Rückwirkender Beschluss des Bundestags: Notlage wird festgelegt
Der Bundestag reagiert auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe und erklärt eine ungewöhnliche Notlage. Es gibt weiterhin Kritik und die Frage bleibt bestehen: Verstößt der nachträgliche Haushalt gegen die Verfassung?
Berlin. Am letzten Sitzungstag vor der Weihnachtspause hat der Bundestag heute beschlossen, die Schuldenbremse für das Jahr 2023 aufgrund einer außergewöhnlichen Notsituation auszusetzen. Dieser Schritt wurde notwendig, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Schattenhaushalte, die dazu gedacht waren, die Beschränkungen der Schuldenbremse zu umgehen, für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Aussetzung der Schuldenbremse ist eine Voraussetzung dafür, dass der Nachtragshaushalt für das Jahr 2023 verabschiedet werden kann.
Gemäß den Regeln der Schuldenbremse, die von allen drei Ampelparteien ins Grundgesetz geschrieben wurden, muss eine solche Notsituation “sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen”.
Die Begründung für diese Aussetzung lautet, dass die “tiefgreifenden humanitären, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs” eine derartige Beeinträchtigung darstellen. Dies gilt auch für die Schäden, die durch die Ahrtalflut im Jahr 2021 verursacht wurden.
Obwohl diese Argumentation vom Bundestag akzeptiert wurde, gibt es Bedenken hinsichtlich ihrer Stichhaltigkeit. Die Mittel, die für die Bewältigung der Folgen der Ahrtalflut bereitgestellt werden, belaufen sich auf weniger als drei Milliarden Euro, was nicht ausreicht, um die staatlichen Finanzen ernsthaft zu gefährden. Die “wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges” sind größtenteils nicht auf den Krieg selbst, sondern auf die Sanktionen zurückzuführen. Diese Sanktionen waren jedoch eine politische Entscheidung und fallen somit nicht unter die Kategorie “sich der Kontrolle des Staates entziehende Notlage”.
Obwohl dies die rechtliche Situation ist, könnte es in der aktuellen politischen Landschaft unwahrscheinlich sein, dass eine Klage gegen diesen Beschluss aufgrund dieser Argumente erhoben wird. Doch die Frage des Zeitpunkts des Beschlusses ist nach wie vor anfechtbar. Die Feststellung einer Notlage kurz vor Jahresende, die größtenteils in der Vergangenheit liegt, kann in Frage gestellt werden. Selbst wenn darauf erwidert wird, dass das Urteil des Verfassungsgerichts über die Schattenhaushalte nicht vorhersehbar war und daher diese Notlage verursacht hat, bleibt der Einwand, dass von Anfang an nach einer verfassungsgemäßen Lösung gesucht werden sollte und die Folgen eines rechtswidrigen Verhaltens der Regierung nicht der Allgemeinheit als Notlage aufgebürdet werden sollten.
Es ist also anzunehmen, dass das Thema mit diesem Beschluss und der Verabschiedung des entsprechenden Nachtragshaushalts noch nicht abgeschlossen ist.
PSM.Media- Nachrichtenagentur mit StN, Foto: Der Bundestag in Berlin