Rückwärtsparken in Kiel: Grünen-Politikerin Alke Voß zieht Antrag nach Kritik zurück
Kiel. In einer ungewöhnlichen Initiative wollte die Kieler Mobilitätsdezernentin Alke Voß das Rückwärtsparken verbieten. Ziel dieser Maßnahme war es, die Unfallgefahr zu minimieren und die sogenannte „Vision Zero“ zu unterstützen – das langfristige Ziel, den Straßenverkehr vollständig unfallfrei zu gestalten. Doch nach erheblicher Kritik wurde der Antrag nun vorerst zurückgezogen.
Hintergrund und Begründung der Grünen-Politikerin
Voß argumentierte, dass das Rückwärtsparken eine höhere Unfallgefahr berge, insbesondere für Fußgänger und Radfahrer. Sie berief sich auf Unfallstatistiken, die zeigen, dass rückwärtsfahrende Autos in bestimmten Situationen häufiger Unfälle mit Personenschäden verursachen. Diese Zahlen stützen Voß’ Argument jedoch nur teilweise: Laut einer Statistik von Statista waren im letzten Jahr etwa 15 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden auf Fehler beim Rückwärtsfahren, Abbiegen oder Wenden zurückzuführen. Eine Untersuchung des Statistischen Bundesamts lieferte ähnliche Zahlen, wobei Rückwärtsfahr-Unfälle jedoch nur einen kleinen Teil der Gesamtunfallzahlen ausmachten.
Vision Zero und die Idee hinter dem Verbot
Die Grünen und Voß verfolgen mit ihrem Antrag das Ziel, Unfälle langfristig zu verhindern. In diesem Kontext erschien die Maßnahme, Rückwärtsparken zu untersagen, zunächst sinnvoll. Es wurde vorgeschlagen, dass Grundstückseinfahrten künftig so gestaltet werden, dass Autos nur noch vorwärts ein- und ausfahren. Neue Grundstückszufahrten sollten diese Vorgabe erfüllen, und für bestehende Einfahrten ohne entsprechende Anpassungen sollte es nur in begrenztem Maße Bestandsschutz geben, etwa für Kleingaragen oder kleine Parkanlagen mit maximal vier Stellplätzen.
Reaktionen und Kritik aus der Politik und Öffentlichkeit
Der Antrag wurde von der Öffentlichkeit und politischen Vertretern kontrovers diskutiert. CDU-Fraktionschef Carsten Rockstein kritisierte die Initiative und warf Voß vor, das Leben der Autofahrerinnen und Autofahrer unnötig kompliziert zu gestalten, ohne dass ein klarer Nutzen für die Verkehrssicherheit zu erkennen sei. Auch andere Interessengruppen wie die Verkehrswacht und Vertreter der lokalen Wirtschaft äußerten sich skeptisch und wurden in den weiteren Entscheidungsprozess einbezogen.
Rückzug des Antrags und Ausblick
Angesichts der massiven Kritik gab Voß nun bekannt, dass der Antrag zunächst zurückgezogen werde, um das Thema weiter mit betroffenen Akteuren zu diskutieren. Dabei räumte sie ein, dass der Antrag möglicherweise zu früh gestellt worden sei und erklärte, sich nun intensiver mit Experten wie der Polizei, der Industrie- und Handelskammer und weiteren Verkehrssicherheitsinstitutionen abstimmen zu wollen. Wann und ob das Thema erneut auf die Agenda der Kieler Ratsversammlung kommt, ist derzeit unklar.
Chancen auf Umsetzung: Mehrheit im Rat könnte entscheidend sein
Trotz der hitzigen Diskussionen bleibt das Thema möglicherweise weiterhin aktuell: Die Grünen, seit 2023 in Kiel in Koalition mit der SPD an der Macht, planen am 5. November eine erste Diskussion über den Antrag in der Ratsversammlung. Mit der Mehrheit im Kieler Stadtrat könnten die Grünen ihre Initiative gegebenenfalls noch durchsetzen. Kritiker und Befürworter werden diesen Termin mit Spannung erwarten, da die Entscheidung möglicherweise Präzedenzcharakter für weitere Städte haben könnte.
Fazit
Obwohl der Antrag vorerst zurückgezogen wurde, bleibt das Thema Rückwärtsparken und die damit verbundenen Sicherheitsaspekte ein polarisierendes Thema in Kiel. Während die Grünen auf die Vision Zero pochen, die letztlich weniger Verkehrsunfälle zum Ziel hat, warnen Gegner vor einer Überregulierung und zusätzlichen Belastungen für Autofahrer. Sollte der Antrag wieder auf die Tagesordnung kommen, wird die Entscheidung weit über die Grenzen Kiels hinaus beobachtet werden – und könnte möglicherweise als Vorbild oder abschreckendes Beispiel für andere Städte dienen.
PSM.Mediengruppe, Foto: Systembild: Rückwärtsparkverbot © IStock