Mexiko bietet den Verzweifelten eine neue Zukunft

Mexiko bietet den Verzweifelten eine neue Zukunft

Veröffentlicht von PSM.Media

Der Corona-Exodus

Durch seine sehr lockere Lockdown-Politik bietet Mexiko eine neue Heimat für europäische: Corona-Flüchtlinge

Hier ihr Bericht:

Der Lufthansa-Flieger von Frankfurt nach Cancun war rappelvoll, bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Flugtickets waren entsprechend teuer. Inzwischen gibt es im Februar 2021 Economy-Plätze in Richtung Mexiko nur noch zu Preisen, zu denen man im vergangenen Jahr 2020 noch Business fliegen konnte. Im Flugzeug überdurchschnittlich viele Familien mit kleinen Kindern, aber auch junge Menschen, Studenten, die zurzeit in der EU nicht studieren können und die das Online-Studium lieber am Traumstrand unter Palmen absolvieren. Jede Krise hat Verlierer und Gewinner. Mexiko, ein Land, in das man derzeit noch praktisch ohne Einschränkungen einreisen kann, sogar ohne Test, und seit Monaten einreisen konnte, gehört eindeutig zu den Gewinnern.

Vor allem der Tourismus boomt, von rückläufigen Buchungen keine Spur, so berichten die Tourismusbehörden im Land. Benjamin Jiménez Hernández, Executive Director of Strategic Planning of the Council for the Promotion of Tourism in Quintana Roo (Consejo de Promoción Turística de Quintana Roo CPTQ, CPTQ), erklärte, dass er in Februar und März 1.700.000 Touristen erwartet, einzig für die Riviera Maya, und die Flüge seien zu 79 Prozent ausgelastet.

Auch die meisten Hotels sind gut gebucht und private Wohnungen und Häuser meist über Monate ausgebucht. Das gilt für viele Regionen im Land, für Puerto Vallarta am Pazifik, für Mexiko City, aber auch für die Riviera Maya. Es sind auffällig viele Europäer im Land, aber auch Amerikaner, Australier und Bürger aus Israel. Eine bunte Gesellschaft internationaler Bürger, die eines gemeinsam haben — sie sind vor den Lockdowns geflüchtet.

Ich habe Familien aus Köln getroffen, die mit ihren Kindern nur wenige Monate bleiben wollten und von hier aus dann tatsächlich alles in Köln abgebrochen haben und in Mexiko bleiben möchten. Freunde und Verwandte verkaufen gerade in Köln den Hausrat, und sie haben eine permanente Bleibe an der Pazifikküste gefunden.

„Wir möchten, dass unsere Kinder in Freiheit mit Liebe und Freude aufwachsen.

Hier haben die Menschen weniger Geld, aber sie tanzen auf der Straße, sie strahlen Lebensfreude aus, und es werden nur in sehr wenigen Bereichen Masken getragen, alles ist geöffnet, Restaurants und Geschäfte, und wenn wir traurig sind, dann gehen wir an den Strand.

Die Gemeinsamkeit, die wir in Deutschland in letzter Zeit so vermisst haben, ist hier noch vorhanden. Man hilft sich gegenseitig, man umarmt und küsst sich, wir tanzen Salsa und Merengue auf der Straße, und dann macht ein Nachbar Tacos, die essen wir, während wir am Straßenrand sitzen, und die Hühner und Hunde laufen um uns herum. Von Corona merken wir hier gar nichts.“

Ich erzähle einem Mitarbeiter einer Behörde, dass in westlichen Medien über Corona-Kranke berichtet wird, die in überfüllten Krankenhäusern in den Gängen liegen müssen. Er schüttelt den Kopf und lacht: „Und wo bitte soll das sein? Schauen Sie sich doch unsere Krankenhäuser an, wo bitte sind sie überfüllt?“ Tatsächlich habe ich in einem Krankenhaus nachgefragt: Es war leer, sehr sauber und ordentlich, und ein Pförtner teilte mir mit, dass das Krankenhaus nur für schwere Fälle da sei, und die gäbe es kaum, zumindest jetzt nicht. Auch an der Riviera Maya ist die Situation sehr entspannt und schön.

Volle Restaurants, in denen man unbedingt reservieren muss, Konzerte, jeden Abend Livemusik in den Touristenorten Cancun und Playa del Carmen. „Es war noch nie so voll“, freut sich ein Restaurantinhaber, „das ist mein bestes Jahr.“ Am Strand treffe ich eine deutsche Familie mit zwei Kindern.

„Wir sind seit drei Monaten hier, und wir werden wohl auch noch länger bleiben. Gerade versuchen wir hier Arbeit zu organisieren. Meine Frau kann hervorragend kochen, vielleicht bekommt sie einen Job in einem Restaurant. Sicher müssen wir uns hier finanziell einschränken, aber schauen Sie sich um, hier sind wir frei, die Kinder toben am Strand, spielen mit anderen Kindern in der Natur, dafür machen wir das alles.

Deutschland ist am Ende, dort gibt es für uns keine Perspektive mehr, und es wird nicht besser werden.

Dann gibt es auch noch die normalen Urlauber, die zwei, drei Wochen bleiben, darunter auch viele Mitarbeiter von Behörden, auch aus Deutschland, und auch Prominente, Künstler und Menschen mit Geld, die in den Luxushotels absteigen.“

In vielen Orten der Riviera Maya wird gebaut, als gäbe es keinerlei Krise; Wohnungen ohne Ende werden in kurzer Zeit aus dem Boden gestampft, vor allem in Playa del Carmen und in Tulum. Abends auf den Straßen hört man vor allem Deutsch, Französisch, aber auch Niederländisch und sehr viel Italienisch und Spanisch. Es scheint fast so, als würde Europa gerade auswandern.

„Wir sind Corona-Flüchtlinge aus Europa“, so wird gewitzelt, doch gleichzeitig gibt es auch viele ernste Gespräche. Wie kann es sein, dass in Europa ein totaler Lockdown herrscht und man hier davon kaum etwas merkt? Irgendetwas stimmt nicht, da sind sich viele einig. Einig ist man sich auch darin, dass die derzeitige Situation in der EU ganz Europa sehr schadet, vor allem ist das Vertrauen weg.

Deutschland galt einmal als Vorzeigeland, und jetzt sind sogar die Mexikaner davon überzeugt, dass man dort lieber gar nicht hinsollte. Es steigert auch das eigene Selbstbewusstsein. Viva Mexiko, das schönste Land auf Erden, da wo die Flüchtlinge aus der EU offensichtlich alle hinwollen und dafür bereit sind, auf vieles zu verzichten, einzig und alleine dafür, dass sie wieder leben dürfen.

Über die Autorin Ullrich Mies:

Sie ist Sozial- und Politikwissenschaftler. Er studierte in Duisburg und Kingston/Jamaica. Seine Interessenschwerpunkte sind internationale politische Konflikte, organisierte Friedlosigkeit, Staatsterrorismus, Neoliberalismus, Demokratieerosion, Kapitalismus- und Militarismuskritik sowie die Erhaltung der Biodiversität. Er ist seit 1994 selbständig und lebt seit 30 Jahren in den Niederlanden. Er schreibt für Rubikon, die Neue Rheinische Zeitung, Neue Debatte und viele andere mehr. 2017 erschien von ihm und Jens Wernicke als Herausgeber „Fassadendemokratie und Tiefer Staat: Auf dem Weg in ein autoritäres Zeitalter“, 2019 als alleiniger Herausgeber das Buch „Der tiefe Staat schlägt zu: Wie die westliche Welt Krisen erzeugt und Kriege vorbereitet“ und 2020 das Buch „MegaManipulation: Ideologische Konditionierung in der Fassadendemokratie“.

 

Initiative zur Demokratisierung der Meinungsbildung gGmbH/Ullrich Mies, 13.02.2021, Foto: Systembild für Freiheit © Anna Travel Guru