Athen kehrt zurück,Athen,Griechenland,Finanzen, Nachrichten, Ausland,Mário Centeno

Athen kehrt zurück an die Finanzmärkte

Veröffentlicht von PSM.Media

Griechenland nicht mehr am Euro-Tropf

Athen kehrt zurück an die Finanzmärkte. Nach mehr als acht Jahren hat Griechenland den Euro-Rettungsschirm verlassen und muss sich nun wieder aus eigener Kraft finanzieren. Das dritte und bislang letzte Kreditprogramm lief am Montag aus. Offiziell steigt Hellas damit aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) aus und kehrt an die Finanzmärkte zurück. Allerdings bleibt der hoch verschuldete Mittelmeerstaat noch Jahre unter strikter Beobachtung.

“Erstmals seit Anfang 2010 steht Griechenland auf eigene Beinen”, frohlockte der Chef der Eurogruppe und Mitglied im ESM-Gouverneursrat, Mário Centeno, in einer Erklärung. Er würdigte den “außerordentlichen Kraftakt der griechischen Bevölkerung”, die “gute Zusammenarbeit” mit der derzeitigen Regierung in Athen und die “Anstrengungen der europäischen Partner”.

Die letzte Kreditrate in Höhe von 15 Milliarden Euro aus den im Sommer 2015 bewilligten ESM-Mitteln in Höhe von insgesamt 86 Milliarden Euro hatte Griechenland Anfang August erhalten.

Für den griechischen Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos treten “Wirtschaft, Gesellschaft und das ganze Land in eine neue Phase”. Ministerpräsident Alexis Tsipras werde sich in diesem Zusammenhang am Dienstag in einer Rede an das griechische Volk wenden.

Nach Portugal, Irland, Spanien und Zypern ist Griechenland der fünfte Patient der Währungsunion, der aus dem sogenannten Euro-Rettungsschirm verlässt.

Die Schuldenkrise und die von den internationalen Gläubigern auferlegten Kürzungsprogramme im Gegenzug für drei Kreditpakete haben Griechenland in eine humanitäre Krise gestürzt. Athen stimmte zu, unter anderem Privatisierungen und harte Einschnitte bei den Sozialsystemen, etwa bei den Renten, sowie bei Löhnen und Gehältern vorzunehmen.

Insgesamt erhielt das Mittelmeerland zur Abwehr eines Staatsbankrotts seit 2010 fast 274 Milliarden Euro. Trotz der Kredite bleibt Athens Gesamtverschuldung mit fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) immens hoch.

2017 verzeichnete Hellas ein leichtes Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent. Die Arbeitslosenrate ging stetig zurück. Amtlichen Angaben zufolge sank sie erstmals seit September 2011 mit 19,5 Prozent unter die 20-Prozent-Marke.

Die Regierung aus Tsipras’ Syriza-Allianz und der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen (Anel) sieht darin einen Hoffnungsschimmer. Griechenland ist gleichwohl weiterhin das Land, das mit Abstand die höchste Arbeitslosenquote in Europa aufweist. Bei den 15- bis 24-Jährigen beträgt die Arbeitslosenrate 39,7 Prozent, bei den Frauen 24,1 Prozent und bei den Männern 15,8 Prozent.

“Griechenland hat noch einen weiten Weg vor sich”, urteilte der ehemalige Finanzminister und jetzige Notenbankpräsident Giannis Stournaras in einem Interview mit der Sonntagsausgabe der Zeitung “Kathimerini”. Er äußerte sich zugleich besorgt darüber, dass die Märkte Griechenland “fallenlassen” könnten, sollte es den Auflagen nicht ausreichend nachkommen.

Der EU-Haushaltskommissar Pierre Moscovici sprach unterdessen von einem “historischen Tag” für Griechenland. Der Staat werde seine “eigene Wirtschaftspolitik” verfolgen können, müsse aber natürlich die Strukturreformen fortsetzen.

An den Maßnahmen gibt es mittlerweile sogar aus den Reihen einiger Gläubiger vorsichtige Kritik. Der ESM-Chef Klaus Regling räumte vor wenigen Tagen ein, dass in der Griechenland-Krise nicht alles richtig gemacht worden sei. Für diese schlimmste Krise seit der großen Depression von 1929 habe es schließlich “kein Drehbuch” gegeben, sagte er dem “Spiegel”.

Tsipras hatte bereits im Juni versprochen, künftig eine Politik für mehr “soziale Gerechtigkeit” zu betreiben. Viele griechische Familien leben inzwischen an der Armutsgrenze und wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.

Ökonomen wie der Wirtschaftsprofessor Nikos Vettas empfehlen dringend ein “sehr starkes Wirtschaftswachstum”. Anderenfalls hätten die jetzt schon durch zehn Jahre Rezession empfindlich geschwächten Haushalte eine weitere lange Leidensstrecke vor sich.

Quelle: AFP, 20.08.2018, Foto: Mann verlässt die Bank von Griechenland in Athen/Athen kehrt zurück an die Finanzmärkte, (Quelle: AFP / Louisa GOULIAMAKI)