforderungen gegeben sind, die im Baugenehmigungsverfahren Prüfungsgegenstand sein können. Dies sei hier etwa im Hinblick auf die Vorgaben zu Stellplätzen der Fall.

Die Beteiligten können gegen den Beschluss Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde.

41. Beschwerde wegen Durchführung von Versammlung in Stuttgart erfolglos

Der Verwaltungsgerichtshof (VG) Mannheim hat die Beschwerde eines Antragstellers, der sich gegen das Verbot von Versammlungen in Stuttgart gewendet hatte, zurückgewiesen (VG, Beschl. v. 15.04.2020 – 1 S 1078/20). In der Pressemitteilung heißt es:

Kurzbeschreibung: Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit Beschluss von heute eine Beschwerde betreffend die Durchführung von zwei Versammlungen in Stuttgart zurückgewiesen.

Der Antragsteller möchte am 15. und am 18. April 2020 jeweils um 15:30 Uhr Versammlungen in Stuttgart durchführen zu dem Thema Wir bestehen auf die ersten 20 Artikel unserer Verfassung. Wir bestehen auf Beendigung des Notstandsregimes. Die Stadt Stuttgart (Antragsgegnerin) teilte dem Antragsteller sinngemäß mit, die Versammlungen seien nach § 3 der Corona-Verordnung der Landesregierung untersagt, und erteilte ihm keine Ausnahmegenehmigung. Den dagegen gerichteten Eilrechtsantrag hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 14.04.2020 – 16 K 1905/20 – abgelehnt.

Der 1. Senat des VGH hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung führt er u. a. aus:

Die Versammlungen fielen in den Anwendungsbereich von § 3 Abs. 1 der Corona-Verordnung. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 6 der Corona-Verordnung vor, wonach die zuständigen Behörden aus wichtigem Grund Ausnahmen von dem Verbot aus § 3 Abs. 1 der Verordnung zulassen könnten. Bei verfassungskonformer Auslegung sei die Absicht des Antragstellers, seine grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit wahrzunehmen, als wichtiger Grund anzusehen.

Er habe jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass das der Antragsgegnerin eröffnete Ermessen dahingehend reduziert sei, dass sie verpflichtet sei, eine Ausnahme zuzulassen.

Insbesondere sei die Versagung einer Ausnahmegenehmigung nicht unverhältnismäßig. Die Antragsgegnerin bezwecke den Schutz von Leib und Leben von Menschen, mithin überragend wichtiger Rechtsgüter. Die Versagung der Ausnahmegenehmigung sei geeignet und erforderlich, diesen Zweck zu erreichen. Sie sei jedenfalls derzeit auch noch verhältnismäßig im engeren Sinne (angemessen). Der Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG sei außerordentlich schwerwiegend. Mit der Versagung der Ausnahmegenehmigung verfolge die Antragsgegnerin allerdings in der gegenwärtigen Pandemie in Kenntnis des Umstandes, dass es derzeit noch keine Impfstoffe oder sicher wirkende Medikamente gegen die Krankheit gebe, mit dem Schutz von Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen ebenfalls gewichtige Ziele. Dabei sei zu berücksichtigen, dass ihre Vorgehensweise auf eine Verordnung gestützt sei, deren zeitliche Geltung begrenzt sei, deren Rechtfertigung der Verordnungsgeber zudem von Verfassungs wegen unter ständiger engmaschiger Kontrolle zu halten habe. Die derzeitige Staatspraxis genüge erkennbar dieser Verpflichtung. Bei diesem Sachstand und den vom Verordnungsgeber im Blick gehaltenen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, das ausgehend von dem derzeitigen virologischen Erkenntnisstand nach wie vor dringend dazu rate, sich im öffentlichen Raum maximal mit einer weiteren Person aufzuhalten und Menschenansammlungen gänzlich zu meiden, erweise sich die Versagung einer Ausnahmegenehmigung für die Durchführung von zwei Versammlungen unter freiem Himmel mit jeweils 50 Personen gegenwärtig nicht als unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers auf Versammlungsfreiheit.

Der Beschluss vom 15. April 2020 ist unanfechtbar (Az. 1 S 1078/20).

42. Antrag gegen Versammlungsverbot teilweise erfolgreich

Das Bundesverfassungsgericht hat einem Antrag, der sich gegen ein im Bundesland Hessen ausgesprochenes Versammlungsverbot wendete, teilweise entsprochen (BVerfG, Beschl. v. 15.04.2020 – 1 BvR 828/20). In der Pressemitteilung des Gerichts v. 16.04.2020 heißt es:

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Gießen und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen ein Versammlungsverbot teilweise stattgegeben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beschwerdeführers gegen die Verfügung der Stadt Gießen insoweit wiederhergestellt, als danach die von dem Beschwerdeführer für den 16. und 17. April 2020 angemeldeten Versammlungen verboten wurden. Die Versammlungsbehörde hatte unzutreffend angenommen, die Verordnung der Hessischen Landesregierung zur Bekämpfung des Corona-Virus enthalte ein generelles Verbot von Versammlungen von mehr als zwei Personen, die nicht dem gleichen Hausstand angehören und daher die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit verletzt, weil sie nicht beachtet hat, dass zu deren Schutz ein Entscheidungsspielraum bestand. Die Stadt Gießen hat, wie die Kammer ausdrücklich entschieden hat, Gelegenheit, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer erneut darüber zu entscheiden, ob die Durchführung der vorgenannten Versammlungen von bestimmten Auflagen abhängig gemacht oder verboten wird.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer meldete bei der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens mehrere Versammlungen unter dem Motto Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen – Schutz vor Viren, nicht vor Menschen an. Als vorgesehene Versammlungstermine wurden der 14., 15., 16. und 17. April 2020, jeweils von 14 bis 18 Uhr, genannt. Er gab eine ungefähre erwartete Teilnehmerzahl von 30 Personen an. Geplant waren jeweils eine circa zweistündige Auftaktkundgebung in Gießen am Berliner Platz sowie ein anschließender Aufzug durch mehrere Straßen mit drei jeweils 15-minütigen stationären Zwischenkundgebungen. Zugleich informierte der Beschwerdeführer die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens über beabsichtigte Infektionsschutzmaßnahmen auf Grund der CoViD19-Pandemie (‚Corona-Kompatibilität‘). Die Versammlungsteilnehmer würden durch Hinweisschilder zur Einhaltung von Sicherheitsabständen angehalten und von Ordnern auf entsprechend markierte Startpositionen gelotst. Die Markierungen der Startpositionen befänden sich in einem Abstand von 10 Metern nach vorn und nach hinten und 6 Metern zur Seite. Sie würden jeweils von Einzelpersonen bzw. Wohngemeinschaften oder Familien eingenommen. Redebeiträge würden über das eigene Mobiltelefon des jeweiligen Redners zu einer Beschallungsanlage übertragen. Während des Aufzugs würden die vorgesehenen Abstände beibehalten und es werde darauf geachtet, dass neu hinzukommende Versammlungsteilnehmer sich hinten einreihten. Für Vorschläge zu weitergehenden Infektionsschutzmaßnahmen sei man dankbar; entsprechende Auflagen werde man befolgen. Die Versammlungen wurden mit Flyern und Aufrufen im Internet beworben.

Nach einem Kooperationsgespräch verfügte die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein auf § 15 Abs. 1 VersG gestütztes Verbot der Versammlungen. Bei Durchführung der Versammlungen seien die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdet. Die Versammlungen würden gegen § 1 Abs. 1 der Verordnung der Hessischen Landesregierung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 14. März 2020 in der Fassung der Verordnung vom 30. März 2020 verstoßen. Der Beschwerdeführer erhob Widerspruch. Sein beim Verwaltungsgericht gestellter Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs blieb – auch in der Beschwerdeinstanz – erfolglos.

Die Hessische Landesregierung und die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens haben am 15. April 2020 zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht Stellung genommen.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Allerdings können die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde dann maßgeblich werden, wenn verwaltungsgerichtliche Beschlüsse betroffen sind, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen sind und die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen, insbesondere wenn die behauptete Rechtsverletzung bei Verweigerung einstweiligen Rechtsschutzes nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte, die Entscheidung in der Hauptsache also zu spät käme. Dementsprechend sind die im Eilrechtsschutzverfahren erkennbaren Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde zu berücksichtigen, wenn aus Anlass eines Versammlungsverbots über einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs zu entscheiden ist und ein Abwarten bis zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens oder des Hauptsacheverfahrens den Versammlungszweck mit hoher Wahrscheinlichkeit vereitelte.

Ausgehend davon ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten, weil die Verbotsverfügung der Antragsgegnerin den Antragsteller offensichtlich in seinem Grundrecht aus Art. 8 GG verletzt. Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet für alle Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Nach Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Die Verordnung der Hessischen Landesregierung zur Bekämpfung des Corona-Virus enthält jedenfalls kein generelles Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel für mehr als zwei nicht dem gleichen Hausstand angehörige Personen. In diesem Sinne hat sich auch die Hessische Landesregierung in ihrer Stellungnahme vom 15. April 2020 eingelassen. Demgegenüber nimmt die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens an, der Verordnungsgeber habe auch bewusst öffentliche Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz unterbinden wollen. Sie ist in ihrer Verbotsverfügung erkennbar jedenfalls von einem generellen Verbot von Versammlungen von mehr als zwei Personen ausgegangen, die nicht dem gleichen Hausstand angehören. Auf der Grundlage dieser unzutreffenden Einschätzung hat die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens Art. 8 Abs. 1 GG verletzt, weil sie verkannt hat, dass § 1 der Verordnung der Versammlungsbehörde für die Ausübung des durch § 15 Abs. 1 VersG eingeräumten Ermessens gerade auch zur Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit einen Entscheidungsspielraum lässt. Der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 8 Abs. 1 GG konnte sie schon deshalb von vornherein nicht angemessen Rechnung tragen. Darüber hinaus wird die Entscheidung der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens den verfassungsrechtlichen Maßgaben des Art. 8 Abs. 1 GG auch deshalb nicht gerecht, weil sie über die Vereinbarkeit der Versammlung mit § 1 der Hessischen Verordnung nicht unter hinreichender Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden hat. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens macht überwiegend Bedenken geltend, die jeder Versammlung entgegengehalten werden müssten, und lässt auch damit die zur Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 GG bestehenden Spielräume des § 1 der Verordnung leerlaufen.

43. VG Dresden entscheidet über Einschränkungen bei ambulanten Erziehungshilfen durch sächsische Anti-Corona-Maßnahmen

Das Verwaltungsgericht (VG) Dresden hat über Einschränkungen bei ambulanten Erziehungshilfen durch sächsische Anti-Corona-Maßnahmen entschieden (VG Dresden, Beschl. v. 15.04.2020 – 6 L 257/20). In der Pressemitteilung des Gerichts v. 16.04.2020 heißt es dazu:

Die Beschränkung von ambulanten Erziehungshilfen “auf ein Mindestmaß und auf unabweisbare Einzelfälle” durch die “Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes, Maßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie, Betretungsverbot in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche vom 19. März 2020” begegnet ausweislich einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden vom 15. April 2020 keinen rechtlichen Bedenken (Az. 6 L 257/20). Der gegen die Regelung gerichtete Eilantrag einer Trägerin der freien Kinder- und Jugendhilfe wurde abgelehnt.

Zur Begründung ihres Antrags machte die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, dass sie durch die Allgemeinverfügung in ihrer Arbeit mit den Kindern, Jugendlichen und Familien stark eingeschränkt werde. Dies sei nicht hinnehmbar, weil gerade in der gegenwärtigen Situation die ambulante Hilfe besonders wichtig sei. Als unabweisbar im Sinne der Allgemeinverfügung würden Fälle gelten, bei denen bei Nichterbringung von Hilfen eine Kindeswohlgefährdung drohe. Aufgrund der ausgesetzten Schulpflicht finde keine Kontrolle der Kinder und Jugendlichen mehr statt, so dass Kindeswohlgefährdungen nicht mehr auffielen und daher die unabweisbaren Einzelfälle bereits nicht mehr feststellbar seien. Sie könne keinen effektiven Schutz mehr gewähren, da die Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe aufgrund der Allgemeinverfügung auch weder telefonisch noch per Skype oder anderweitig über das Internet mit den Kindern und Jugendlichen in Verbindung treten könnten. Dies verletzte im Übrigen u. a. auch ihr eigenes Grundrecht auf freie Berufsausübung.

Die Richter der 6. Kammer folgten dieser Sichtweise nicht. Die vorgenommene Beschränkung der ambulanten Hilfen auf ein Mindestmaß und auf unabweisbare Einzelfälle könne als geeignete Schutzmaßnahme gegen die Ausbreitung des Corona-Virus angeordnet werden und sei von den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes gedeckt. Allerdings beinhalte die angegriffene Regelung entgegen dem Verständnis der Antragstellerin keine Beschränkung ihres telefonischen und elektronischen Kontakts zu den von ihr betreuten Kindern. Diesen könne sie also aufrecht erhalten, da von ihm keine Infektionsgefahr ausgehe. Die Kammer brachte einmal mehr zum Ausdruck, dass die Interessen Einzelner oder von Gruppen, etwa hinsichtlich der Einschränkung ihrer Berufsausübung, in Anbetracht der gegenwärtigen Gefährdung einer Vielzahl von Menschen “für die absehbare kurze Zeit der weiteren Geltung der Allgemeinverfügung zurückzustehen” hätten.

Gegen die Entscheidung kann die Antragstellerin binnen zwei Wochen Beschwerde zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht erheben.

44. Versammlungsverbot gestoppt

Das Verwaltungsgericht Hannover hat ein durch die Stadt Hildesheim ausgesprochenes umfassendes Versammlungsverbot gestoppt (VG Hannover, Beschl. v. 16.04.2020 – 10 B 2232/20). In der Pressemitteilung des VG heißt es:

Die Stadt Hildesheim hatte für die für den kommenden Samstag angemeldete Versammlung Wer die Freiheit aufgibt, um mehr Sicherheit zu erlangen, wird am Ende beides verlieren mit Bescheid vom 15. April 2020 ein umfassendes Versammlungsverbot verhängt. Gestützt war das Verbot auf das Niedersächsische Versammlungsgesetz und die Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 07. April 2020 (Corona-Verordnung). Die Stadt Hildesheim ging davon aus, bei der Durchführung der Versammlung bestünde eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch einen Verstoß gegen diese Verordnung. Noch am gleichen Tag hatte der Antragsteller dagegen einen Eilantrag gestellt und insbesondere geltend gemacht, der gebotene Mindestabstand zwischen den Teilnehmern der Versammlung werde eingehalten. Er sei auch bereit, die Versammlung von 50 auf 25 Teilnehmer zu begrenzen.

Das Verwaltungsgericht Hannover hat dem Eilantrag mit Beschluss vom 16. April 2020 stattgegeben. Nach Auffassung der 10. Kammer kann das Verbot nicht auf die Corona-Verordnung gestützt werden. Die Corona-Verordnung enthalte zwar in § 2 durch die Beschränkung von Zusammenkünften von Personen faktisch ein Versammlungsverbot. Ein solch generelles Versammlungsverbot, das keine Ausnahmen zulasse, sei aber nicht mit der in Art. 8 GG gewährleisteten Versammlungsfreiheit vereinbar. Bei kleinen Versammlungen bestehe die Möglichkeit, den Gesundheitsschutz durch Beschränkungen der Versammlung zu gewährleisten. So habe die Stadt Hildesheim die Möglichkeit, das Tragen eines Mundschutzes anzuordnen, die Teilnehmerzahl zu begrenzen, Abstandsregelungen zu treffen, dem Versammlungsleiter die Erfassung von Namen und Anschrift der Teilnehmer aufzugeben und ggf. das Versammlungsgelände zu umzäunen.

Den Beteiligten steht das Rechtsmittel der Beschwerde zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zu.

45. Untersagung einer Versammlung gerichtlich gebilligt!

In Abänderung einer Entscheidung der Vorinstanz hat das OVG Hamburg den Antrag abgelehnt, die von den Antragstellern geplante Versammlung Abstand statt Notstand – Verwaltungsrechtler*innen gegen die faktische Aussetzung der Versammlungsfreiheit auf dem Hamburger Rathausmarkt zu ermöglichen(OVG Hamburg, Beschl. v. 16.04.2020 – 5 Bs 58/20). Damit hob das Gericht die Entscheidung des VG Hamburg, Beschl. v. 16.04.2020 – 17 E 1648/20 – auf. In der Pressemitteilung des OVG heißt es:

Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom heutigen Tag einen Eilantrag, mit dem sich die Antragsteller gegen das Verbot einer für den heutigen Abend auf dem Hamburger Rathausmarkt geplanten Versammlung zu dem Thema Abstand statt Notstand – Verwaltungsrechtler*innen gegen die faktische Aussetzung der Versammlungsfreiheit gewandt haben, in zweiter Instanz abgelehnt (5 Bs 58/20).

Die Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Hamburg sieht u.a. vor, dass Versammlungen unter freiem Himmel aus Gründen des Infektionsschutzes verboten sind. Ausnahmen von diesem Verbot können in besonders gelagerten Einzelfällen zugelassen werden, sofern dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte zunächst – ebenfalls mit Beschluss vom heutigen Tag (17 E 1648/20) – entschieden, dass die Versammlung wie geplant stattfinden dürfe, da es das generelle Versammlungsverbot als unvereinbar mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit angesehen hatte. Die hiergegen von der Freien und Hansestadt Hamburg erhobene Beschwerde hatte Erfolg. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist es nach der im Eilverfahren allein möglichen Prüfung nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Versammlungsverbot mit Ausnahmevorbehalt verfassungswidrig ist. Im Rahmen der danach vorzunehmenden Folgenabwägung hat das Oberverwaltungsgericht das öffentliche Interesse am Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit andernfalls Infektionsgefährdeter sowie an der fortbestehenden Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems gegenüber dem Interesse der Antragsteller an der Durchführung der Versammlung als höherrangig eingestuft.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

46. Spielhallen in NRW dürfen nicht öffnen

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden, das die durch die nordrhein-westfälische Coronaschutzverordnung angeordnete Schließung von Spielhallen nict ausgesetzt werden muss (OVG Münster, Beschl. v. 16.04.2020 – 13 B 452/20.NE; 13 B 471/20.NE). Die durch die Betriebsuntersagungen in erster Linie betroffene Berufsfreiheit müsse gegenüber dem Schutz von Leben und Gesundheit vorübergehend zurücktreten.

47. Kein Besuchsrecht für Intensiv-Pflege-WG

Das Verwaltungsgericht (VG) Hannover lehnt einen Eilantrag ab, mit dem sich der Antragsteller gegen die am 9. April 2020 erlassene Allgemeinverfügung des Landkreises Hildesheim wendet (VG Hannover, Beschl. v. 16.04.2020 – 15 B 2147/20). In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

Die Antragstellerin zu 1) lebt in einer sogenannten Intensiv-Pflege-WG. Der Antragsteller zu 2) ist ihr Sohn und gerichtlich bestellter Betreuer. Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Antrag gegen die vom Landkreis Hildesheim wegen der Corona-Epidemie am 09. April 2020 erlassene Allgemeinverfügung, mit der ein Besuchs- und Betretungsverbot für ambulant betreute Wohngemeinschaften nach § 2 Abs. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über unterstützende Wohnformen (NuWG), für Formen des betreuten Wohnens nach § 2 Abs. 4 NuWG sowie für ambulant betreute Wohngemeinschaften zum Zweck der Intensivpflege, die nicht in den Geltungsbereich des NuWG fallen, angeordnet wird. Sie machen insbesondere geltend, dass das Besuchs- und Betretungsverbot unverhältnismäßig sei. Es sei aufgrund seiner erheblichen Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden nicht geeignet, die Gesundheit der Bewohner der Einrichtung zu erhalten. Zudem gäbe es mildere Mittel. So könnten andere Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise das Tragen von Atemschutzmasken, ergriffen werden.

Der Eilantrag hat vor der 15. Kammer keinen Erfolg. Die Kammer hält den Antrag für unbegründet. Die Allgemeinverfügung sei jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig. Dem in jeder Hinsicht anzuerkennenden und nachvollziehbaren dringenden Wunsch der Antragsteller nach einem persönlichen Besuchskontakt und den mit dem Besuchsverbot verbundenen schwerwiegenden Grundrechtseingriffen stünde eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit und des Lebens nicht nur der Antragstellerin zu 1), sondern insbesondere auch der übrigen Bewohner der Einrichtung sowie der Pflegekräfte gegenüber. Bewohner von Pflegeeinrichtungen, bzw. den in der Allgemeinverfügung genannten Wohngemeinschaften, gehörten typischerweise zu einer besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppe. Im vorliegenden Einzelfall komme hinzu, dass sämtliche Bewohner der Einrichtung, in der die Antragstellerin zu 1) wohnhaft ist, tracheotomiert seien. Hierbei handele es sich um einen Luftröhrenschnitt, der dazu führe, dass Viren direkt in die Lunge gelangen könnten. Bei den Betroffenen bestehe somit auch ohne die Corona-Pandemie eine besondere Anfälligkeit für nosokomiale Infektionen. Im Falle einer Erkrankung an COVID-19 ergebe sich aus diesen Vorerkrankungen ein gesteigertes Risiko eines tödlichen Verlaufs. Da die Bewohner der Intensiv-Pflege-WG in einer Haushaltsgemeinschaft wohnen und auch ein Kontakt zwischen den Bewohnern der Einrichtung und den Pflegern nicht ausgeschlossen werden könne, bestünde die Gefahr, dass eine nicht sofort entdeckte Ansteckung sich unter allen Bewohnern der Einrichtung ausbreite. Die Risiken einer Ansteckung könnten dadurch minimiert werden, dass die Betroffenen möglichst wenig direkten Kontakt zu außenstehenden Personen haben. Für die Kammer seien bei dem derzeit allgemein begrenzten Kenntnisstand zur Pandemie keine milderen Mittel ersichtlich, die zumindest gleichermaßen effektiv wie ein Besuchs- und Betretungsverbot seien. Soweit die Antragsteller unter anderem geltend gemacht haben, dass beispielsweise das Tragen von Atemschutzmasken als mildere Maßnahme in Betracht komme, so wies die Kammer darauf hin, dass derartige Masken ohne Luftfilter nach den bisherigen Erkenntnissen nur begrenzten Schutz bieten. Hinsichtlich weiterer professioneller Schutzkleidung bestehe die Problematik, dass diese derzeit nur in sehr eingeschränktem Umfang zur Verfügung stehe und zudem besonderer Vorsicht und Sorgfalt bei der Nutzung bedürfe. Selbst ein im Vorfeld durchgeführter Coronatest treffe keine Aussage darüber, ob zum Zeitpunkt des Besuchs eine Infektion vorliege, da entsprechend kurzfristige Tests derzeit noch nicht verfügbar seien.

Die Kammer berücksichtigte bei ihrer Entscheidung schließlich auch, dass das Besuchsverbot zeitlich zunächst bis einschließlich zum 18. April 2020 befristet ist und Ausnahmeregelungen, wie etwa den Besuch durch nahestehende Personen von palliativmedizinisch versorgten Bewohnern vorsieht. Durch diese Ausnahmetatbestände werde besonderen Härtefällen Rechnung getragen. Die Befristung der Maßnahme stelle zudem sicher, dass die Allgemeinverfügung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie zum Ablauf des 18. April 2020 erneut überprüft werden könne. Hierbei sei insbesondere bei fortschreitender Zeitdauer eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen und zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, das Besuchs- und Betretungsverbot – gegebenenfalls unter strengen Auflagen – zu lockern bzw. aufzuheben.

Den Beteiligten steht das Rechtsmittel der Beschwerde zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zu.

48. Erfolgloser Antrag eines Einzelhandelskaufhauses auf (Wieder-)Öffnung

Das Oberverwaltungsgericht Greifswald hat den Antrag des Betreibers von Einzelhandelskaufhäusern  auf Außervollzugsetzung einer SARS CoV-2 Bekämpfungsverordnung zurückgewiesen (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 17.04.2020 – 2 KM 333/20). In der Pressemitteilung Nr. 7/2020 v. 17.04.2020 heißt es:

Ablehnung eines Eilantrags auf Außervollzugsetzung von § 1 Abs. 1 SARS-CoV-2 Bekämpfungsverordnung M-V (Einzelhandelskaufhaus)

Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit Beschluss vom heutigen Tag in einem gerichtlichen Eilverfahren den Antrag auf Außervollzugsetzung von § 1 Abs. 1 der Verordnung der Landesregierung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Mecklenburg-Vorpommern (SARS-CoV-2 Bekämpfungsverordnung) abgelehnt.

Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung sind sämtliche Verkaufsstellen des Einzelhandels geschlossen. Ein Verkauf mittels Lieferdiensten oder Abholung bleibt gestattet. Nicht betroffen von den Schließungen sind: Einzelhandelsbetriebe für Lebensmittel, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Zeitungsverkauf, Tabak- und Genusswaren, Tierbedarfsmärkte und Blumenläden.

Die Antragstellerin betreibt bundesweit eine Vielzahl von Warenhäusern, in Mecklenburg-Vorpommern u. a. große Einzelhandelskaufhäuser in den Hansestädten Rostock und Wismar.

Der Senat hat den Antrag unter Verweis auf seinen Beschluss vom 8. April 2020 – 2 KM 236/20 OVG – (siehe hierzu Pressemitteilung Nr. 1 vom 08.04.2020), in dem er u. a. auch die Regelung in § 1 der Verordnung geprüft habe, abgelehnt. Die – zunächst – bis zum 19. April 2020 befristete Regelung der Schließung sämtlicher Verkaufsstellen des Einzelhandels unter gleichzeitiger Bestimmung ausdrücklich bezeichneter Ausnahmefälle erweise sich auch im konkreten Einzelfall der Antragstellerin als noch verhältnismäßiger, insbesondere erforderlicher und angemessener Eingriff in ihre Rechte. Zwar müsse die Antragstellerin einen empfindlichen Eingriff in ihre Rechte hinnehmen, der zu massiven Einkommenseinbußen führe, doch rechtfertige der Gesundheitsschutz, insbesondere die Verlangsamung der Ausbreitung der hoch infektiösen Coronavirus-Erkrankung in der derzeitigen Situation derart einschneidende beschränkende Maßnahmen. Für eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Branchen und Warenangebote lägen hinreichende sachliche Gründe vor, sodass auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht hinreichend wahrscheinlich vorliege.

49. Abiturprüfungen in Berlin finden trotz Coronavirus statt!

Das Berliner Verwaltungsgericht (VG) hatte sich mit einem Eilantrag zu befassen, mit Hilfe dessen eine Berliner Schülerin den Versuch unternommen hat, nicht an den Abiturprüfungen in Berlin teilnehmen zu müssen (VG Berlin, Beschl.  v. 17.04.2020 – VG 14 L 59.20). In der Pressemitteilung des Gerichts Nr. 21/2020 heißt es:

Kein Fernbleiben von schriftlicher Abiturprüfung wegen Coronagefahren (Nr. 21/20020)

Eine Berliner Schülerin ist vor dem Verwaltungsgericht Berlin mit einem Eilantrag gescheitert, mit dem sie erreichen wollte, nicht an den ab dem 20. April 2020 angesetzten schriftlichen Abiturprüfungen teilzunehmen.

Die Antragstellerin ist Schülerin und Abiturientin eines Berliner Gymnasiums. Nach dem Willen des Berliner Senats beginnen dort – wie an allen Berliner Schulen – ab dem 20. April 2020 die schriftlichen Abiturprüfungen. Unter Berufung auf etwaige mit den konkreten Prüfungsbedingungen verbundene Gesundheitsgefahren begehrt sie im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, so lange nicht an den Prüfungen teilnehmen zu müssen, bis sichergestellt sei, dass keine Gefahr der Ansteckung mit dem Coronavirus mehr bestehe.

Der Eilantrag hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung der 14. Kammer hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Fernbleiben von den Abiturprüfungen, weil deren Durchführung unter seuchenrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Nach der Coronavirus-Eindämmungsmaßnahmenverordnung dürften Prüfungen bei Einhaltung eines Mindestabstands zwischen den anwesenden Personen von mindestens 1,5 Metern durchgeführt werden. Dass diese Abstandsanforderung nicht eingehalten werde, habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr habe die zuständige Senatsverwaltung den Schulen eine Vielzahl von Schutzmaßnahmen vorgeschrieben. Dazu zähle etwa die maximale gleichzeitige Anwesenheit einer Höchstzahl von acht, in Ausnahmefällen zehn Personen pro Prüfungsraum und ein Abstand zwischen den Arbeitsplätzen von sogar zwei Metern. Ferner sollten die Schüler zeitversetzt zur jeweiligen Prüfung eintreffen, und die einer Risikogruppe zugehörigen Schüler sollten einen separaten Prüfungstermin erhalten. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass diese und weitere Vorkehrungen während des Prüfungsgeschehens am Gymnasium der Antragstellerin nicht eingehalten würden. Die Maßnahmen seien nach derzeitiger wissenschaftlicher Erkenntnislage auch hinreichend, weil bereits ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen das Risiko einer Übertragung des Coronavirus deutlich vermindere. Zudem könne die Antragstellerin durch ein infektionsschutzgerechtes Eigenverhalten auch selbst zu einer möglichst risikoarmen Teilnahme am Prüfungsgeschehen beitragen.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Siehe auch VG Berlin, Beschl. v. 20.04.2020 – VG 3 L 155.20: Keine Verschiebung der Abiturprüfung wegen erschwerter Vorbereitung. Dazu heißt es in der Pressemitteilung Nr. 22/2020 v. 20.04.2020:

Eine Berliner Schülerin ist vor dem Verwaltungsgericht Berlin mit einem Eilantrag gescheitert, mit dem sie die Verschiebung ihrer unmittelbar bevorstehenden schriftlichen Abiturprüfungen erreichen wollte.

Die Antragstellerin ist Schülerin und Abiturientin eines Berliner Gymnasiums. Nach dem Willen des Berliner Senats beginnen dort – wie an allen Berliner Schulen – ab dem 20. April 2020 die schriftlichen Abiturprüfungen; die erste schriftliche Prüfung der Antragstellerin ist für den 24. April 2020 angesetzt. Sie lebt mit ihren Eltern und einem Bruder in einer Zweieinhalb-Zimmerwohnung, wo sich alle Familienmitglieder seit dem 21. März 2020 überwiegend aufhalten. Die Antragstellerin verfolgt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes das Ziel der Verschiebung der Prüfung unter Berufung auf schwierige häusliche Bedingungen. Ihre Konzentrationsfähigkeit sei durch die von ihren Familienangehörigen ausgehende Geräuschbelastung erheblich beeinträchtigt, sie habe sich wegen der coronabedingten Ausgangsbeschränkungen nicht mit Mitschülern austauschen können, sie verfüge über keinen eigenen PC und sie habe sich schließlich nicht – wie ursprünglich geplant – in einer Bibliothek auf die Prüfungen vorbereiten können. Unter diesen Umständen habe sie bei ihrer Abiturprüfung gegen-über anderen Prüflingen keine chancengleichen Voraussetzungen.

Die 3. Kammer hat den Eilantrag zurückgewiesen. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Verschiebung der Prüfungstermine. Sie könne sich für ihr Begehren nicht auf das Berliner Schulgesetz berufen, wonach jede Schule die Verantwortung dafür trage, dass die Schülerinnen und Schüler, unabhängig von ihren Lernausgangslagen, an ihrer Schule zu ihrem bestmöglichen Schulabschluss geführt werden. Denn hieraus folgten keine individualrechtlichen Ansprüche. Die Antragstellerin habe auch nicht glaubhaft gemacht, einen Anspruch auf die Nachholung eines Prüfungsteils zu einem späteren Zeitpunkt auf der Grundlage der Verordnung über die gymnasiale Oberstufe zu haben. Denn dies setze voraus, dass ein Prüfling aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen an der gesamten Prüfung oder an Teilen der schriftlichen oder mündlichen Prüfung nicht teilnehmen könne. Dies sei hier nicht der Fall. Die Antragstellerin könne nicht aus krankheitsbedingten Gründen oder sonstigen persönlichen Umständen nicht an der Prüfung teilnehmen. Der bloße Verweis auf die allgemeine pandemiebedingte Stresssituation reiche hierfür nicht aus. Stress und Ängste im Zusammenhang mit einer Prüfung gehörten in den Risikobereich des Prüflings, es sei denn, dass sie erkennbar den Grad einer – durch ein ärztliches Attest nachzuweisenden – psychischen Erkrankung erreichten.

Das verfassungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit gebiete schließlich nichts anderes. Auch wenn die Vorbereitung auf die Abiturprüfungen im Jahr 2020 wegen der Schulschließungen ab dem 17. März 2020 und aufgrund der auch in den Osterferien geltenden Kontaktbeschränkungen unter erschwerten Bedingungen stattgefunden habe, stelle sich die Situation der Antragstellerin nicht als besonderer Ausnahmefall dar. Vielmehr stellten die strengen Regelungen der Länder zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie viele Familien vor schwierige Herausforderungen. Allen Schülerinnen und Schülern seien aber seit dem 17. März 2020 Vorbereitungstreffen mit Mitschülerinnen und Mitschülern, die Wahrnehmung von Nachhilfestunden und das Lernen außerhalb der häuslichen Umgebung nicht möglich gewesen. Wie auch in anderen Lebensbereichen könnten im Rahmen der Prüfungsvorbereitung unter Geltung der Einschränkungen wegen des Coronavirus jedoch keine identischen Bedingungen gewährleistet werden. Hierzu gehöre auch die Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler, die beispielsweise über ein eigenes Zimmer oder einen eigenen Computer verfügen, bessere Bedingungen zur Prüfungsvorbereitung vorfänden als andere. Die Durchführung der Abiturprüfungen 2020 im Land Berlin insgesamt sei schließlich auch dadurch sachlich gerechtfertigt, dass sich die Länder in der Ständigen Konferenz der Kultusminister darauf bundeseinheitlich geeinigt hätten. Dies diene damit letztlich gerade der Wahrung der Chancengleichheit des diesjährigen Abiturjahrgangs gegenüber anderen Abiturjahrgängen.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

50. Besuchsrecht einer Mutter, deren Kinder in einem Kinderschutzhaus untergebracht sind

Das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg hat, dass die Coronavirus-Eindämmungsverordnung einer Mutter nicht verbietet darf, ihre in einem Kinderschutzhaus untergebrachten Kinder zu besuchen (VG Hamburg, Beschl. v. 17.04.2020 – 11 E 1630/20). In der Pressemietteilung des Gerichts heißt es:

Nach der Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Hamburg vom 2. April 2020 in der Fassung vom 9. April 2020 ist auch Eltern der Besuch und das Betreten von besonderen Formen von Kinderschutzeinrichtungen untersagt. Eine Ausnahme von diesem Verbot sieht die Verordnung nicht vor.  

Der gegen diese Regelung gerichtete Eilantrag einer Mutter war erfolgreich. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt das ausnahmslose Verbot, die eigenen Kinder in Kinderschutzeinrichtungen persönlich zu besuchen, die Eltern in ihren Grundrechten, indem es zu einem kompletten Kontaktabbruch zwischen Eltern und Kinder führt, ohne dabei etwa nach dem Alter der Kinder, der Qualität der bisherigen Eltern-Kind-Beziehung, der Häufigkeit der bisherigen Umgangskontakte oder sonstigen Aspekten zu differenzieren. Überdies hat das Verwaltungsgericht beanstandet, dass die Coronavirus-Eindämmungsverordnung zwar einen Besuch in Krankenhäusern und Einrichtungen der öffentlichen Unterbringung in Einzelfällen ermöglicht, aber keine entsprechende Ausnahmeregelung für Kinderschutzeinrichtungen vorsieht.

Gegen die Entscheidung kann die Freie und Hansestadt Hamburg Beschwerde bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht erheben.

51. Versammlung auf dem Johannes-Brahms-Platz darf stattfinden

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat entschieden, dass eine Versammlung auf dem Johannes-Brahms-Platz unter dem Motto Pandemieschutz bleibt antirassistisch unter im Einzelnen genannten Auflagen stattfinden darf (VG Hamburg, Beschl. v. 17.04.2020 – 15 E 1640/20). In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

Die Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Hamburg sieht u.a. vor, dass Versammlungen unter freiem Himmel aus Gründen des Infektionsschutzes verboten sind. Ausnahmen von diesem Verbot können in besonders gelagerten Einzelfällen zugelassen werden, sofern dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.

Nach der heutigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Vereinbarkeit des generellen Versammlungsverbots mit der Versammlungsfreiheit. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung darf aber nur aus infektionsschutzrechtlichen Aspekten und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls versagt werden. Hier konnte nach der Bewertung des Verwaltungsgerichts ein angemessener Interessenausgleich nur durch die ausnahmsweise Genehmigung der Versammlung am 18. April 2020 bei gleichzeitiger Erteilung der im einzelnen aufgeführten Auflagen herbeigeführt werden. Eine entsprechende Beschränkung der Versammlung führt nach Auffassung des Gerichts noch nicht zu einer nicht hinnehmbaren und über das allgemein bestehende Infektionsrisiko hinausgehenden Infektionsgefahr für die Versammlungsteilnehmer oder sonstige Personen. Im Einzelnen hat die Antragstellerin daher u.a. die Zahl der Versammlungsteilnehmer auf 20 Personen zuzüglich 5 Ordnern und die Dauer der Versammlung auf maximal 2 Stunden zu beschränken, Passanten sind von der Versammlung durch entsprechende Vorrichtungen zu trennen und die Versammlungsteilnehmer haben während der Versammlung voneinander einen Abstand von jeweils 2 Metern zu halten.

52. Erfolgloser Eilantrag eines Abgeordneten gegen pandemiebedingte Kontrollrechte der Polizei

Der Verfassungsgerichtshof Berlin hat den Eilantrag eines Berliner Abgeordneten zurückgewiesen (VerfGH Berlin, Beschl. v. 17.04.2020 – VerfGH 51 A/20). Der Abgeordnete ist mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Berliner Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 gescheitert. Der Verfassungsgerichtshof Berlin ist der Auffassung, dass der Abgeordnete hinsichtlich der von ihm gerügten Befugnisse der Polizei zur Kontrolle der Ausgangsbeschränkungen offensichtlich nicht in seinen Abgeordnetenrechten verletzt werde.

53. Mini-Kundgebung ist erlaubt!

Das Verwaltungsgericht (VG) Dresden hat eine angemeldete Kleinkundgebung vor einem Dresdner Bürgeramt ermöglicht (VG Dresden, Beschl. v. 17.04.2020 – 6 L 265/20). Der Antragsteller darf demnach seine fünfminütige Demonstration mit voraussichtlich vier Teilnehmern durchführen. In der Pressemitteilung des Gerichts v. 17.04.2020 heißt es:

Die Richter der 6. Kammer verfügten, dass die Veranstaltung mit dem Titel “Wir werben hier für eine verantwortliche Rechtsgüterabwägung unter Inansatzbringung der Belange des Grundrechts der Versammlungsfreiheit” durchgeführt werden darf, soweit sich der Antragsteller an die von ihm selbst genannten Bedingungen halte. Danach hätten alle Teilnehmer an der Veranstaltung einen 2-Meter-Abstand zueinander einzuhalten. Werde dieser Abstand länger als 10 Sekunden unterschritten, sei die Versammlung aufzulösen. Diese ende ohnehin spätestens nach dem Ablauf von 5 Minuten. Die Versammlung sei vorher aufzulösen, wenn die Teilnehmerzahl sieben Personen erreiche. Es würden keine Flugblätter verteilt. Zudem stellte die Kammer fest, dass die Teilnahme an der geplanten Versammlung einen triftigen Grund zum Verlassen der häuslichen Unterkunft i. S. v. § 2 Abs. 1 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 31. März 2020 zum Schutz vor dem Corona-Virus SARS-CoV-2 und COVID-19 darstelle.

Die Kammer betonte auch in dieser Entscheidung, dass sie die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus generell für geeignet und zur Gefahrenabwehr auch für erforderlich erachtet. Allerdings sei das Verbot jeglicher Versammlung ohne Bezug auf deren Umstände im Einzelnen nach überschlägiger Prüfung als rechtswidrig anzusehen, da es dem hohen Wert des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nicht gerecht werde und durch die Versagung der Veranstaltung in der konkret angemeldeten Form das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 8 GG verletze.

Gegen die Entscheidung können die Beteiligten binnen zwei Wochen Beschwerde zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht erheben.

54. Eilantrag einer stationären Rehabilitationsklinik gegen einen unbefristeten Aufnahmestopp von Patienten erfolgreich!

Das Verwaltungsgericht (VG) Minden hat einem Eilantrag einer stationären Rehabilitationsklinik gegen einen unbefristeten Aufnahmestopp von Patienten stattgegeben (VG Minden, Beschl. v. 21.04.2020 – 7 L 299/20). In der Pressemietteilung des Gerichts v. 22.04.2020 heißt es:

Die Antragstellerin wurde auf Grundlage des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes mit Wirkung zum 3. April 2020 als Einrichtung zur Entlastung der akutstationär zu versorgenden Patienten bestimmt. Seitdem gilt sie für die Behandlung von bis zum 30. September 2020 aufgenommenen Patienten als zugelassenes Krankenhaus. Am 8. April 2020 wurde bekannt, dass sich eine von der Antragstellerin am 26. Februar 2020 stationär aufgenommene Patientin mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 infiziert hat. Mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 9. April 2020 ordnete die Antragsgegnerin unter anderem an, dass es der Antragstellerin ab sofort bis auf Weiteres untersagt sei, neue Patienten in die Klinik aufzunehmen.

Die 7. Kammer hat dem dagegen erhobenen Eilantrag stattgegeben und die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage angeordnet. Bei der Anordnung eines Aufnahmestopps für Krankenhäuser handele es sich zwar grundsätzlich um eine taugliche Maßnahme im Sinne des § 28 Infektionsschutzgesetz, wenn in der betroffenen Einrichtung bereits Patienten an COVID-19 erkrankt seien. Weitere Voraussetzung sei jedoch, dass die Behörde ihr Ermessen hinsichtlich Art und Umfang der angeordneten Maßnahme ordnungsgemäß ausübe. Zulässig sei nur die Anordnung notwendiger Schutzmaßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten seien.

Der von der Antragsgegnerin angeordnete Aufnahmestopp erweise sich nach diesen Maßstäben als offensichtlich rechtswidrig. Die Antragsgegnerin habe lediglich festgestellt, dass sich eine Patientin mit dem SARS-CoV-2 Virus infiziert habe und dass davon ausgegangen werden müsse, dass sich die Patientin aufgrund ihres Aufenthalts in der Klinik dort angesteckt habe. Andere als die angeordnete Maßnahme zur Verhinderung der Verbreitung des Virus seien nicht erwogen worden. Dies sei aber vor dem Hintergrund geboten gewesen, dass die Einrichtung gerade auch die Versorgung von stationär behandlungsbedürftigen Patienten sicherstellen solle. Das Robert-Koch-Institut sehe einen Aufnahmestopp zudem nicht als unmittelbare und grundsätzlich erforderliche Reaktion bei COVID-19 Ausbrüchen in einer Gesundheitseinrichtung vor.

Insgesamt sei zwar nicht ausgeschlossen, dass auch ein vollständiger Aufnahmestopp im Einzelfall zulässig sein könne. Dazu bedürfe es jedoch einer – in diesem Falle nicht vorgenommenen – ordnungsgemäßen Ermessensausübung.

55. Erfolgreicher Antrag eines Einzelhandelsunternehmens gegen die Untersagung des Betriebs von Ladengeschäften mit einer Verkaufsfläche von über 800 m²

Vor dem VG Hamburg war ein Eilantrag eines Einzelhandelsunternehmens gegen die aus der Corona-Verordnung folgende Untersagung des Betriebs von Ladengeschäften mit einer Verkaufsfläche von über 800 m² erfolgreich (VG Hamburg, Beschl. v. 21.04.2020 – 3 E 1675/20). Hier geht es zur ausführlich begründeten Entscheidung des VG Hamburg.

Die gegen die Entscheidung des VG eingelegte Beschwerde der Stadt Hamburg hatte (teilweise) Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg hat am 22.04.2020 eine Zwischenverfügung erlassen, nach der die Betreiberin eines Sportwarengeschäfts in der Hamburger Innenstadt dieses vorläufig – zunächst befristet bis zum 30. April 2020 – nur mit einer maximalen Verkaufsfläche von 800 m2 betreiben darf (OVG Hamburg, Beschl. v. 22.04.2020 – 5 Bs 64/20). In der Pressemitteilung des OVG heißt es:

Die Coronavirus-Eindämmungsverordnung in der seit dem 20. April 2020 gültigen Fassung untersagt den Betrieb von Verkaufsstellen des Einzelhandels, deren Verkaufsfläche nicht auf 800 m² begrenzt ist.

Der gegen diese Regelung gerichtete Eilantrag der Betreiberin eines Sportwarengeschäfts war vor Verwaltungsgericht Hamburg erfolgreich (3 E 1675/20, siehe Pressemitteilung vom 22.4.2020). Hiergegen hat die Freie und Hansestadt Hamburg Beschwerde erhoben.

Auf den weiteren Antrag der Stadt, dass es bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Beschwerde bei der Regelung der Rechtsverordnung bleibt und der Betrieb der Antragstellerin bis zu diesem Zeitpunkt weiterhin nur auf einer Verkaufsfläche von bis zu 800 m² erfolgen darf, hat das Oberverwaltungsgericht Hamburg nunmehr eine Zwischenverfügung erlassen. Danach darf die Antragstellerin ihr Einzelhandelsgeschäft vorläufig – befristet bis zum 30. April 2020 – nur mit einer maximalen Verkaufsfläche von 800 m2 betreiben. Die Erfolgsaussichten der Beschwerde sind nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts offen. Der Erlass einer Zwischenverfügung ist daher zur Vermeidung schwerer und unabwendbarer Nachteile geboten. Sollte die Zwischenverfügung nicht ergehen und sich aber später herausstellen, dass die Regelung zur Beschränkung der Verkaufsfläche nicht zu beanstanden ist, weil die Zulassung von Verkaufsflächen auch über 800 m2 zu einem erhöhten Infektionsrisiko führt, bestünde die konkrete Gefahr einer weiteren und nicht nachvollziehbaren Ausbreitung des Virus, die zum Erhalt von Leben und Gesundheit der Bevölkerung und zum Schutz einer Überlastung medizinischer Behandlungskapazitäten vermieden werden soll.

Mit einer abschließenden Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Beschwerde ist in der kommenden Woche zu rechnen.

56. Keine Außervollzugsetzung des Verbots von Zusammenkünften in Kirchen, Moscheen und Synagogen

Das OVG Niedersachsen hat eine Außervollzugsetzung des Verbots von Zusammenkünften in Kirchen, Moscheen und Synagogen abgelehnt (OVG Niedersachsen, Beschl. v. 23.04.2020 – 13 MN 109/20). In der Pressemitteilung heißt es:

Der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 23. April 2020 einen Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des Verbots von Zusammenkünften in Kirchen, Moscheen und Synagogen nach der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 abgelehnt (Az.: 13 MN 109/20).

Antragsteller war ein eingetragener Verein, der sich für die Rechte der Muslime einsetzt. Der Senat hat das Verbot von Zusammenkünften in Kirchen, Moscheen und Synagogen auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung des Infektionsgeschehens noch als eine notwendige Schutzmaßnahme angesehen. Das Verbot wolle die gezielte Zusammenkunft zahlreicher Personen zum Zwecke auch länger andauernder gemeinsamer Verrichtungen mit Blick auf deren erhöhtes infektionsschutzrechtliches Gefährdungspotenzial unterbinden. Mildere, zur Zielerreichung gleich geeignete Mittel, wie bloße Zugangsbeschränkungen, stünden angesichts der Vielzahl von Personen und des Zusammentreffens in einem überschaubaren geschlossenen Raum nicht zur Verfügung. Die individuelle Glaubensausübungsfreiheit und auch religiöse Versammlungen unter freiem Himmel blieben zudem möglich. Der damit noch für die Gültigkeitsdauer der Verordnung bis zum 6. Mai 2020 verbundene Eingriff in die kollektive Glaubensausübungsfreiheit wiege zwar überaus schwer, werde aber vom öffentlichen Interesse an einer weiteren Ausbreitung des Infektionsgeschehens überwogen.

Der Senat hat den Beschluss aufgrund der ihm zur Entscheidungsfindung zur Verfügung stehenden kurzen Zeit zunächst als Tenorbeschluss gefasst; eine ausführliche schriftliche Begründung folgt zeitnah.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

57. Coronabedingtes Vermietungsverbot für Ferienhäuser und Ferienwohnungen in Brandenburg bestätigt

Das OVG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass ein coronabedingtes Vermietungsverbot für Ferienhäuser und Ferienwohnungen in Brandenburg rechtlich nicht zu beanstanden ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 23.04.2020 – OVG 11 S 25.20). In der Pressemitteilung v. 23.04.2020 heißt es:

Der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom heutigen Tage abgelehnt, § 7 Abs. 4 Satz 1 SARS-Co-2-Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg vorläufig außer Vollzug zu setzen. Nach dieser Vorschrift ist es Betreibern von Beherbergungsstätten, Campingplätzen, Wohnmobilstellplätzen sowie privaten und gewerblichen Vermietern oder Verpächtern von Ferienwohnungen und Ferienhäusern und vergleichbaren Angeboten untersagt, Personen zu touristischen Zwecken wie Freizeitreisen zu beherbergen.

Die Antragstellerin vermietet auf einem Hofgrundstück in Brandenburg befindliche Ferienhäuser und eine Ferienwohnung. Auf ihre Einwände hat das Oberverwaltungsgericht unter anderem ausgeführt, dass die angegriffene Vorschrift im Infektionsschutzgesetz eine hinreichende Rechtsgrundlage finde. Auch sei das bis zum 8. Mai 2020 befristete Verbot, Ferienhäuser und Ferienwohnungen zu touristischen Zwecken zu vermieten, angesichts des hohen Rangs der Schutzgüter Leben und Gesundheit trotz des Eingriffs in die Berufsfreiheit der Antragstellerin nicht unverhältnismäßig. Nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts bestehe auch gegenwärtig noch eine große Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung. Der Verordnungsgeber musste nach Auffassung des Senats nicht darauf abstellen, ob das Übertragungsrisiko während des Aufenthalts in der Ferienunterkunft größer ist als am Heimatort, denn touristische Reisen führten zu einer vorübergehenden Veränderung des Kontaktumfeldes und würden zumindest abstrakt die Gefahr bergen, eine (noch) asymptomatisch verlaufende Infektion an einen anderen Ort zu tragen und das Virus dort weiter zu verbreiten.

58. Schulpflicht außer Vollzug gesetzt

Das Verwaltungsgericht Kassel hat die Schulpflicht von Schülerinnen und Schülern der 4. Jahrgangsstufe der Grundschulen, der Sprachheilschulen und der Schulen mit den Förderschwerpunkten Sehen oder Hören in Hessen einstweilen außer Vollzug gesetzt (VG Kassel, Beschl. v. 24.04.2020 – 8 B 1097/20.N). In der Pressemitteilung heißt es:

Mit soeben den Beteiligten bekannt gegebenem Beschluss hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass die Schulpflicht von Schülerinnen und Schülern der 4. Jahrgangsstufe der Grundschulen, der Sprachheilschulen und der Schulen mit den Förderschwerpunkten Sehen oder Hören in Hessen vorläufig außer Vollzug gesetzt wird.

Ein entsprechender Eilantrag hatte Erfolg, soweit er sich gegen die Regelungen in § 3 Abs. 1 Nr. 2 a) der nachfolgend bezeichneten Verordnung (Zweite Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus in der Fassung der Sechsten Verordnung zur Anpassung der Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 16. April 2020) über den Schulbesuch für Schülerinnen und Schüler der 4. Jahrgangsstufe der oben genannten Schulen richtete.

Die Antragstellerin, eine Schülerin aus Frankfurt am Main, begehrte den Erlass einer sog. einstweiligen Anordnung in einem Normenkontrollverfahren, indem sie sich direkt gegen die zuvor genannte Verordnung wendete. Antragsgegner ist das Land Hessen, vertreten durch die Staatskanzlei.

Die streitige Regelung lautet:

§ 3

(1) Es wird allgemein angeordnet, dass Schülerinnen und Schüler dem Unterricht und anderen regulären schulischen Veranstaltungen an Einrichtungen nach § 33 Nr. 3 des Infektionsschutzgesetzes bis zum 3. Mai 2020 fernbleiben müssen. Ihr Fehlen gilt als entschuldigt. Satz 1 und 2 gelten nicht
1. für die Abnahme von Prüfungsleistungen,
2. ab dem 27. April 2020 für die Schülerinnen und Schüler
a) der 4. Jahrgangsstufe der Grundschulen, der Sprachheilschulen und der Schulen mit
den Förderschwerpunkten Sehen oder Hören,
….

Am 20. April 2020 hat die Schülerin deshalb einstweiligen Rechtsschutz gegen die o. g. Regelung beantragt. Sie macht geltend, für die angegriffenen Regelungen der Verordnung fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage. Die Anordnung des Schulbesuchs für Schülerinnen und Schüler der vierten Jahrgangsstufe in Grundschulen begründe für diese ein erhöhtes Infektionsrisiko.

Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat dem Eilantrag überwiegend stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Anordnung in § 3 Abs. 1 Nr. 2a) der genannten Verordnung, die für die Schülerinnen und Schüler der vierten Jahrgangsstufe eine Präsenzschulpflicht ab dem 27. April 2020 bewirke, verstoße bei einer im Eilverfahren allein möglichen, aber auch ausreichenden sog. summarischen Prüfung nach dem Erkenntnisstand des Senats im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegen höherrangiges Recht. Denn die Schülerinnen und Schüler der vierten Jahrgangsstufe würden im Vergleich zur überwiegenden Zahl der Schülerinnen und Schüler, denen aus Gründen des Infektionsschutzes der Schulbesuch bis zum 3. Mai 2020 gänzlich untersagt werde, ohne hinreichenden Grund ungleich behandelt und dadurch in ihrem Grundrecht aus Art 3 Abs. 1 GG auf Gleichbehandlung verletzt. So seien mit Ausnahme der Viertklässler sämtliche Schüler, die sich keiner Abschlussprüfung unterziehen müssten, von der Schulpflicht befreit und müssten sich somit keinem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen.

Für diese Ungleichbehandlung bestehe kein sachlicher Grund.

Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist unanfechtbar.

59. Schließung eines Outlet-Center gleichheitswidrig

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig hat entschieden, dass die Schließung eines Outlet-Centers auf der Grundlage einer landesrechtlichen Verordnung im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie gegen den Gleichheitssatz verstört (OVG Schleswig, Beschl. v. 24.04.2020 – 3 MR 9/20). In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

Der für das Gesundheitsrecht zuständige 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts hat das landesrechtliche Gebot, wonach Outlet-Center aus Gründen des Infektionsschutzes (weiterhin) zu schließen sind, heute vorläufig außer Vollzug gesetzt. Grund für die getroffene einstweilige Anordnung gegenüber dem Land Schleswig-Holstein ist, dass das Gebot nach summarischer Prüfung durch den Senat gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.

Antragstellerin des Verfahrens ist die Betreiberin des Outlet-Centers in Neumünster, welches über 122 Ladengeschäfte verfügt, von denen 121 Ladengeschäfte unter 800 Quadratmeter groß sind. Aus Sicht des Senats stelle die weitere Schließung des Outlet-Centers eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung gegenüber anderen Einzelhandelsgeschäften und Einkaufszentren dar, deren Öffnungsmöglichkeiten mittlerweile gelockert worden sind. Das Gericht vermochte nicht zu erkennen, warum die Umsetzung besonderer Hygiene- und Zugangsmaßnahmen in einem Outlet-Center nicht mindestens ebenso zu gewährleisten sei wie in Fußgängerzonen, Einkaufsstraßen und Einkaufszentren. Eine überregionale Anziehungskraft des Outlet-Centers für Kunden aus Dänemark, Hamburg oder Niedersachsen spiele schon wegen des fortgeltenden Verbots der Einreise nach Schleswig-Holstein aus touristischem Anlass oder zu Freizeitzwecken keine Rolle. Aufgrund der von der Antragstellerin bereits ergriffenen umfangreichen Steuerungs-, Kontroll- und Hygienemaßnahmen und der Schließung von Gastronomie und Spielplätzen auf ihrem Gelände komme dem Besuch auch kein Eventcharakter zu.

Wenn der Verordnungsgeber ein Anfahren der wirtschaftlichen Betätigung für vertretbar halte, müsse er vergleichbare Sachverhalte auch vergleichbar regeln, sich im Übrigen die Grundrechtspositionen potentiell Betroffener vor Augen führen und sorgsam prüfen, ob es gegenüber einem absoluten Öffnungsverbot mildere, aber gleich wirksame Mittel gebe. Dies sei vorliegend nicht gelungen. Dass es sich bei der Schließung von Outlet-Centern um eine Umsetzung entsprechender Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz handele, ändere daran nichts.

Das Gebot, Outlet-Center zu schließen, ergibt sich aus § 6 Abs. 3 der aktuellen SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung der schleswig-holsteinischen Landesregierung vom 18. April 2020.

Der Beschluss (Az. 3 MR 9/20) ist unanfechtbar.

NEU 60. Kaufhäuser von Galeria Kaufhof GmbH im Saarland bleiben geschlossen

Das OVG Saarlouis hat in einem Eilverfahren entschieden, dass die Kaufhäuser der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH im Saarland weiterhin geschlossen bleiben (OVG Saarlouis, Beschl. v. 24.04.2020 –2 B 122/20). Laut einer Pressemitteilung des Gerichts ist es nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts es nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber die Größe der Verkaufsfläche als Maßstab für den Käuferzustrom zugrunde gelegt und eine Begrenzung der zulässigen Verkaufsfläche auf 800 m² vorgenommen hat. Großflächige Einzelhandelsbetriebe, die aufgrund ihrer Größe regelmäßig ein breites Warensortiment oft zu günstigen Preisen anbieten und präsentieren könnten, seien als Einkaufsort besonders attraktiv. Ein vergleichsweise deutlich vermehrter Besucherzustrom berge eine erhöhte Ansteckungsgefahr mit dem besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren Corona-Virus in sich. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung sei nicht darin zu sehen, dass die in der Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 5 Nr. 1 bis 17 der Verordnung spezialisierten Einzelhandelsgeschäfte ohne Beschränkung der Verkaufsfläche öffnen dürften, branchenübergreifende Warenhäuser jedoch nicht. Diese Branchen seien nicht mit Warenhäusern zu vergleichen. Die angegriffene Regelung sei auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Eine Reduzierung des Warenangebots durch Verkleinerung der Verkaufsfläche und die dadurch bewirkte Leerung der Innenstädte sei ein geeignetes und erforderliches Mittel, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Für die Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Regelung spreche zudem, dass der Antragsgegner den Geltungszeitraum der Verordnung nach gegenwärtigem Stand bis zum Ablauf des 03.05.2020 begrenzt habe.

NEU 61. Erfolgloser Eilantrag gegen Ausgangsbeschränkungen in Bayern

In einer Entscheidung v. 24.04.2020 hat es der Bayerische Verfassungsgerichtshof abgelehnt, § 5 Abs. 2, 3 und 4 Satz 2 und § 7 Nr. 9 der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (2. BayIfSMV) vom 16.04.2020 (GVBl S.214) durch einstweilige Anordnung außer Vollzug zu setzen.

NEU 62. Keine Öffnungserlaubnis bei freiwilliger Beschränkung der Verkaufsräume auf 800 Quadratmeter

Das VG Ansbach hat entschieden, dass die freiwillige Beschränkung größerer Verkaufsräume auf 800 Quadratmeter nicht automatisch zu einer Öffnungserlaubnis führt (VG Ansbach, Beschl. v. 24.04.2020 und 26.04.2020 – AN 18 E 20.00745 und AN 30 S 20.00775).

NEU 63. Campingplatzbetreiber darf Speisen zum Straßenverkauf anbieten

Auch der Gastronomiebetrieb eines derzeit für touristische Zwecke geschlossenen Campingplatzes darf nach der Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz Speisen zum Straßenverkauf anbieten (VG Main, Beschl. v. 24.04.2020 – 1 L 253/20.MZ). In der Pressemitteilung des Gerichts 2/2020 heißt es weiter:

Dem Antragsteller wurde durch eine Verfügung der zuständigen Kreisverwaltung vom 8. April 2020 aufgegeben, den von ihm geführten Campingplatz (ausgenommen die Nutzung zu nicht touristischen Zwecken) einschließlich des dazugehörigen Gastronomiebetriebs einzustellen. Die Verfügung wurde u.a. damit begründet, dass die abgeholten Speisen und Getränke im Umfeld des Campingplatzes konsumiert würden; entsprechende Personenansammlungen hätten im Bereich der Anlage festgestellt werden können. Dagegen wandte sich der Campingplatzbetreiber mit einem vorläufigen Rechtsschutzantrag und machte im Kern geltend, ähnlich wie für eine Ferienwohnung müsse die Nutzung des Campingplatzes auch durch Dauercamper weiterhin erlaubt sein. Die Abgabe von Lebensmitteln erfolge auf seinem eigenen Gelände vorschriftengetreu. Das gab dem Eilantrag hinsichtlich der vollständigen Untersagung des Gastronomiebetriebs statt; keinen Erfolg hatte er, soweit die angeordnete Schließung des Campingplatzes auch für Dauercamping gelten soll.

Die auf das Infektionsschutzgesetz und die Vierte Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz gestützte Verfügung erweise sich als rechtmäßig, soweit der Antragsteller seinen Campingplatz auch privaten Dauercampern (ohne dortigen Erstwohnsitz) öffne. Die Verordnung schließe den touristischen Betrieb von Campingplätzen ausdrücklich aus. Zur effektiven Abwehr von Gefahren der Gesundheit der Bevölkerung durch COVID-19 und unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit des Campingplatzbetreibers sei die Untersagung der Nutzung der Campinganlage durch Dauercamper nicht zu beanstanden. Anders als für Ferienwohnungen lasse sich nämlich die notwendige Abgrenzung von Campern auf der Anlage nicht herstellen. Die vollständige Schließung des Gastronomiebetriebs auch hinsichtlich des Straßenverkaufs von verzehrfertigen Speisen und Getränken dürfe von dem Antragsteller hingegen nicht gefordert werden. Der Straßenverkauf sei nach der Corona-Bekämpfungsverordnung des Landes möglich. Angesichts dieser normativen Interessenbewertung könne von dem Speisenanbieter kein Verhalten verlangt werden, das auf einen Verzehr der gekauften Speisen zu Hause hinwirke. In Rheinland-Pfalz gelte keine Ausgangssperre, sondern eine Kontaktbeschränkung, die auch den Verzehr von Speisen in der Öffentlichkeit nicht grundsätzlich unterbinde. Deren Kontrolle sei auch hier Aufgabe der zuständigen Behörden.

NEU 64. Erfolgreiche Unterlassungsverfügung eines Betriebsrats gegen die Nutzung von Kameraaufnahmen zum Zwecke der Abstandsüberwachung

Das Arbeitsgericht Wesel hat mit Beschl. v. 24.04.2020 entschieden: Der Betriebsrat eines Logistik- und Versandunternehmen mit Sitz in Rheinberg, das einem internationalen Konzern angehört, kann den Arbeitgeber im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen der Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte auf Unterlassung in Anspruch nehmen. In der Presserklärung v. 24.04.2020 heißt es weiter:

Der Arbeitgeber kontrolliert anhand Bildaufnahmen der Arbeitnehmer die Einhaltung der im Rahmen der Corona Pandemie empfohlenen Sicherheitsabstände von mindestens 2 Metern im Betrieb. Dazu verwendet er die im Rahmen der betrieblichen Videoüberwachung erstellen Aufnahmen, die er auf im Ausland gelegenen Servern mittels einer Software anonymisiert.

Das Arbeitsgericht hat dem Unterlassungsanspruch des Betriebsrates teilweise stattgegeben. Hierbei ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Übermittlung der Daten ins Ausland der im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung zur Installation und Nutzung von Überwachungskameras widerspricht. Zudem hat das Gericht bei seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 und 7 BetrVG verletzt sind.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig.

NEU 65. Corona-Verkaufsflächenregelung entspricht nicht dem Gleichheitsgrundsatz

Mit Beschluss vom 27. April 2020 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) einem Antrag einer Einzelhandelsunternehmerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung stattgegeben, diese jedoch nicht außer Vollzug gesetzt (BayVGH, Beschl. v. 27.04.2020 – 20 NE 20.793).

Die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassene Verordnung untersagt in § 2 Abs. 4 und 5 landesweit den Betrieb von Einzelhandelsgeschäften. Bereits in der Vergangenheit waren jedoch einzelne Betriebe von dem Verbot freigestellt, mit Wirkung vom 20. April 2020 wurden weitere Betriebe wie z.B. Baumärkte und mit Wirkung vom 27. April 2020 zusätzliche Betriebe wie z.B. Buchhandlungen ohne Rücksicht auf die Größe der Verkaufsräume geöffnet. Gleichzeitig wurden sonstige Einzelbetriebe freigegeben, soweit deren Verkaufsräume eine Verkaufsfläche von 800 qm nicht überschreiten.

Der BayVGH hat dem Antrag im Ergebnis stattgegeben, weil die in § 2 Abs. 4 und 5 der 2.BaylfSMV getroffenen Regelungen nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei. Die Freistellung von Buchhandlungen und Fahrradhändlern ohne Begrenzung der Verkaufsfläche sei aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sachlich nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz sei zudem zu beanstanden, dass nach dem Wortlaut der Verordnung im Fall der Ladenöffnung nur sonstige Einzelhandelsbetriebe eine Begrenzung der Kundenzahl auf einen Kunden je 20 qm sicherstellen müssen, nicht aber die übrigen Einzelhändler, die bereits vor dem 27. April 2020 öffnen durften sowie Buchhandlungen, Kfz-Handel und Fahrradhandel.

Der BayVGH hat jedoch ausnahmsweise aufgrund der herrschenden Pandemienotlage und der nur kurzen Geltungsdauer der Einschränkungen (bis einschließlich 3. Mai 2020) davon abgesehen, die Bestimmungen außer Vollzug zu setzen, sondern lediglich die Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt.

Gegen den Beschluss des BayVGH gibt es keine Rechtsmittel.

NEU 66. Ladengeschäfte jeder Art über 800 qm bleiben in Sachsen-Anhalt geschlossen

Nach einer Entscheidung des OVG Magdeburg bleiben in Sachsen-Anhalt Ladengeschäfte jeder Art über 800 qm geschlossen (OVG LSA, Beschl. v. 27. April 2020 – 3 R 52/20).

In der Pressemitteilung v. 28.04.2020 heißt es:

Der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 27. April 2020 einen Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der Schließungsanordnung in § 7 der Vierten Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (4. SARS-CoV-2-EindV) abgelehnt- In dieser Regelung ist bestimmt, dass Ladengeschäfte jeder Art bis zu 800 qm Verkaufsfläche nur unter Einhaltung bestimmter Hygieneregeln und Zugangsbegrenzungen geöffnet werden dürfen. Einige Geschäftsbereiche sind von der Größenbegrenzung ausgenommen.

Die Antragstellerin ist im Einzelhandel mit Sport- und Bekleidungsartikeln tätig und betreibt im Bundesgebiet – u.a. im Land Sachsen-Anhalt – Ladengeschäfte mit einer Größe von über 800 qm.

Der Senat hat die Flächenbeschränkung für großflächige Einzelhandelsgeschäfte, die nicht bereits von der Schließung ausgenommen sind, als notwendige infektionsschutzrechtliche Schutzmaßnahme angesehen. Die Regelungen der 4. SARS-CoV-2-EindV bezweckten die fortgesetzte Eindämmung weiterer Ansteckungen mit dem Coronavirus und damit den Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer und schwerstkranker Menschen. Die Epidemie sei trotz der Verlangsamung der Infektionsketten nicht bewältigt. Es sei weiterhin wichtig, soziale Kontakte mit dem Ziel der Vermeidung von Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich zu beschränken.

Der Landesregierung komme in der unsicheren epidemischen Lage bei der Beurteilung, welche Maßnahmen sie zur Verwirklichung der Ziele für geeignet, erforderlich und angemessen halten dürfe, ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Einschätzungs- und Prognosespielraum zu. Mit der Flächenbeschränkung habe sie ihren Spielraum nicht überschritten. Die Maßnahme sei verhältnismäßig. Das Ziel, Kontakte zu meiden, könne im Einzelhandel derzeit noch nicht vollständig durch strenge Hygienemaßnahmen abgelöst werden. Bei der Entscheidung, Lockerungen im Bereich der Ladenschließungen zuzulassen, habe die Landesregierung in zulässiger Weise an das typisierende, pauschalierende Merkmal der Großflächigkeit der Ladenflächen angeknüpft. Die darin liegende Ungleichbehandlung sei gerechtfertigt, weil die Anziehungskraft eines kleineren Geschäfts im Regelfall hinter derjenigen eines großflächigen Einzelhandelsgeschäfts zurückbleiben dürfte. Die Öffnung von Einzelhandelsgeschäften bis zu 800 qm führe zudem zu einer Verbesserung der wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung, so dass gerade im Flächenland Sachsen-Anhalt eine gemäßigte Wiederbelebung des Einzelhandels erreicht werde. Besucherströme insbesondere aus dem ländlichen Raum, die vom großflächigen Einzelhandel hervorgerufen würden, könnten hierdurch in wesentlichen Teilen begrenzt werden. Es komme nicht maßgeblich darauf an, ob und inwieweit sich infektionshygienische Maßnahmen in einem großflächigen Verkaufsraum zumindest mit dem gleichen Sicherheitsniveau wie bei Geschäften mit einer Verkaufsfläche von weniger als 800 qm durchführen ließen. Mit der Entscheidung, den Buchhandel sowie den Fahrrad- und Kfz-Handel von der Flächenbegrenzung auszunehmen, habe die Landesregierung nicht willkürlich gehandelt. Dem Buchhandel komme zur Wahrung der Informations-, Presse- und Wissenschaftsfreiheit sowie zur Deckung des schulischen Bedarfs, und dem Fahrrad- und Kfz-Handel zur Sicherung der Mobilität der Bevölkerung ein besonderer Versorgungsauftrag zu.

Der Beschluss ist  nicht anfechtbar.

Das OVG Lüneburg hat ebenfalls entschieden, dass eine Außervollzugsetzung der 800-qm-Flächenbeschränkung für Einzelhandelsgeschäfte nicht in Betracht komme (OVG Lüneburg, Beschl. v. 27.04.2020 – 13 MN 98/20).

Anders aber das OVG Saarlouis! Danach darf eine Möbelhauskette auch auf mehr als 800 qm öffnen (OVG Saarlouis, Beschl. v. 27.04.2020 – 2 B 143/20). Nach dem Eilentscheid des OVG Saarlouis gilt: Die Einrichtungs- und Möbelhäuser der Möbel Martin GmbH sind unter Gleichheitsgesichtspunkten nach der Corona-Verordnung nicht als auf eine Verkaufsfläche von 800 qm begrenzte Geschäfte des Einzelhandels zu behandeln. Die Möbelmärkte der Antragstellerin dürfen daher vorläufig ohne entsprechende Begrenzung ihrer Verkaufsfläche wieder öffnen.

NEU 67. Maskenpflicht in Rheinland-Pfalz rechtmäßig

Das Verwaltungsgericht (VG) Mainz hat die sog. Maskenpflicht in Rheinland-Pfalz als rechtmäßig eingestuft (VG Mainz, Beschl. v. 28.04.2020 – 1 L 276/20.MZ). In der Pressemitteilung 3/2020 heißt es:

Die Pflicht zur Tragung einer Mund-Nasen-Bedeckung beim Einkaufen und bei der Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs nach der aktuellen rheinland-pfälzischen Corona-Bekämpfungsverordnung vom 24. April 2020 ist unter Berücksichtigung der Grundrechte jedes Einzelnen derzeit als gerechtfertigt anzusehen. Die Maskenpflicht verfolge den legitimen Zweck, eine Überlastung des Gesundheitssystems durch die COVID-19 Pandemie zu verhindern. Neben anderen Maßnahmen sollen mit der Pflicht zum Tragen einer (Alltags-)Maske im Rahmen der schrittweisen Aufhebung von Beschränkungen neue Ansteckungen möglichst vermieden werden. Der Verordnungsgeber habe insoweit seinen Einschätzungsspielraum nach aktueller Erkenntnislage nicht überschritten. Die Antragstellerin habe demgegenüber keine zuverlässigen Anhaltspunkte für allgemeine Gesundheitsgefahren durch das Tragen von Gesichtsmasken geltend machen können. Dies entschied das Verwaltungsgericht Mainz.

Das VG Hamburg hat mit am 28.04.2020 veröffentlichtem Beschluss ebenfalls einen Eilantrag abgelehnt, mit dem sich zwei Privatpersonen gegen ihre Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Hamburg gewandt haben (VG Hamburg, Beschl. v. 28.04.2020 – 10 E 1784/20).

NEU 68. Vorläufige Eröffnung der Möglichkeit, auf Antrag im Einzelfall Ausnahmen vom generellen Verbot von Gottesdiensten in Kirchen, Moscheen und Synagogen zuzulassen

Das Bundesverfassungsgerichts sieht zunehmend rechtliche Schwierigkeiten bei der strikten Umsetzung der durch Entscheidungen der Bundesländer erlassenen Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus (BVerfG, Beschl. v. 29.04.2020 – 1 BvQ 44/20). In der Pressemitteilung Nr. 28a/2020 vom 29. April 2020 heißt es:

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heutigem Beschluss das Verbot von Gottesdiensten in Kirchen, Moscheen und Synagogen sowie von Zusammenkünften anderer Glaubensgemeinschaften zur gemeinsamen Religionsausübung nach der Corona-Verordnung des Landes Niedersachsen im Wege der einstweiligen Anordnung insoweit vorläufig außer Vollzug gesetzt, als danach ausgeschlossen ist, auf Antrag im Einzelfall Ausnahmen von dem Verbot zuzulassen.

Sachverhalt:

Der Antragsteller, ein eingetragener Verein mit rund 1300 Mitgliedern, beabsichtigt, insbesondere in den noch ausstehenden Wochen des Fastenmonats Ramadan das Freitagsgebet in der von ihm genutzten Moschee durchzuführen. Er hat beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eine Normenkontrollklage mit dem Ziel eingelegt, das in der niedersächsischen Corona-Verordnung enthaltene Verbot von Gottesdiensten insoweit für ungültig zu erklären, als die für Verkaufsstellen und Ladengeschäfte geltenden Schutzvorkehrungen eingehalten werden.

Den mit der Normenkontrollklage verbundenen Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des Verbots lehnte das Oberverwaltungsgericht ab. Zwar stelle das ausnahmslose Verbot des gemeinsamen Freitagsgebets im Fastenmonat Ramadan einen überaus schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Glaubensfreiheit dar. Dem Freitagsgebet komme insbesondere in dieser Zeit eine zentrale liturgische Bedeutung zu. Das Verbot sei jedoch zur Vermeidung von Infektionen weiterhin erforderlich. Das Gefährdungspotenzial von Gottesdiensten sei wesentlich höher als bei Einkäufen in Verkaufsstellen und Ladengeschäften. Im Unterschied zu Einkäufen seien Gottesdienste durch gezielte, auf längere Dauer ausgerichtete gemeinsame Aktivitäten geprägt, bei denen insbesondere wegen der Gleichzeitigkeit von Gebeten und Gesängen mit einem hohen Virenausstoß zu rechnen sei.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die Kammer hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in dem oben genannten Umfang stattgegeben. Einstweiliger Rechtsschutz ist zu gewähren, weil ein Abwarten bis zum Abschluss eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens die vom Antragsteller vor allem erstrebte Durchführung von Freitagsgebeten während des Fastenmonats Ramadan mit hoher Wahrscheinlichkeit vereiteln und ihm auf lange Zeit das gemeinsame Beten als eine wesentliche Form der Ausübung seiner Religion unmöglich machen würde, obwohl eine Verfassungsbeschwerde gegen den Ablehnungsbeschluss des Oberverwaltungsgerichts voraussichtlich Erfolg hätte.

Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die Gefährdungslage bei Einkäufen und Gottesdiensten unterschiedlich zu beurteilen sein kann. Aus dem Vorbringen des Antragstellers selbst ergibt sich, dass die Einschätzung des Risikos von Infektionen durch Kontakte zwischen Personen bei der Veranstaltung von Gottesdiensten in Moscheen in größerem Umfang von den konkreten Umständen des Einzelfalles etwa hinsichtlich der Größe und Struktur der jeweiligen Glaubensgemeinschaft abhängt als bei der Erledigung von Einkäufen in Verkaufsstellen. So weist er etwa darauf hin, dass es auf die jeweils vertretene Lehre ankomme, ob beim Freitagsgebet gesungen und das Gemeinschaftsgebet von allen Gläubigen laut gesprochen werde. Außerdem macht er für seinen Fall geltend, dass ihm die Mitglieder seiner Gemeinde bekannt seien, was es ihm ermögliche, diese individuell zu jeweils einem Freitagsgebet einzuladen, wodurch Warteschlangen vor der Moschee vermieden werden könnten.

Jedoch ist mit Blick auf den schwerwiegenden Eingriff in die Glaubensfreiheit, den das Verbot von Gottesdiensten in Moscheen nach dem Vorbringen des Antragstellers jedenfalls insoweit bedeutet, als auch Freitagsgebete während des Fastenmonats Ramadan erfasst sind, kaum vertretbar, dass die Verordnung keine Möglichkeit für eine ausnahmsweise Zulassung solcher Gottesdienste in Einzelfällen eröffnet, in denen bei umfassender Würdigung der konkreten Umstände – eventuell unter Hinzuziehung der zuständigen Gesundheitsbehörde – eine relevante Erhöhung der Infektionsgefahr zuverlässig verneint werden kann. Das gilt jedenfalls angesichts der derzeitigen Gefahrensituation und der sich hieran anschließenden aktuellen Strategie zur Bekämpfung der epidemiologischen Gefahren. Es ist nicht erkennbar, dass eine einzelfallbezogene positive Einschätzung in keinem Fall erfolgen kann. Das Vorbringen des Antragstellers macht deutlich, welche Möglichkeiten insoweit in Betracht kommen. Er weist darauf hin, dass in den von ihm durchgeführten Freitagsgebeten nicht gesungen werde und beim Gemeinschaftsgebet nur der Imam laut vorbete. Als Schutzvorkehrungen werden angeboten eine Pflicht der Gläubigen zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz, die Markierung derjenigen Stellen in der Moschee, welche die Gläubigen zum Gebet einnehmen können und eine Vergrößerung des Sicherheitsabstands gegenüber den für Verkaufsstellen geltenden Vorgaben um das Vierfache, um eine gegenüber der Einkaufssituation erhöhte Infektionsgefahr durch das längere Beisammensein einer größeren Personengruppe zu vermeiden. Auch habe er nach Rücksprache mit den zuständigen theologischen Instanzen die Genehmigung erhalten, in der von ihm genutzten Moschee mehrere Freitagsgebete durchzuführen und damit die einzelnen Veranstaltungen klein zu halten.

Bei einem Antrag auf ausnahmsweise Zulassung von Gottesdiensten, wie er nunmehr auch vom Antragsteller eingelegt werden kann, ist maßgeblich für die Risikoeinschätzung das Gewicht des mit dem Verbot verbundenen Eingriffs in die Glaubensfreiheit, das hier insbesondere hinsichtlich des Freitagsgebets im Fastenmonat Ramadan besonders groß ist, aber auf der anderen Seite unter anderem auch die Möglichkeit, die Einhaltung von Auflagen und Beschränkungen effektiv kontrollieren zu können, die örtlichen Gegebenheiten sowie Struktur und Größe der jeweiligen Glaubensgemeinschaft und nicht zuletzt die – gegebenenfalls auch auf die Region bezogene – aktuelle Einschätzung der von sozialen Kontakten ausgehenden Gefährdungen für Leib und Leben.

Die Kammer weist abschließend darauf hin, dass Gegenstand des Beschlusses allein die Frage einer vorläufigen ausnahmsweisen Zulassung von Gottesdiensten auf der Grundlage der spezifisch dazu vorgetragenen und im gerichtlichen Verfahren erörterten konkreten Umstände ist.

NEU 69. VG Hamburg bestätigt das Verbot der Versammlung der Partei Die Rechte am 1. Mai 2020

Das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg bestätigt das Verbot der Versammlung einer Partei am 01.05.2020 (VG Hamburg, Beschl. v. 29.04.2020 – 11 E 1790/20). In der Pressemittelung des Gerichts v. 29.04.2020, 17:30 Uhr heißt es:

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom heutigen Tag einen auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Durchführung einer Versammlung der Partei Die Rechte gerichteten Eilantrag abgelehnt (11 E 1790/20). (…) Die Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus untersagt aus Gründen des Infektionsschutzes u.a. Versammlungen unter freiem Himmel. Ausnahmen von diesem Verbot sind zuzulassen, sofern dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.

Der Antragsteller meldete für den 1. Mai 2020 in der Zeit von 14.00 bis 16.00 Uhr eine Versammlung mit dem Titel Zuwanderung bewirkt Sozialabbau: Gegen die rote und die goldene Internationale – heraus zum 1. Mai!” in Hamburg-Harburg an. Die Freie und Hansestadt Hamburg lehnte die von ihm beantragte Erteilung einer Ausnahmegenehmigung auf der Grundlage der Coronavirus-Eindämmungsverordnung ab. Den hiergegen gerichteten Eilantrag des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht abgelehnt.

Nach Auffassung der für dieses Verfahren zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Vereinbarkeit des generellen Versammlungsverbots mit der Versammlungsfreiheit, zumal die Coronavirus-Eindämmungsverordnung die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung inzwischen nicht mehr in das Ermessen der Versammlungsbehörde stellt.  Der Antragsteller hat das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Durchführung der von ihm beabsichtigten Versammlung auch nicht in dem erforderlichen Maße glaubhaft gemacht. Die Durchführung der Versammlung ist nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus infektionsschutzrechtlicher Sicht nicht vertretbar. Auch wenn der Antragsteller lediglich mit 25 Versammlungsteilnehmern rechnet, ist nach derzeitiger Sachlage zu vermuten, dass die tatsächliche Anzahl der Teilnehmer die bisher von dem Antragsteller in Aussicht gestellte Höchstanzahl deutlich übersteigen dürfte. Der Antragsteller hat die Versammlung selbst im Internet als auch mit Flyern ohne Hinweis auf die Beschränkung der Teilnehmerzahl beworben. Unabhängig von der Zahl der an der Versammlung des Antragstellers teilnehmenden Personen dürfte gegen die Annahme, dass die geplante Versammlung aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist, auch das Verhalten Dritter sprechen, die die Versammlung des Antragstellers möglicherweise als Provokation empfinden und die Konfrontation mit den Teilnehmern der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung oder der die Versammlung abschirmenden Polizei suchen würden.

Gegen die Entscheidung kann der Antragsteller Beschwerde bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht erheben.

NEU 70. 800 m²-Regelung für die Wiedereröffnung von Einzelhandelsgeschäften gebilligt

Das OVG Berlin-Brandenburg billigt die 800 m²-Regelung für die Wiedereröffnung von Einzelhandelsgeschäften (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.04.2020 – OVG 11 S 28/20, v. 29.04.2020 – OVG 11 S 30.20 u. OVG 11 S 31.20 ). In der Pressemitteilung 19/20 v. 29.04.2020 heißt es:

Der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat in drei Verfahren die vorläufige Außervollzugsetzung der SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung des Landes Brandenburg abgelehnt, soweit danach Verkaufsstellen des Einzelhandels mit einer Verkaufsfläche über 800 m² für den Publikumsverkehr zu schließen sind, es sei denn, sie reduzieren ihre zugängliche Verkaufsfläche auf bis zu 800 m².

Die Antragstellerinnen, ein Möbelhauskonzern, ein Warenhauskonzern und ein Anbieter von Sport- und Bekleidungsartikeln, hatten unter anderem geltend gemacht, die Begrenzung der Verkaufsfläche sei infektionsschutzrechtlich nicht gerechtfertigt und sie würden gegenüber sogenannten privilegierten Einzelhandelsbetrieben wie dem Buchhandel, dem Fahrrad- und dem Kfz-Handel, für die die Begrenzung der Verkaufsfläche nicht gelte, gleichheitswidrig benachteiligt.

Der 11. Senat ist den Einwänden der Antragstellerinnen nicht gefolgt. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung des Verordnungsgebers, die Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen schrittweise vorzunehmen und dabei zunächst kleinere Geschäfte wieder zu öffnen, angesichts der vom Robert-Koch-Institut nach wie vor angenommenen hohen Gefährdungslage rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die von den Antragstellerinnen angegriffene Verkaufsflächenbegrenzung sei ein sachgerechtes Kriterium. Es sei prinzipiell davon auszugehen, dass die erforderlichen Hygienemaßnahmen in kleineren Geschäften mit weniger Kunden leichter gewährleistet werden könnten. Demgegenüber komme es nicht darauf an, ob gerade die Antragstellerinnen in der Lage seien, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, denn dies könne nicht ohne weiteres für sämtliche großflächigen Einzelhandelsgeschäfte angenommen werden. Der Verordnungsgeber habe insoweit auch keine weiter differenzierenden Regelungen treffen müssen. Vielmehr komme es darauf an, dass die Regelungen klar und einfach handhabbar seien, um ihre Akzeptanz in der Bevölkerung und damit ihren Erfolg zu gewährleisten. Die sogenannten privilegierten Geschäfte, die sich an die Flächenbegrenzung nicht halten müssen, würden nicht gleichheitswidrig bevorzugt, denn sie dienten der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Lebens, der Kfz- und Fahrradhandel der Aufrechterhaltung der Mobilität und Buchhandelsgeschäfte der Informationsgewinnung und Bildung der Bevölkerung. Schließlich würden die von den Antragstellerinnen angegriffenen Beschränkungen auch nicht unverhältnismäßig in deren Grundrechte eingreifen. Angesichts der gegenwärtigen Pandemiesituation sei der Schutz von Leben und Gesundheit höher zu bewerten als das Interesse der Antragstellerinnen, vor weiteren massiven wirtschaftlichen Verlusten einstweilen bewahrt zu werden.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

Ebenso VGH Kassel , Beschluss vom 28.04.2020 – 8 B 1039/20.N [Galeria-Kaufhof GmbH]

NEU 71. Saarländischer Verfassungsgerichtshof setzt Teile der Corona-Pandemie-Regelungen außer Kraft

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes (VerfGH Saarland) hat entschieden (VerfGH Saarland, Beschl. v. 28.04.2020 – LV 7/20):

§ 2 Abs. 3 der Rechtsverordnung der Landesregierung vom 16. April 2020 (Amtsbl. I, S. 358) in der Fassung der Neubekanntmachung vom 17. April 2020 (Amtsbl. I, S. 362 B11) wird mit folgender Maßgabe bis zu einer Neuregelung teilweise außer Vollzug gesetzt:

Das Verlassen der eigenen Wohnung ist auch über die in § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 der Verordnung genannten Besuche hinaus erlaubt, wenn es einer Zusammenkunft von Eheleuten, Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern, Verwandten in gerader Linie sowie Geschwistern und Geschwisterkindern oder in häuslicher Gemeinschaft miteinander lebenden Personen zuzüglich maximal einer weiteren Person außerhalb des öffentlichen Raumes dient, wenn dabei die Vorgaben, die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung für den öffentlichen Raum gelten, eingehalten werden.

Das Verweilen im öffentlichen Raum ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung erlaubt.

Das Verlassen der eigenen Wohnung ist aus den Gründen des § 2 Abs. 3 der Verordnung erlaubt, ohne dass es der Glaubhaftmachung bedarf.

Diese Entscheidung ist im Amtsblatt des Saarlandes zu veröffentlichen.

Im Übrigen hält der VerfGH Folgendes fest:

1. Eingriffe in das Grundrecht der Freiheit der Person – wie Ausgangsbeschränkungen – bedürfen einer begleitenden Rechtfertigungskontrolle. Je länger sie wirken, desto höher müssen die Anforderungen an ihre Begründung und an ihre Kohärenz mit anderen Regelungen des Zusammentreffens von Menschen sein.

2. Das Grundrecht auf Schutz der Familie schützt auch die Begegnung mit Angehörigen einer Familie, die nicht dem eigenen Haushalt angehören.

3. Die Ausübung eines Grundrechts ist nicht rechtfertigungsbedürftig. Vielmehr bedarf seine Einschränkung der Rechtfertigung, die zwischen der Tiefe des Eingriffs einerseits und dem Ausmaß und der Wahrscheinlichkeit der drohenden Gefahr, zu deren Abwendung die Einschränkung erfolgt, nachvollziehbar abwägen muss.

4. Der Exekutive kommt bei ihrer Gefahrenprognose ein grundsätzlich weiter Einschätzungsspielraum zu. Mit zunehmender Dauer der Grundrechtsbeschränkung bedarf es indessen einer immer tragfähigeren tatsachengestützten Begründung von Risiken, die durch eine Aufhebung der konkreten Form der Ausgangsbeschränkung befürchtet werden. Reine Vermutungen genügen dazu ebenso wenig wie die Feststellung, dass sich weiterhin Neuinfektionen ereignen. Dabei muss auch die Wahrnehmung der Einschätzungsprärogative durch die Regierungen anderer Bundesländer in Erwägung gezogen werden.

5. Es stellt keine konsistente Regelung der Ausübung des Grundrechts der Freiheit der Person dar, wenn die Begegnung von Angehörigen im öffentlichen Raum unter Wahrung des Abstandsgebots gestattet wird, jene im privaten indessen nicht.

6. Ist die Bewegung im Freien unter Wahrung des Abstandsgebots nicht verboten, sind keine Gründe zu erkennen, das Verweilen im Freien unter den gleichen Bedingungen zu untersagen.

7. Die irreversiblen Folgen einer uneingeschränkten Fortdauer des Eingriffs in das Grundrecht der Freiheit der Person haben bei Abwägung mit den möglichen Folgen ihrer teilweisen, auf den familiären Bereich beschränkten Aussetzung angesichts der relativen Entwicklung der Infektionszahlen im Verhältnis zur Einwohnerzahl von grenznahen Bundesländern mit und ohne Ausgangsbeschränkung und angesichts vorliegender Studien zu ihrer Wirkungsweise im Vergleich zu anderen bereits teilweise aufgehobenen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung sowie angesichts der Inkonsistenz der Regelungen höheres Gewicht.

 

 

TV Schwerin/ETL Rechtsanwälte/PSM.Media, 04.05.2020, Foto & © Screenshot Youtube- Demonstration in Schwerin gegen Corona-Maßnahmen