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Die aktuelle Einschränkungs- und Verbotspolitik

Veröffentlicht von PSM.Media

Die Wärme-Wanze

Der Entwurf des neuen Gebäudeenergiegesetzes verbietet in smarter Weise all jene Heizarten, die sich nicht digital überwachen lassen.

„Der technische Mechanismus kann die Menschen in Massen
ganz anders zwingen, als es früher je möglich war.“

Karl Jaspers (1955)

Der Zweck der neuen Vorschrift wäre die Erfüllung des 65-Prozent-Zieles von erneuerbaren Energien im Heizungsbereich. Obwohl Bioenergie derzeit bereits mehr als vier Fünftel der erneuerbaren Wärme bereitstellt und damit die bekannte Vorgabe erfüllt, hält das Kabinett bisher an seiner Entscheidung fest. Dem Gesetzesentwurf zufolge würden Holzheizungen künftig nur noch unter der Bedingung eingebaut werden dürfen, dass sie mit einer Solaranlage kombiniert und mit Staubfiltern ausgestattet werden. Das wertet Irene Seling als Hauptgeschäftsführerin der Waldeigentümer (AGDW) als zu weitgehend:

„Wir rufen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dazu auf, diesem Gesetz ihre Zustimmung zu verweigern“ (1).

Denn Holzenergie sei nicht nur klimafreundlich, bezahlbar und nachhaltig, sondern sie biete auch hohes CO2-Einsparpotenzial: Mit dem nachwachsenden Rohstoff Holz könnten andere fossile Energieträger wie Erdöl oder Gas ersetzt werden. Und für Waldeigentümer sei die Vermarktung von Restholz, sofern es nicht höherwertig verwendbar sei, als Brennmaterial — unter anderem in Gestalt von Holzbriketts — eine wichtige Einnahmequelle, auch um den klimafreundlichen Waldumbau finanzieren zu können. Mit der Diskriminierung der erneuerbaren Holzenergie gefährde die Bundesregierung die nachhaltige Waldpflege in Deutschland.

Bei Pellet-Heizungen kann man neue gesetzliche Einschränkungen (2) vielleicht noch ein Stück weit verstehen, insofern dafür große fremdländische Baum-Plantagen betrieben werden, die gewisse Recht ökologische Bedenken rechtfertigen. Das Bundeswirtschaftsministerium verweist nicht ohne Grund auf die begrenzte Verfügbarkeit von Brennstoffen, die daher vornehmlich im Bestand genutzt werden sollten. Aber herkömmliche Holzheizungen für Neubauten sollten nicht mit einem vermeintlich „grünen“ Tabu belegt, sondern allenfalls mit einschlägigen Filterauflagen verknüpft werden (3).

Und zwar nicht nur, weil die politisch propagierte Hauptalternative in Gestalt verschiedenartiger Wärmepumpen (4) — bis hin zur problematischen Nutzung der von Bundeskanzler Olaf Scholz aktuell empfohlenen von Erdwärme (5) — aus etlichen hier nicht darzulegenden Gründen (6) sehr umstritten ist.

Vielmehr mutet die jetzt vorangetriebene „Wärmewende“ immer mehr ideologiegesteuert an. Da werden Argumente höchst einseitig aufgefahren und Gegenargumente mit beeindruckender Sturheit ignoriert — sodass man sich schließlich durchaus fragt, was Argumente in dieser gesellschaftspolitischen Debatte überhaupt noch wert sind (7).

Dem Philosophen Eduard Kaeser zufolge ermutigt die Allianz von Big Data, Big Science und Big Industry „heute ein Vorwärtsstürmen, das das Nachdenken platt walzt.“ (8) Zur regierungspolitisch vorherrschenden Ideologie zählen tatsächlich keineswegs nur ökologische Aspekte, sondern ein zunehmender Digitalmonopolismus.

In dieser Hinsicht aber hat das angestrebte pauschale Tabu all jener Heizarten, die sich nicht irgendwie digital messen oder kontrollieren lassen, eine eigene Logik. Dass es vor allem auch darum gehen könnte, ist eine Beobachtung, die sich bei der Entwicklung der Dinge aufdrängt.

Dient die Verdrängung und angepeilte Abschaffung „fossiler“ einschließlich nachwachsender, also erneuerbarer Brennstoffe gar nicht zuerst der CO2-Vermeidung, sondern insbesondere der Fortschreibung der digitalen Transformation — und damit insgeheim auch der Förderung der digitalen Überwachungsgesellschaft?

Die dank solch gewagten „Fortschritts“ (9) am Ende fast allein noch möglichen, freilich keineswegs unumstrittenen Wärmepumpen mitsamt der städtischen Fernwärme-Technik und weiteren Heiztechnologien sind dann allesamt solche Heizarten, die letztlich mit digitalen Strom- oder Wärmezählern funktionieren. Der von Shoshana Zuboff in ihrem umfangreichen Bestseller identifizierte „Überwachungskapitalismus“ schlägt hier zu. Mit irgendwelchen Verschwörungsmythen hat dieser Verdacht nichts zu tun. Vielmehr ist er das nüchterne Ergebnis analytischer Beobachtung der angeblich fortschrittlichen Regierungspolitik. Elementare Freiheits- und Bürgerrechte werden von einer rigorosen Verbotspolitik Schritt für Schritt – hübsch fortschrittlich und digitalisierungskonform (10) — zurückgefahren.

Und tatsächlich ist ja überall dort, wo die Digitalisierung umfassend Einzug hält, Kontrolle und Überwachung möglich (11). Bekanntlich wird das technisch Mögliche in der Regel auch umgesetzt, ob öffentlich oder geheim.

Solche Überwachung ist beispielsweise bei den digitalen Stromzählern möglich, mit denen die betreffende Energie sich zweifellos besser erfassen, steuern und verteilen lässt („Smart Grid“), die aber auch anderen Zwecken dienlich gemacht werden kann, wie die Broschüre „Lauschangriff durch smarte Zähler“ der Juristin Margit Krug erläutert.

Gewiss lässt sich darüber streiten, ob der Effekt digitaler Überwachungsmöglichkeiten oder der Klimaschutz das Hauptziel der neuen, radikalen Gesetzgebung aus Berlin darstellt. Verdächtig bleibt aber allemal, dass viele Argumente für die gut gemeinten ökologischen Absichten der gegenwärtigen rigiden Verbotspolitik insofern wenig überzeugen, als die realistischerweise hierzulande und global erreichbaren Umweltziele in einem wenig angemessenen Verhältnis zu den jetzt geplanten Maßnahmen stehen.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie in der Breite der Bevölkerung heftige Proteste hervorrufen (12). Zu durchsichtig ist ja auch das Leitinteresse der Digitalisierung als ideologisch-politisches Hauptziel. Das einschlägige Gesetz zum „Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ spricht sogar schon im Titel aus, worum es eigentlich geht: eben mehr um die Digitalisierung der Energiewende und weniger um letztere selbst.

Dabei ist die digitale Transformation als Grundsatzprogramm mit all ihren Implikationen in Deutschland und weltweit keineswegs unumstritten (13). Und zwar keineswegs allein wegen der Überwachungsproblematik (14), sondern auch wegen den Gefahren der Künstlichen Intelligenz (15), der international vehement zunehmenden Cyber-Attacken und nicht zuletzt infolge ihrer immer mehr zutage tretenden ökologischen (16) und psychischen (17) Risiken. „Die digitalen Technologien sind unsere beste Hoffnung, aber auch unser größter Feind“, weiß der belarussische Netz-Experte Evgeny Morozov (18).

Sollte sogar das Heizen – ein urmenschliches Wohnbedürfnis – der digitalen Transformation insofern zum Opfer fallen, als auf die Dauer sämtliche durch sie unkontrollierbare Heizarten gesetzlich stark eingeschränkt oder faktisch verboten werden, dann wäre das ein weithin befremdendes Vorhaben.

Ob das dreiste Ausmaß, in dem solche Pläne umgesetzt werden, denn doch breitere Schichten der Bevölkerung wachrüttelt? Wird die von den Journalisten Stefan Aust und Thomas Ammann als „Digitale Diktatur“ gebrandmarkte Entwicklung (19) das Endresultat des technologischen Fortschritts sein?

Der aktuellen Einschränkungs- und Verbotspolitik eignet ein Radikalismus, der in Teilen kaum noch „bürgerlich“ geschweige denn freiheitlich anmutet. Gerade die „Wärme-Wende“, die sogar das gewohnte und immer noch verbreitete Heizen mit Holz untergraben will, erweckt den Eindruck einer gesellschaftspolitischen Rücksichtslosigkeit und eines Empathiemangels, die manche Bürgerinnen und Bürger an ihrem Demokratieverständnis irre werden lässt — oder gar in Verzweiflung stürzt, weil sie fürchten, angesichts der drohenden Zwänge in finanzielle und vielleicht auch baubiologische Nöte zu geraten. Beruhigend ist einstweilen lediglich der Umstand, dass der umstrittene Gesetzesentwurf frühestens im Juli — oder nach der Entlassung des Staatssektretärs Patrick Graichen (20) noch deutlich später – zur Abstimmung in den Bundestag kommen wird. Bis dahin dürfte sich weiterer Widerstand formieren (21).

Man kann der sogenannten Wärmewende nur wünschen, dass es noch hitzige Diskussionen um sie geben wird.

Über den Autor Werner Thiede:

Er ist außerplanmäßiger Professor für Systematische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg und protestantischer Pfarrer im Ruhestand. Berufliche Stationen waren unter anderem Stuttgart in der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen und Rothenburg ob der Tauber als Chefredakteur des Evangelischen Sonntagsblatts aus Bayern. Er wirkt weiter als Publizist. Zuletzt erschienen in jeweils 2. Auflage die Bücher „Digitaler Turmbau zu Babel. Der Technikwahn und seine Folgen“, „Unsterblichkeit der Seele? Interdisziplinäre Annäherungen an eine Menschheitsfrage“ und „Die Wahrheit ist exklusiv. Gesammelte Aufsätze zum interreligiösen Dialog“.

 

Werner Thiede/Initiative zur Demokratisierung der Meinungsbildung gGmbH, Foto: Systembild © IStock