Kinder und Jugendliche in Gefahr: Personalmangel und Überlastung in Jugendämtern
Mainz. In zahlreichen Jugendämtern herrscht akuter Personalmangel und Überlastung der Mitarbeiter. Dies ergab eine deutschlandweite Umfrage des ARD-Politikmagazins “Report Mainz”, die bei fast 600 Jugendämtern durchgeführt wurde. Mehr als die Hälfte der Ämter hat an der Umfrage teilgenommen. Alarmierende 24 Prozent der antwortenden Jugendämter, beinahe jedes vierte, gaben anonym an, dass es im Jahr 2023 zu Gefährdungssituationen für Kinder und Jugendliche gekommen sei.
Die Ergebnisse dieser Umfrage sind für Prof. Kathinka Beckmann, Expertin für Kinderschutz an der Hochschule Koblenz, äußerst besorgniserregend. “Das bedeutet, dass wir Kinder in akuten Gefährdungssituationen haben, denen nicht geholfen wird. Kinder, die zu Hause misshandelt oder sexuell missbraucht werden und Fachkräfte, die aufgrund der Überlastung nicht in der Lage sind, dies zu erkennen, beispielsweise aufgrund ausbleibender Hausbesuche”, so die Wissenschaftlerin.
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage zeigt, dass 80 Prozent der antwortenden Jugendämter, insgesamt 327 Ämter, berichten, dass die Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes des Jugendamtes überlastet sind. Dies kann auf zu viele bearbeitete Fälle oder einen hohen Krankenstand zurückgeführt werden. Nur etwa 20 Prozent der Jugendämter gaben an, dieses Problem nicht zu haben.
Des Weiteren wird es für die Jugendämter zunehmend schwieriger, Kinder in Not in angemessenen Schutzeinrichtungen unterzubringen. Bei der Umfrage von “Report Mainz” gaben rund 24 Prozent der antwortenden Jugendämter an, dass im Jahr 2023 Kinder aufgrund von Platzmangel in den Einrichtungen des Jugendamtes übernachten mussten. Einige Kinder wurden sogar Privatpersonen anvertraut oder von Mitarbeitern des Jugendamtes nach Hause genommen.
In einem Interview mit “Report Mainz” äußerte sich Kinderschutzexpertin Beckmann auch kritisch zu dieser Entwicklung. Sie betonte, dass es unhaltbar sei, Mitarbeiter dazu zu zwingen, Kinder einfach mit nach Hause zu nehmen, da dies auch niemand von einem Arzt erwarten würde, der frisch operierte Patienten mit nach Hause nimmt, weil im Krankenhaus kein Bett mehr frei ist.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wollte auf Anfrage von “Report Mainz” keine konkrete Stellungnahme zu den Zahlen abgeben. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte lediglich: “Das BMFSFJ ist sich der aktuellen Situation der Jugendämter, insbesondere des Allgemeinen Sozialdienstes (ASD) und der Kinder- und Jugendhilfe, sehr bewusst. […] Die Sicherung von Fachkräften in der Kinder- und Jugendhilfe ist eine zentrale Herausforderung, und das BMFSFJ steht in engem Kontakt mit den Ländern im Rahmen seiner Zuständigkeit.”
Weitere Informationen auch auf www.reportmainz.de