Marine Le Pen und der Prozess um EU-Gelder: Kann sie 2027 antreten?
Paris. Marine Le Pen, die prominenteste Vertreterin des rechtspopulistischen Lagers in Frankreich, steht erneut im Rampenlicht – und diesmal nicht auf der politischen Bühne, sondern im Gerichtssaal. Die französische Staatsanwaltschaft fordert eine drastische Strafe, die ihre politischen Ambitionen massiv beeinträchtigen könnte: fünf Jahre Haft, davon zwei auf Bewährung, sowie einen fünfjährigen Entzug ihres passiven Wahlrechts. Sollte die Forderung durchgesetzt werden, könnte Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 2027 nicht antreten. Ein Urteil, das Frankreichs politische Landschaft nachhaltig verändern würde.
Die Vorwürfe: Scheinbeschäftigung und Veruntreuung
Die Anklage beruht auf dem Verdacht, dass Le Pen und ihre Partei Rassemblement National (RN) EU-Gelder veruntreut haben. Laut der Staatsanwaltschaft soll ein „organisiertes System“ zur Sanierung der Parteifinanzen entwickelt worden sein. Dabei sollen die Gehälter von Assistenten, die offiziell für Abgeordnete im Europäischen Parlament tätig waren, zur Finanzierung der Partei genutzt worden sein. Die Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden auf 3,4 Millionen Euro. Ein Großteil der Summe sei in die Parteikassen geflossen, ohne dass die betreffenden Mitarbeiter tatsächlich EU-Aufgaben wahrgenommen hätten.
Reaktionen von Marine Le Pen: „Gezielter Angriff auf meine Partei“
Le Pen selbst weist die Vorwürfe entschieden zurück. Sie spricht von einer „übertriebenen Gewalt“ seitens der Staatsanwaltschaft und einem „Versuch, meine Partei zu ruinieren“. Ihrer Ansicht nach handelt es sich um ein politisch motiviertes Verfahren, das die Wählerschaft einschränken solle. Le Pen argumentiert, dass die Assistenten nicht einzelnen Abgeordneten, sondern der gesamten EU-Fraktion des Rassemblement National gedient hätten – eine Differenzierung, die für ihre Verteidigung zentral ist.
Die Rolle des Europäischen Parlaments und der Schaden für die Steuerzahler
Das Europäische Parlament ist in dem Verfahren als Nebenkläger vertreten. Seit 2015, als die Ermittlungen auf Initiative des damaligen Parlamentspräsidenten Martin Schulz begannen, drängt das Parlament auf Klärung und Wiedergutmachung. Bereits eine Million Euro hat die Partei zurückgezahlt, lehnt es jedoch ab, dies als Schuldeingeständnis zu werten. Der EU zufolge wurde das Geld zweckentfremdet und entgegen den Interessen der Steuerzahler verwendet – ein Vorwurf, der das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen der EU und rechtspopulistischen Parteien weiter verschärfen könnte.
Politische Konsequenzen: Wird Le Pen zum politischen Opfer?
Falls die Strafe durch das Gericht bestätigt wird, wäre Le Pens politische Karriere schwer erschüttert. Der Staatsanwalt Nicolas Barret unterstrich die Notwendigkeit, die Strafe sofort wirksam werden zu lassen – selbst wenn Le Pen in Berufung gehen sollte. Dies würde nicht nur ihre Chancen bei der Präsidentschaftswahl 2027 zunichtemachen, sondern auch ihr politisches Gewicht langfristig schwächen. Sollte Le Pen jedoch als „Opfer“ eines politischen Prozesses auftreten, könnte sie aus dieser Krise möglicherweise sogar politisches Kapital schlagen und ihre Anhängerschaft mobilisieren.
Fazit: Eine Entscheidung mit Signalwirkung
Der Ausgang des Verfahrens wird nicht nur Marine Le Pens persönliche Zukunft bestimmen, sondern könnte auch weitreichende Konsequenzen für Frankreichs politische Dynamik haben. Wird das Gericht die Forderung der Staatsanwaltschaft unterstützen, könnten ähnliche Verfahren gegen andere europäische Politiker folgen, die beschuldigt werden, EU-Mittel missbräuchlich verwendet zu haben. In jedem Fall stellt dieser Fall einen Meilenstein im Umgang mit politischen Verfehlungen dar und sendet ein klares Signal an alle Politiker, die den EU-Haushalt zweckentfremden.
PSM.Mediengruppe mit AFP, Foto: Marine Le Pen in ihrem Büro in Paris © ABACAPRESS/Raphael Lafargue