Kevin McCarthy abgewählt
Washington. Erstmals in der Geschichte der Vereinigten Staaten wurde der Vorsitzende des Repräsentantenhauses durch eine parlamentarische Abstimmung seines Amtes enthoben. Am Dienstag stimmte eine Mehrheit dafür, Kevin McCarthy, den republikanischen Vorsitzenden, aus seinem Amt zu entfernen. Dies geschah im Zuge einer parteiinternen Revolte innerhalb der Republikanischen Partei. Der Sprecher des Repräsentantenhauses steht in der Rangfolge der staatlichen Ämter in den USA an dritter Stelle, nach dem Präsidenten und dessen Vizepräsidenten.
Unter der Führung des republikanischen Hardliners Matt Gaetz stimmten mehrere andere Republikaner dafür, McCarthy zu entmachten. Die Demokraten in der Kammer hingegen entschieden sich gegen die Unterstützung von McCarthy und votierten gegen ihn.
Die Republikaner haben zwar die Kontrolle über die Kammer, aber nur mit einer äußerst knappen Mehrheit, da es aufgrund der Anzahl der inneren Aufständischen in ihren eigenen Reihen nur knapp zu einer Mehrheit gegen McCarthy kam.
Biden fordert rasche Regelung der Nachfolge
US-Präsident Joe Biden hat die Kongresskammer aufgefordert, zügig einen Nachfolger zu wählen, da seine Sprecherin Karine Jean-Pierre am Dienstag betonte, dass die drängenden Herausforderungen für das Land nicht aufgeschoben werden können. Der Präsident hofft daher, dass das Repräsentantenhaus bald einen neuen Vorsitzenden oder eine neue Vorsitzende bestimmt.
Jean-Pierre betonte: “Die amerikanische Bevölkerung verdient eine politische Führung, die ihre Lebensaspekte in den Vordergrund rückt und darauf abzielt. Präsident Biden hat gezeigt, dass er immer bereit ist, mit Mitgliedern beider Parteien im Kongress zusammenzuarbeiten, um das Beste für das amerikanische Volk zu erreichen.” Der Politiker der Demokratischen Partei freut sich bereits auf die zukünftige Zusammenarbeit mit der Spitze des Repräsentantenhauses.
McCarthy wird Haushaltsstreit zum Verhängnis
Am Montagabend reichte Gaetz einen Antrag zur Absetzung von McCarthy im Repräsentantenhaus ein und warf dem 41-Jährigen unter anderem vor, gemeinsame Sache mit dem demokratischen Präsidenten Joe Biden zu machen, anstatt für die republikanische Fraktion zu arbeiten.
Der Anlass ist der Haushaltsstreit in den USA. Gaetz war verärgert darüber, dass McCarthy am vergangenen Wochenende in letzter Minute einen drohenden Stillstand der Regierung durch die Unterstützung von Demokraten verhinderte. Obwohl der Kongress am Samstag einen Übergangshaushalt bis Mitte November verabschiedet hatte, warf Gaetz McCarthy auch vor, gegen mehrere innerparteiliche Absprachen verstoßen zu haben, weshalb er ihm nicht vertraute.
Da die Parlamentskammer ihren Vorsitzenden selbst wählt, ist sie auch das einzige Gremium, das ihn wieder aus dem Amt verdrängen kann – auf Antrag aus den Reihen der Abgeordneten. Nie zuvor hat ein Vorsitzender der Kammer allerdings auf diesem Weg seinen Posten verloren. In der Geschichte des Kongresses gab es zuvor auch überhaupt erst ein einziges Mal eine Abstimmung im Plenum des Repräsentantenhauses über einen Antrag auf Absetzung des Vorsitzenden. Das war vor mehr als hundert Jahren: 1910.
Kongresskammer wohl lahm gelegt
Die Kongresskammer dürfte nun vorerst lahm gelegt werden durch die Wahl eines neuen Vorsitzenden. Bis die Personalie geklärt ist, liegt alle restliche gesetzgeberische Arbeit auf Eis. Das parlamentarische Chaos fällt mitten in eine Zeit, in der der Kongress unter anderem einen Bundeshaushalt verabschieden muss, da der Übergangshaushalt Mitte November ausläuft. Ist bis zu der Frist kein neues Budget verabschiedet, steuern die USA einmal mehr auf einen vorübergehenden Stillstand der Regierungsgeschäfte zu, einen „Shutdown“.
Das US-Parlament hat außerdem über neue Hilfen für die Ukraine zu entscheiden. In dem am Wochenende verabschiedeten Übergangshaushalt sind keine weiteren Hilfen für das von Russland angegriffene Land vorgesehen. Das heißt nicht, dass die USA die Ukraine von jetzt auf gleich nicht mehr unterstützen. Allerdings geht das bisher genehmigte Geld zur Neige, neue Mittel müssen her. Die parteiinternen Kämpfe bei den US-Republikanern haben daher auch internationale Auswirkungen.
Gaetz hatte McCarthy vorgeworfen, er habe mit Biden Geheimabsprachen zu weiteren Ukraine-Hilfen getroffen. McCarthy wies das zurück. Gaetz gehört seit geraumer zu den erbittertsten Gegnern McCarthys.
McCarthy wurde erst im 15. Wahlgang im Januar in das Amt des Vorsitzenden gewählt und galt von Anfang an als geschwächt. Um gewählt zu werden, musste er in seiner Fraktion damals erhebliche Zugeständnisse an die radikale Rechte machen und ihre Stimmen nutzen. Unter anderem erreichten die Hardliner in der Fraktion damals, dass ein einzelner Abgeordneter die Möglichkeit hat, einen Antrag auf Absetzung des Vorsitzenden zu stellen, was Gaetz nun ausnutzte. Seit Januar trieben die radikalen Abgeordneten McCarthy unerbittlich vor sich her.