“Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Die Corona-Pandemie ist die größte Herausforderung unserer Generation, und sie ist in allererster Linie eine Gesundheitskrise. Ich wende mich deshalb an dieser Stelle auch im Namen der Bundesregierung noch mal an alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.
Wir haben Maßnahmen ergriffen im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Wir haben unser Gesundheitssystem ertüchtigt. Aber alle Maßnahmen des Staates werden nicht ausreichen, wenn in dieser Zeit − das sage ich auch angesichts der steigenden Infektionszahlen vom heutigen Tag − nicht alle Bürgerinnen und Bürger ihr Möglichstes tun, um mitzuhelfen, die Gesundheit ihrer Mitmenschen und ihre eigene Gesundheit zu schützen. Dazu gehört es, sich an die bekannten Regeln zu halten, aber auch, wo immer es verantwortbar und möglich ist, soziale Kontakte zu unterbrechen. Wir müssen und wir werden alles tun, was staatlich möglich ist, um dieses Land in schwierigen Zeiten durch diese Gesundheitskrise zu führen.
Ich weiß aber gleichzeitig − das sage ich auch an die Adresse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes −, dass sich viele Menschen angesichts der Tatsache, dass die Coronakrise nicht nur eine Gesundheitskrise, sondern in der Folge auch eine Weltwirtschaftskrise ist, in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht Sorgen machen. Ich will Ihnen deshalb versichern, dass die Bundesregierung, dass auch dieser Deutsche Bundestag alles, was möglich ist, tut, um den Menschen neben den Ängsten, die sie um ihre Gesundheit und um die ihrer Angehörigen haben, ihre Sorgen um die wirtschaftlichen und sozialen Nöte von den Schultern zu nehmen. Das, was wir machen, ist genau das.
Unsere soziale Marktwirtschaft und unser Sozialstaat mit seinen starken Ressourcen sind wie in keinem anderen Land der Welt ein starker Schutzschild für die Menschen, und darauf ist in der Krise Verlass und auch darüber hinaus. Ich war kürzlich zu Gast − digital − auf einer Konferenz einer amerikanischen Universität. In den USA macht inzwischen ein deutscher Begriff Karriere. Wie früher der schöne Begriff “Kindergarten” ein Lehnwort im Amerikanischen geworden ist, ist “the Kurzarbeitergeld” inzwischen auch im amerikanischen Diskurs angekommen. Es ist zugegebenermaßen ein sperriges Wort, aber ein wirksames Konzept.
Mit den Instrumenten und Mitteln der Kurzarbeit ist es im Verlauf der Krise gelungen, die Folgen dieser tiefsten Wirtschaftskrise unserer Generation am Arbeitsmarkt unter Kontrolle zu bringen. Die Arbeitslosenquote, ja, liegt auch in Deutschland bei sechs Prozent. Sie ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 Prozentpunkte gestiegen. Aber wir wissen, dass wir, wie wenige Staaten auf der Welt auch, mit den Instrumenten der Kurzarbeit vor allen Dingen eines getan haben, nämlich Arbeitsplätze in der Krise zu sichern.
Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: Die Kurzarbeit ist im Moment unsere stabilste Brücke über ein tiefes wirtschaftliches Tal. Während der ersten Welle im April waren circa sechs Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland in Kurzarbeit. Das entspricht sage und schreibe 18 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland. Nach aktuellen Zahlen − die letzten abgerechneten sind aus dem August − waren immerhin noch 2,6 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Aber wir haben in den letzten Tagen zu registrieren, dass die Anzeigen in dieser Herbst- und Winterzeit in der Pandemie wieder steigen.
Ich bin deshalb froh und dankbar, dass wir heute mit der Verabschiedung des Beschäftigungssicherungsgesetzes weitere pandemiebedingte Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld bis Ende des Jahres 2021 rechtzeitig verlängern und weitere Anreize für Qualifizierung während der Kurzarbeit schaffen. Die Krise ist noch nicht vorbei, und deshalb ist es gut und richtig − meine Bitte an Sie als Parlamentarier ist, das heute auch zu beschließen −, dass wir diese wichtige Brücke der Kurzarbeit in das Jahr 2021 verlängern.
Ich sage an dieser Stelle auch sehr deutlich: Keine Frage, die Kurzarbeit ist sehr, sehr teuer. Wir haben allein in diesem Jahr ungefähr schon 18 Milliarden Euro für das Instrument der Kurzarbeit eingesetzt. Aber die Gewöhnung an Massenarbeitslosigkeit wäre finanziell und sozial für dieses Land ungemein teurer. Es ist gut investiertes Geld in diesem Sinne.
Es hilft auch bei der Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Es ist nicht nur gut für die Beschäftigten und für die Unternehmen, sondern es ist gut für unsere gesamte Volkswirtschaft, dass wir dieses Instrument haben. Es ist auch gut für die Unternehmen in diesem Land. Denn wir werden diese Krise überwinden. Dann ist es gut, dass die Wirtschaft mit guten Fachkräften auch wieder durchstarten kann. Deshalb geht an dieser Stelle mein Appell auch an die Unternehmen in Deutschland: Nutzen Sie, wenn es notwendig ist, dieses Instrument. Es ist besser, Arbeit zu finanzieren als Arbeitslosigkeit. Sie werden die Fachkräfte in Ihren Branchen nach der Krise brauchen. Deshalb ist das Gebot der Stunde für die Unternehmerinnen und Unternehmer, für die Unternehmen in Deutschland, in diesen schwierigen Zeiten alles zu tun, um ihrer Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten gerecht zu werden. Aber es ist auch im Interesse unternehmerischer Vernunft besser, die Leute jetzt an Bord zu halten, als sie massenhaft zu entlassen. Wir helfen Ihnen als Staat; aber nutzen Sie das Instrument auch.
Mein Appell an die Unternehmen in diesem Land ist auch: Da, wo wir erleben, dass die Corona-Pandemie den Strukturwandel in Wirtschaft und Arbeitswelt beschleunigt, wo immer es möglich ist, Kurzarbeit mit Qualifizierung zu verbinden, setzen wir Anreize. Wir haben mit dem Arbeit-von-morgen-Gesetz weitere Instrumente geschaffen, um vor allen Dingen kleinen und mittelständischen Unternehmen, aber auch großen zu helfen, dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten von heute die Chance haben, die Arbeit von morgen zu machen.
Was ich nicht erleben will, ist, dass nach der Krise, nach Massenentlassungen, dann über Fachkräftemangel gejammert wird. Deshalb ist es notwendig, jetzt auszubilden, trotz und gerade in dieser Krise. Aber es ist auch notwendig, wo immer es geht, weiterzubilden, damit wir die Fachkräfte von morgen auch zur Verfügung haben. Wir haben doch in den 20er Jahren einen großen demografischen Wandel am Arbeitsmarkt, wir haben den digitalen Wandel und wir haben den ökologischen Wandel unserer Industriegesellschaft vor der Brust − all das in kürzerer Zeit. Deshalb ist es richtig, jetzt Kurzarbeit mit Weiterbildung zu verbinden.
Ich habe mich an die Bevölkerung gewandt, an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, an die Unternehmen. Ich möchte mich zum Schluss auch einmal an die Beschäftigten der Bundesagentur und der Jobcenter wenden. Das sind Menschen, die Unglaubliches leisten, und zwar seit längerer Zeit, und die weiter gefordert sind. Im Namen der Bundesregierung − ich denke, auch im Namen der meisten Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus − möchte ich mich ganz, ganz herzlich bei denen bedanken, die jetzt den Unternehmen und den Beschäftigten in den Jobcentern und bei der Bundesagentur helfen. Das sind Leute, die wirklich Großes leisten und die zeigen, dass in diesem Land die Menschen sich in schwierigen Zeiten auf unseren Sozialstaat in unserer Demokratie verlassen können.
Ganz herzlichen Dank.”
Das Beschäftigungssicherungsgesetz wird nun im parlamentarischen Verfahren behandelt. Es soll gemeinsam mit den beiden Verordnungen am 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/ Deutscher Bundestag, 23.11.2020, Foto: Hubertus Heil © Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)