Rolling Stones: Ein Trio ohne musikalische Abnützungserscheinungen
Ein Stones-Konzert ohne Watts konnten sich viele Fans gar nicht vorstellen. Als die Lichter im Stadion Wanda Metropolitana gegen 22.15 Uhr ausgingen, flimmerten Bilder des Schlagzeugers über die Videoscreens mit insgesamt 400 Quadratmetern, 53.000 Besucher zollten lautstark Tribut. „Es ist unsere erste Europa-Tour ohne Charlie, wir vermissen ihn sehr”, sagte Mick Jagger im Laufe der Performance. Den Platz am Schlagzeug übernahm Steve Jordan – er war alles, nur kein Lückenfüller. Er fügte sich perfekt ins Stones-Getriebe ein und die Rhythmussektion mit Darryl Jones lief wie geschmiert.
„Street Fighting Man” eröffnete das Programm, das von den frühen Jahren („19th Nervous Breakdown”) bis in die Gegenwart der Pandemie („Living In A Ghost Town”) führte. Die Setlist mag nur eine Überraschungen aufweisen, aber die größte Überraschung sind ohnehin die Rolling Stones. Die Band spielte groß auf, sehr „tight” und druckvoll. Jordan trieb ordentlich an, Keith Richards und Wood lieferten sich messerscharfe Gitarrenduelle. Jagger, der heuer 79 wird, sang makellos und tänzelte unermüdlich, als sei es noch 1966.
Bei „You Can’t Always Get What You Want” übernahmen die 53.000 Besucher den Background-Gesang – es herrschte beste Stimmung. Abgefeiert wurde auch die aktuellste Nummer, „Living In A Ghost Town”, zu der Jagger wie eine Raubkatze über den Bühnenboden schlich, die Bläser dem Song eine besondere Atmosphäre verpassten und der Sänger an der Mundharmonika brillierte. Man kann eben auch Aktuelles.
Beschwingt sollten die Sommershows sein, hieß es im Vorfeld. Das war ganz besonders „Out Of Time”, die Live-Premiere des Tracks von 1966. Als dann Richards die ersten Töne von „Honky Tonk Women” anschlug, gab es im Oval kein Halten mehr, es blieb auf den Rängen so gut wie niemand sitzen.
Die 55 Meter breite und 17 Meter hohe Bühne ist dem Motto „Sixty” angepasst. Die 20 Meter tiefe Stage ist mit gediegenen Licht-Inszenierungen umrahmt, von ihr führt ein 32 Meter langer Laufsteg durch das Publikum. Jagger bewegte sich permanent über den Laufsteg und dann links und rechts an den Bühnenrand – eine Strecke länger als ein Fußballfeld. Bei der Vorstellung der Musiker wurde Wood in einen roten Konfetti-Regen getaucht und mit „Happy Birthday” besungen.
Die Darbietung von „Midnight Rambler” allein war schon ein Ereignis: Laut, kantig, hart, bedrohlich inszenierten die Stones den Klassiker, zwischendurch wie einen schleppenden Blues, um am Ende groß aufzudrehen. „Start Me Up”, „Paint It Black” (mit schwarz-weißen Visuals und weißen Scheinwerfern auch optisch stimmig umgesetzt), „Jumpin” Jack Flash” – die Party war riesig. Bei „Sympathy For The Devil” lieferte Richards ein im positiven Sinne durch Mark und Bein gehendes Solo ab, da flogen die Funken nicht nur in den Visuals auf den Screens.
Die Reaktionen des Publikums entlockten Jagger ein „fantastisch”. Das waren aber auch die Rolling Stones, die keinerlei Abnützungserscheinungen erhören ließen. „Ich freu mich schon auf „Seventy” ”, sagte ein Besucher, der aus England nach Spanien gereist war.
Insgesamt umfasst die Tour 14 Shows in zehn Ländern. Am 15. Juli gastieren Jagger und Co. in Wien im Ernst-Happel-Stadion. Tickets sind noch erhältlich.
APA, Foto: Die Rolling Stones haben am Mittwoch in Madrid ihre Europa-Tour “Sixty” anlässlich ihres 60-jährigen Bühnenjubiläums gestartet © Bild: APA/APA/HANS KLAUS TECHT/HANS KLAUS TECT