Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China

Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China

Veröffentlicht von PSM.Media

Entwicklung der wirtschaftlichen Austauschbeziehungen Deutschland mit China

Die Volksrepublik China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner

Die deutsche Wirtschaft hängt stark von China ab. China ist der größte Handelspartner Deutschlands außerhalb Europas.

Berlin. Im Jahr 2022 wurden nach vorläufigen Ergebnissen Waren im Wert von 297,9 Milliarden Euro zwischen Deutschland und der Volksrepublik China gehandelt (Exporte und Importe). Die Volksrepublik China war im Jahr 2022 zum siebten Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner. Auf den Rängen zwei und drei folgten die Vereinigten Staaten mit einem Warenverkehr in Höhe von 247,8 Milliarden Euro und die Niederlande mit einem Außenhandelsumsatz von 233,6 Milliarden Euro.

Wichtigstes Abnehmerland deutscher Waren im Jahr 2022 waren wie bereits in den Vorjahren die Vereinigten Staaten. Güter im Wert von 156,1 Milliarden Euro wurden von Deutschland in die Vereinigten Staaten exportiert. Auf den Plätzen zwei und drei der bedeutendsten deutschen Exportländer lagen Frankreich (116,1 Milliarden Euro) und die Niederlande (110,6 Milliarden Euro).

Nach Deutschland importiert wurden die meisten Waren im Jahr 2022 aus der Volksrepublik China (191,1 Milliarden Euro). Auf den Plätzen zwei und drei der wichtigsten deutschen Lieferländer lagen die Niederlande (123,0 Milliarden Euro) und die Vereinigten Staaten (91,7 Milliarden Euro).

Die höchsten Exportüberschüsse wies Deutschland im Jahr 2022 mit den Vereinigten Staaten (64,3 Milliarden Euro), Frankreich (46,3 Milliarden Euro) und dem Vereinigten Königreich (35,9 Milliarden Euro) aus. Mehr Waren importiert als dorthin exportiert wurden aus China. Für dieses Land wies der Außenhandel im Jahr 2022 einen Importüberschuss von 84,3 Milliarden aus.

Deutschland exportiert vor allem Maschinen, Fahrzeuge und chemische Produkte nach China. Umgekehrt importiert Deutschland vor allem elektronische Produkte, Textilien und Maschinen aus China.

Die Corona-Pandemie hat jedoch gezeigt, wie verwundbar die deutsche Wirtschaft aufgrund ihrer engen Verflechtung mit China ist. Die Unterbrechung von Lieferketten und Produktionsausfällen in China hatten auch Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft.

Es ist jedoch nicht nur die wirtschaftliche Abhängigkeit von China, die in den letzten Jahren für Diskussionen gesorgt hat. Auch politische Fragen wie Menschenrechtsverletzungen und der Umgang Chinas mit Hongkong und Taiwan haben Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Deutschland und China.

Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China 2023: Bei einzelnen Produkten kritisch

Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Importen aus China ist laut einer aktuellen Analyse des IfW Kiel deutlich geringer, als durch klassische Handelsstatistiken suggeriert wird. Insgesamt hängt nur ein äußerst kleiner Teil der deutschen Produktion direkt oder indirekt von chinesischen Vorleistungen ab. Der mit Abstand größte Teil entstammt deutschen Eigenleistungen. Allerdings dominiert China bei einzelnen Rohstoffen und Produkten, insbesondere im Bereich Elektronik, den Weltmarkt sowie die deutsche Versorgung und könnte als Lieferant kurzfristig nicht ersetzt werden.

„Um die Versorgungssicherheit in Bezug auf kritische Rohstoffe sowie Vor- und Endprodukte zu gewährleisten, braucht Deutschland dringend eine Strategie für mehr Diversifizierung. Dies wäre nicht nur die richtige Antwort auf zunehmende geopolitische Rivalitäten, sondern dient vor allem auch der Absicherung gegen Lieferengpässe“, sagt Alexander Sandkamp, Mitautor des Kiel Policy Briefs „Leere Regale made in China: Wenn China beim Handel mauert“.

Für die deutsche Wirtschaft demnach unabdingbare Produktgruppen, bei denen die Abhängigkeit von China besonders hoch ist, sind mit einem Importanteil von rund 80 Prozent Laptops, Mobiltelefone (Importanteil 68%), bestimmte Textilprodukte (Spinnstoffwaren, 69%) Computereinheiten wie Sound- und Grafikkarten (62%), Fotoelemente und LEDs (61%) oder Platinen und Leiterplatten (Schaltungen gedruckt, 58%).

 

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Einige der für die Produktion von Spezialtechnologie wichtigen und von der EU als kritisch eingestuften seltenen Erden und Rohstoffe wie Scandium oder Antimon bezieht Deutschland zu 85 Prozent und mehr aus China. Sie kommen beispielweise in der Batterieproduktion oder Oberflächenbeschichtung zum Einsatz.

Äußerst hoch ist die deutsche Abhängigkeit von China auch bei bestimmten Medizinprodukten, etwa Atemschutzmasken oder Schmerzmitteln, mit Importanteilen von zum Teil über 90 Prozent.

China und Taiwan dominieren bei 221 Produkten

“Politisch ist eine Abkopplung Deutschlands von China nicht mehr undenkbar. Ein militärischer Konflikt zwischen der Volksrepublik und Taiwan etwa dürfte Sanktionen auf europäischer Ebene auslösen“, so Sandkamp. „In einem solchen Fall könnte auch Taiwan aufgrund chinesischer Blockaden als Lieferant ausfallen. Das würde eine deutsche Versorgungsnotlage bei bestimmten kritischen Produkten verschärfen.“

Speziell bei Computereinheiten und -teilen sowie elektronischen Schalteinheiten bedient neben China auch Taiwan einen nennenswerten Teil der globalen und auch deutschen Nachfrage. Sollte die EU chinesische Importe boykottieren, stünden dafür praktisch keine alternativen Zulieferer zur Verfügung. Darüber hinaus ist Taiwan für die Versorgung mit Fahrradkomponenten essenziell.

Insgesamt identifizieren die Autoren 221 Produkte, bei denen China und Taiwan gemeinsam den deutschen Import dominieren. Bei der Mehrzahl der Produkte liegt der Importanteil beider Länder bei über 80 Prozent.

Konsum und Produktion in Deutschland basieren vor allem auf Eigenleistungen

Abgesehen von den genannten kritischen Vorleistungen ist die Bedeutung Chinas für die deutsche Wirtschaft laut Analyse aber überraschend gering. Nur etwa 0,6 Prozent der direkten Vorleistungen, die für die deutsche Produktion benötigt werden, stammen den Berechnungen nach aus China. Wichtiger sind sowohl die USA (0,8%) als auch Frankreich (0,7%). Bezieht man indirekte Vorleistungen mit ein, die Deutschland aus Drittländern bezieht und die dort mit Hilfe chinesischer Vorprodukte hergestellt werden, steigt der Anteil Chinas an der deutschen Produktion auf 1,5 Prozent.

Auch im Bereich der in Deutschland konsumierten Endprodukte ist China nur von untergeordneter Bedeutung. Direkt stammen 1,4 Prozent der in Deutschland konsumierten Leistungen aus China, unter Berücksichtigung indirekter Verflechtungen steigt der Anteil auf 2,7 Prozent. Die Bedeutung Chinas für den Endverbrauch ist somit fast doppelt so hoch wie für die deutsche Produktion.

Die Zahlen stehen im Kontrast zu gängigen Handelsstatistiken, wonach China mit knapp 12 Prozent das wichtigste Ursprungsland aller deutschen Importe ist. Aus den USA stammen gut 6 Prozent, aus Frankreich gut 5 Prozent. Von der Europäischen Union (EU) als Ganzes stammen über 50 Prozent der deutschen Importe.

„Diese klassischen Handelsflüsse alleine sind nur bedingt geeignet, um die wirtschaftliche Bedeutung Chinas für Deutschland einzuordnen. Denn auch Deutschland selbst produziert Zwischen- und Endprodukte für die heimische Produktion und den heimischen Konsum“, so Sandkamp.

Handelskonflikt EU – China mindert deutsches BIP langfristig um 1 Prozent

Über 80 Prozent der heimischen Produktion und über 70 Prozent des heimischen Konsums entstammen laut Analyse deutscher Eigenleistung. Eine Abkopplung der EU von China, bei der der Handel um 97 Prozent reduziert wird, würde die deutsche Wirtschaftsleistung nach Modellrechnungen auf lange Sicht – also, wenn neue Lieferstrukturen gefunden und etabliert sind – um 1 Prozent geringer ausfallen lassen. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt 2021 entspricht das entgangener Wertschöpfung in Höhe von 36 Mrd. Euro pro Jahr.

„Unsere Berechnungen zeigen, dass die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China gesamtwirtschaftlich gesehen nur gering ist. Allerdings würde ein abrupter Abbruch der Handelsbeziehungen zunächst eine Versorgungslücke mit wichtigen Rohstoffen, Medikamenten und Produkten bedeuten, mit der Folge erheblicher Wohlstandseinbußen für Deutschland“, so Sandkamp.

„Die Politik darf sich nicht erst um alternative Bezugsquellen bemühen, wenn es zu spät ist, sondern muss heute über Freihandelsabkommen, Investitionsschutzabkommen oder Investitionsgarantien vorbeugen. Dabei sollte China, wenn möglich, immer Teil des deutschen Handelsportfolios sein, exklusive Lieferstrukturen müssen aber eliminiert werden. Konkret sollte die EU etwa bei den Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen mit Australien einen besonderen Fokus auf Rohstoffe legen.“

 

Kiel Institut für Weltwirtschaft/PSM.Media, Foto: Systembild für Handel © IStock