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Libanon – So dramatisch ist die Lage

Veröffentlicht von PSM.Media

Libanon: Es droht der Zusammenbruch

Libanon befindet sich wirtschaftlich in einer dramatischen Lage. Durch Treibstoffknappheit droht das Gesundheitswesen zusammenzubrechen. Der Zusammenbruch ist umso dramatischer, da der Libanon noch vor wenigen Jahren führend in der medizinischen Versorgung in der arabischen Welt war. Der Hisbollah-Chef kündigt inzwischen Öllieferung aus dem Iran an.

Beirut. Der Libanon befindet sich wirtschaftlich in einer sehr dramatischen Lage. Angesichts der Treibstoffknappheit droht nun das Gesundheitswesen des Landes zusammenzubrechen. Infolge des Treibstoffmangels kommt es im Libanon seit Monaten zu Stromausfällen, in vielen Fällen ist die Stromversorgung für 22 Stunden am Tag unterbrochen. Krankenhäuser klagten zuletzt über massive Engpässe bei Treibstoff für ihre Generatoren. Der Mangel in Krankenhäuser ist überwältigend, und das medizinische Personal erschöpft. Mit einem neuen Anstieg der Corona-Infektionen stehen die Krankenhäuser im Libanon nun Berichten zufolge vor einem Bruchpunkt.

Viele Patienten werden gebeten, ihre eigenen Medikamente wie Steroide mitzubringen. Andere werden zu früh entlassen – oft in Häuser, in denen Stromausfälle tagelang anhalten, berichtet AP. Das Rafik-Hariri-Universitätskrankenhaus ist das größte öffentliche Krankenhaus des Libanon. Um Kraftstoff zu sparen, betreiben einige Räume in diesem Krankenhaus in der brütenden Sommerhitze nur elektrische Ventilatoren. Nicht alle Krankenhausaufzüge funktionieren. Die Bettenkapazität wurde um etwa 15 Prozent reduziert, und die Notaufnahme lässt nur lebensbedrohliche Fälle zu.

Berichten zufolge haben in diesem Jahr mindestens 2.500 Ärzte und Krankenschwestern den Libanon verlassen. Dem Rafik-Hariri-Universitätskrankenhaus fehlen mindestens 30 Prozent der Ärzte und mehr als zehn Prozent der Krankenschwestern. Viele private Krankenhäuser, die 80 Prozent der medizinischen Dienstleistungen im Libanon anbieten, schließen wegen mangelnder Ressourcen oder weisen Patienten ab, die nicht zahlen können, berichtet AP.

Der Zusammenbruch ist umso dramatischer, da der Libanon noch vor wenigen Jahren in der medizinischen Versorgung führend in der arabischen Welt war.

Das American University of Beirut Medical Center veröffentlichte kürzlich eine dramatische Warnung: In wenigen Tagen könnte ihr der Strom ausgehen, woraufhin 150 Patienten, abhängig von Beatmungs- oder Dialysegeräten, der Tod drohe. Auch an Medikamenten mangelt es, teils sogar an Nahrung, berichtet der Tagesspiegel.

Benzin wurde im Libanon bislang zu subventionierten Preisen verkauft. Die Zentralbank des Libanon will diese Subventionen nun einstellen. Sollte die Subventionierung tatsächlich wegfallen, könnten sich die Treibstoffpreise mehr als verfünffachen, wodurch neue Unruhe im Land ausgelöst würde, da die Grundversorgung damit auch massiv teurer würde. Präsident Michel Aoun und seine Verbündeten forderten den Gouverneur der Zentralbank Riad Salame auf, diese Entscheidung zurückzunehmen. Autofahrer warten inzwischen stundenlang an den Tankstellen, um Benzin zu erstehen, bevor die Preise steigen. An Tankstellen kam es in den letzten Tage immer wieder zu Ausschreitungen und Schießereien. Dabei legen sich die Libanesen mittlerweile auch mit dem Militär an.

 

 

In der Region Akkar im Norden des Libanon kam es letzte Woche zu einer Explosion mit Dutzenden Toten. Das Rote Kreuz im Libanon hatte von einem explodierten Tanklaster gesprochen. Der Besitzer des Lasters soll Treibstoff gehortet haben. Die Armee hatte ihn bei einer Razzia konfisziert.

Subventioniertes Benzin ist kaum noch zu bekommen. Schmuggler verkaufen große Mengen davon in Syrien, wo sie einen besseren Preis dafür verlangen können. Es kommt inzwischen zu chaotischen Szenen im Libanon. Es gibt Berichte, dass Tanklaster in den Städten mittels Straßenblockaden abgefangen werden. Hunderte Männer aus Mina, dem Hafenviertel der nordlibanesischen Stadt Tripoli, hatten sich in den letzten Tagen einem Tanklaster in den Weg gestellt und ihn an der Weiterfahrt gehindert. Nach der Blockade sollen sich die Männer mit dem Fahrer geeinigt haben, ihm die Ladung zum offiziellen subventionierten Preis abzukaufen – und nicht zum viel höheren Schwarzmarktpreis.

Angesichts der sich verschärfenden Krise im Libanon gab am Samstag die britische Botschaft in Beirut bekannt, dass aus Sicherheitsgründen ein Teil des Personals abgezogen werde.

Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah kündigte in einer Fernsehansprache laut Press TV am Sonntag an, dass das erste Schiff mit iranischem Treibstoff den Libanon bereits anläuft. Nasrallah fügte hinzu, dass weitere Treibstoffschiffe aus dem Iran kommen werden, solange die Krise andauert. Angesichts einiger Vorbehalte gegen den Import von Treibstoff aus dem Iran sagte Nasrallah: “Einige libanesische Politiker fürchten die USA mehr als Gott.”

 

 

Der Hisbollah-Chef warf in seiner Rede der US-Regierung vor, dass die US-Botschaft in Beirut sich in alle libanesischen Angelegenheiten einmische, etwa in “die Ernennung libanesischer Beamter und Entscheidungen über die Versorgung mit Treibstoff und Öl”.

Da die Gefahr besteht, dass iranische Treibstoffladungen von US-Verbündeten in der Region beschlagnahmt werden, unterstrich Nasrallah, das iranische Öltanker libanesisches Territorium anliefen. Damit wollte er eine Warnung an die USA und Israel senden, dass jegliche Aggression gegen die Tanker ein feindlicher Akt gegen den Libanon sei, kommentierte Press TV.

Auf die Frage, wie die Reaktion der USA auf Nasrallahs Ankündigung eines Ölimports aus dem Iran ausfalle, sagte US-Botschafterin Dorothy Shea letzte Woche, der Libanon brauche keine iranischen Tanker.

Bereits letzte Woche deutete Nasrallah an, dass die Hisbollah beginnen könnte, Benzin und Diesel aus dem Iran zu importieren. Nur wenige Stunden nach Nasrallahs Ankündigung des Imports von iranischem Treibstoff hatte US-Botschafterin Shea den libanesischen Präsidenten Aoun informiert, dass die Biden-Regierung dem Libanon beim Erwerb von Gas aus Ägypten helfen werde.

 

 

Es wurden keine weiteren Details des Plans bekannt gegeben, auch nicht, wann und wie das Projekt umgesetzt werden könnte. Der Plan scheint aufgrund des akuten Treibstoffmangels im Libanon insofern unrealistisch und politisch motiviert zu sein.

Israel wird sich bald einer weiteren iranischen Herausforderung gegenübersehen, kommentierte die Haaretz, nachdem Nasrallah angekündigt hatte, dass der Iran Öltanker in den Libanon schicken wolle. Die Hisbollah werde mit diesem Schritt aus humanitären Gründen eine “Errungenschaft” verbuchen, und es werde eine neue und unbeaufsichtigte Route zwischen dem Iran und dem Libanon eröffnet.

 

RT/PResse.Online, Foto: Verzweifelte Frau in Beirut/ Libanon © IStock