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Unterschiedliche Auffassungen zur Pandemie

Veröffentlicht von PSM.Media

Die Hygiene-Extremisten

Die Linke agiert mit ihrem „ZeroCovid“-Programm als Hilfstruppe einer autoritären Entdemokratisierungsagenda. Exklusivabdruck aus „Die Schockstrategie geht weiter“.

Die „Linke“ — radikale Opposition und konsequente Kämpferin gegen das Sterben?

Die parlamentarische Linke hatte ja den Lockdown-Maßnahmen zugestimmt. Die außerparlamentarische Linke — „über alle Differenzen hinweg eint sie das Schweigen, die Abwesenheit in diesen Corona-Zeiten“ (1) — blieb entweder zu Hause oder stellte sich an den Rand von „Querdenken“-Demos und lieferte Journalisten und Parteipolitikern die hetzerischen Schimpf- und Stichworte, die die Medien dieses Mal gerne aufgriffen und weiter verbreiteten. Der Einfachheit halber bezeichnen wir im Folgenden die parlamentarische Linke sowie die außerparlamentarischen Gruppen, die sich selbst links einordnen und den Lockdown verteidigen beziehungsweise verschärfen wollen, als „Linke“ (in Anführungszeichen).

Der Kapitalismus muss kritisiert werden und das Virus ist weltweit real. Aber muss sich die „Linke“ bei der Darstellung seiner Wirkung deshalb auf die reißerischsten Worst-Case-Szenarien stützen? Die Aussagen von Christian Drosten und Lothar Wieler werden nicht infrage gestellt und international wird oft die Stellungnahme des Imperial College, Oxford, mit weltweit horrenden Todeszahlen zitiert. Die „Linke“ glaubt und befeuert das Schock-Narrativ vom „Killervirus“. Im Kampf dagegen steht sie deswegen an der Seite der kapitalistischen Exekutive, die den „Krieg gegen das Virus“ anführt.

Das große WIR, das nun an einem Strang ziehen soll, bringt quasi eine Volksgemeinschaft hervor, die zusammenhalten muss, um die Gefahr abzuwenden. Kritik an der Regierung wird nur geleistet, wenn deren Handeln der „Linken“ zu wenig konsequent erscheint. Sie ist zutiefst davon überzeugt, dass sie die Speerspitze des Gesundheitsschutzes sein muss. Ihr Lieblingswort ist Solidarität — wohlgemerkt über alle Klassen hinweg (2).

Sie stellt sich weiterhin hinter die Aufrechterhaltung der ausgerufenen „epidemischen Lage nationaler Tragweite“, obwohl die sachlichen Voraussetzungen dafür zumindest von Mai bis Oktober — wissenschaftlich betrachtet — fehlten, das heißt, gerade in den Monaten, in denen die Testaktivitäten und damit die Fallzahlen hochgetrieben wurden. In den Sentinelproben der AG Influenza beim Robert Koch-Institut (RKI), die auch SARS-CoV-2 berücksichtigen, spielte zu dieser Zeit Covid-19 keine Rolle mehr.

Gemeinsame Diffamierungen von „links“ und „oben“

Mehr als nur hetzerische Schimpf- und Stichworte lieferte dann die Konstruktion der Vorsitzenden der Amadeu Antonio Stiftung Anetta Kahane (3), jegliche Verschwörungstheorie sei im Kern antisemitisch, auch dann, wenn sie sich mit ganz anderen Themen beschäftige. Somit wäre „natürlich“ Kritik am Lockdown sogleich „antisemitisch“. Antisemitismus zu bekämpfen sei somit „auch Teil des Gesundheitsschutzes heutzutage“.

Annette Groth, Ex-Mitglied des Bundestages (Die Linke), führte in einem Interview mit dem Blog Promosaik aus:

„Der Vorwurf des Antisemitismus ist in Deutschland das beste Instrument, Kritiker, Störenfriede oder Leute, die man nicht mag, zu stigmatisieren und sie zum Schweigen zu bringen. Das Denunziationssystem arbeitet erschreckend effizient und nachhaltig und ich begreife nicht, dass es immer noch Intellektuelle gibt, die dieses unwürdige Spiel nicht durchschauen und darauf reinfallen“ (4).

Mit Annette Groth sind wir der Meinung, Aussagen wie die von Kahane, wie zum Beispiel in Sendungen wie Terra-X dem Massenpublikum nahegebracht, oder auch des Bundesbeauftragten Felix Klein (5) „sind eher dazu angetan, Antisemitismus zu befördern“ und leisten einen Bärendienst am Engagement derjenigen, die seit Jahrzehnten gegen tatsächliche Erscheinungen, Tendenzen und Wirkungen von Antisemitismus kämpfen.

Genau in dieses Horn stieß und stößt der größte Teil der gesellschaftlichen wie parlamentarischen Linken in der Auseinandersetzung um die Regierungsmaßnahmen gegen die von der Weltgesundheitsorganisation WHO ausgerufenen Pandemie. Sie stimmen in den Chor der politischen Macht- und Medienvertreter ein, die jegliche Kritik an den Regierungsmaßnahmen in den Rahmen von „Corona-Leugnern“, Verschwörungstheoretikern und damit Antisemiten, Holocaust-Leugnern — was ja die Wortverbindung „-Leugner“ assoziieren soll — und Rechtsextremen stellten. Sie trieben diese noch voran.

Noch größer als die Angst vor dem Virus scheint die Angst davor zu sein, durch Anerkennung eines Lockdown-Kritikers als Gesprächspartner oder gar eines seiner Argumente, sei es noch so offensichtlich richtig, Wasser auf die Mühlen der Rechten zu lenken.

Als wäre ein Vertuschen oder gar eine Verneinung der Wahrheit je ein gutes Mittel im Kampf um die Köpfe, im Kampf gegen Rechts gewesen.

Skandale nicht skandalisiert

Keiner der Skandale, die sich in der Pandemie-Politik der Herrschenden herausstellten, wurde von linker Seite aufgegriffen. Das beginnt schon mit dem skandalösen Strategiepapier des Innenministeriums vom 18. März 2020 (6). Es gibt wohl kaum eine sich links einordnende Person in Deutschland, die nicht der Kritik von Naomi Klein (2007) an der von ihr analysierten Schockstrategie (7) der Herrschenden zugestimmt hat.

Dass nun das Bundesministerium des Innern (BMI), will heißen die Bundesregierung, freimütig in ihrem Strategiepapier „Wie wir Covid-19 unter Kontrolle bekommen“ schrieb, die Bevölkerung sei mit Worst-Case-Szenarien und entsprechenden Bildern und Narrativen in einen Schockzustand zu versetzen, hat weder den größten Teil der außerparlamentarischen und schon gar nicht die parlamentarische Linke bewegt.

Im Gegenteil: Die ersten Reflexe zum Beispiel auf der Attac-Diskussionsliste, nachdem das Papier Anfang April 2020 geleakt worden war (8), waren erhebliche Zweifel, ob es denn überhaupt echt sei. Wochen später hat das BMI es auf seine Webseite gesetzt.

Ob Skandale um Abschaltung von Lockdown-kritischen Webseiten, Mailinglisten und YouTube-Kanälen, um die Versetzung eines Amtsarztes (9) oder eines kritischen BMI-Mitarbeiters (10), um die einseitige Berichterstattung in den Mainstream-Medien (11) — jeglicher linker Protest blieb wie im Falle des BMI-Strategiepapiers aus. Lieber bestärkte man die Bundesregierung durch Enthaltsamkeit bei der Organisation von Veranstaltungen und vorauseilenden Gehorsam beim Tragen von Masken mitten im Sommer im Freien — entgegen jeder Vernunft und wissenschaftlichen Erkenntnis (12). Die Maske wurde zur linken Attitude, zum Zeichen einer — von der Regierung (!) geforderten — „Solidarität“ gegen die „Feinde der Demokratie“ (13).

„Die Maske ist links, und die Linke staatlicher als der Staat. Weh denen, die (…) Liberalismus, Individualismus, Egoismus, pah, die Freiheit: bürgerlich!“, schrieb Thomas R. Seibert süffisant am 1. Januar 2021 (14).

Die eigentliche Gefahr für die bürgerliche Demokratie geht aber heute vom Staat selbst aus.

Während der Krise wird der Staatsschutz nach vorne verlegt, werden die Überwachungssysteme ausgeweitet und der Notstand geübt. Polizei und Bundeswehr werden in bisher nicht gekanntem Ausmaß in zivile Prozesse eingebunden. Das Parlament wird marginalisiert und Exekutive und Bürokratie regieren nahezu unbeschränkt. Gleichzeitig bildet ein Großteil der Presse und der Wissenschaft mit der Regierung einen Block. Selbst üble Polizeiübergriffe und Verhaftungsaktionen bei Demonstrationen gegen die Regierungsmaßnahmen wurden von „Linken“ hämisch beschmunzelt (15) und sogar begrüßt (16).

ZeroCovid

Mit dem Aufruf „ZeroCovid“ im Januar 2021 glaubt sich ein großer Teil der parlamentarischen wie außerparlamentarischen Linken von der rein reaktiven Rolle, „Corona-Leugner“ zu markieren, auf eine oppositionelle Handlungsebene zurückgebracht zu haben. Diejenigen „Linken“, die „Flatten the Curve“ auf allen Medien unter Einsatz der Diffamierung des „Schwedischen Wegs“ und von bis zu Hate-Speech heruntersinkenden Tiraden verteidigt hatten, schreiben nun ohne jegliche Selbstkritik, dass diese Strategie gescheitert sei.

Späte Erkenntnis. Nur: Sie fordern jetzt einen noch rigoroseren Lockdown nach dem „kommunistischen“ Vorbild Chinas (vergleiche „Mega-Lockdown“!) und idealisieren dessen Krisenbekämpfung. Um vom autoritär-staatsorientierten Charakter von mehr Zentralismus und einheitlichem Durchgreifen abzulenken, fantasiert man von solidarischen Maßnahmen von „unten“. Dieses „unten“ fühlt sich aber jetzt schon von der fortdauernden Shutdown-Politik heftig genervt und ist in seiner Breite kaum irgendwo organisiert. Deswegen kann ein noch radikalerer Lockdown nur von der staatlichen Autorität exekutiert werden. Die massive Einschränkung von Freiheitsrechten findet die „Linke“ generell richtig.

Die bürgerlichen Kräfte in unserem Land, die sich diesen Einschränkungen widersetzen, werden von ihr als neoliberal-egoistisch bezeichnet, die aufgrund ihres bürgerlichen Individualismus einer Einsicht in Notwendigkeiten nicht fähig seien.

Ihr Freiheitsbegriff sei ohne Bindung und daher gesellschaftlich nicht tragbar. Sie seien Demokraten nur für sich und daher „Covidioten“.

In einem Newsletter vom 9. Februar 2021 schreibt Winfried Wolf zum Beispiel:

„Die Corona-Leugner behaupten: ‚Es gibt unterschiedliche Auffassungen zur Pandemie.‘ Das ist falsch. Epidemiologie ist eine Wissenschaft. Ein erheblicher Teil der Pandemie-Entwicklung folgt Mathematik und Naturgesetzen.“

Obwohl gerade Alex Demirovićs Artikel zu ZeroCovid vom Januar (18) dazu geführt hat, dass Kritik am Lockdown nun möglich ist, ohne gleich diffamiert zu werden, macht Winfried Wolf in diesem Stil weiter und weist generell unterschiedlichen Auffassungen zur Pandemie das Etikett „Corona-Leugner“ zu. Das allein zeigt schon, wie „wissenschaftlich differenziert“ hier vorgegangen wird.

Was heißt wissenschaftlich?

Die Leugnung, dass wissenschaftliche Erkenntnisse aus einem Streit verschiedener Ansichten hervorgehen, macht nahezu sprachlos und zeigt ein totalitäres Wissenschaftsverständnis. Mathematiker erzeugen verschiedene Rechenmodelle (19). Eine Wissenschaft ohne Widerspruch, ohne streitende Ansichten kann es nicht geben. Schon gar nicht für Marxisten, für die der Kapitalismus eine Klassengesellschaft mit widerstreitenden, ja unversöhnlichen Klasseninteressen ist. Die herrschende Wissenschaft ist immer die Wissenschaft der Herrschenden. Diejenigen, die Galileo Galilei den Verbrennungstod androhten, waren die Wissenschaftler des Heiligen Stuhls, der Kurie. Sie fühlten ihr System, die Autorität der Kirche und damit das ideologisch Band des Feudalismus, durch die neuen Erkenntnisse der Physik bedroht. Deswegen mussten sie zuschlagen im Namen ihrer Wissenschaft.

Ist das heute prinzipiell anders? Der Lob des Zweifels ist für Marxisten Erkenntnismaxime, denn jedem Erkenntnisfortschritt liegt die Negation zugrunde. Die Abqualifizierung aller Kritik an den Regierungsmaßnahmen als Quacksalberei (20) ist eines der deutlichsten Zeichen für ideologische Verkommenheit von „Linken“.

Quellen und Anmerkungen:

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Die Schockstrategie geht weiter – Zu Behauptungen, die die Lockdown-Politik rechtfertigen“ von Reinhard Frankl, Rainer Roth und Tobias Weißert. Weitere Infos zu Bestellbedingungen, Inhaltsverzeichnis und Vorbemerkung sind unter hier zu finden.

Über die Autoren:

Reinhard Frankl, Grund- und Hauptschullehrer i. R., langjähriger GEW-Aktivist und -Funktionär auf Kreis-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene in der AG Bildungsfinanzierung. Er ist Mitglied im örtlichen und im Bezirks-Personalrat, Attac-Aktivist vor Ort und in der Bundes-AG „Globalisierung und Krieg“, Aktivist im regionalen Bündnis gegen Rechts; Vorstandsmitglied von KLARtext e.V..

Rainer Roth, Jahrgang 1944, war Professor für Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Frankfurt. Außerdem bis 2008 Autor und Herausgeber des „Leitfaden ALG II/Sozialhilfe von A-Z“. Er ist Vorsitzender von Klartext e.V. und arbeitet in bundesweiten Kampagnen für eine deutliche Erhöhung der Regelsätze und des Mindestlohns. Zuletzt erschien von ihm „Sklaverei als Menschenrecht. Über die bürgerlichen Revolutionen in England, den USA und Frankreich“.

Tobias Weißert ist ehemaliger Lehrer in der Erwachsenenbildung, langjähriger Gewerkschafter, Betriebsrat und Mitglied von Klartext e V. Er arbeitet im Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne und befasst sich seit Jahren intensiv mit der Rentenfrage. Seine Broschüre „Altersarmut durch Rentenreform“ erschien 2016 in 2. Auflage.

 

Initiative zur Demokratisierung der Meinungsbildung gGmbH, Foto: Systembild: Unterschiedliche Auffassungen zur Pandemie © IStock