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Impfgegner sind in allen Schichten der Bevölkerung zu finden

Veröffentlicht von PSM.Media

Ein Herabsetzen und Lächerlichmachen der Impfgegner und Impfskeptiker führt zur Verhärtung der Fronten

Berlin. Infektionszahlen und Impfzahlen sind gegenläufig. Viele Impfungen – wenige Infektionen: Das wäre ideal. In Österreich sieht es derzeit leider anders aus. Die Infektionszahlen bewegen sich mehr oder weniger langsam, aber stetig nach oben, die Zahl der Impfwilligen hingegen nimmt ab. Was mit einem Boom begonnen hat, bei dem fast jeder fast jedem um den Impftermin neidig war, hat an Reiz verloren. Haben sich die Impfwilligen zuerst, bildlich gesprochen, um die Termine gebalgt, dürften sie jetzt allmählich durchgeimpft sein. Übrig bleiben bald nur noch Impfgegner und Impfskeptiker.

Angesichts der Delta-Mutation und eines Herbstes und Winters, der die Infektions- und Hospitalisierungszahlen nach oben zu treiben droht, stellt sich die Frage: Wer sind die Impfgegner? Und kann man sie umstimmen?

Entgegen der wiederholt kolportierten Meinung sind die Impfgegner keineswegs nur im ultra-rechten politischen Spektrum und in Kreisen von Verschwörungstheoretikern zu finden. Eigene Fehleinschätzungen und Desinformationskampagnen im Internet spielen eine große Rolle. Auch Menschen aus gebildeten Schichten erweisen sich keineswegs als immun gegen Verschwörungstheorien.

Bizarre Theorien

Dabei geht es nicht um die bizarre Verschwörungstheorie, die Impfstoffe enthielten Chips, mit denen Bill Gates in den Menschen selbst eindringen will. Diesem Unfug ist am leichtesten und zugleich am schwersten beizukommen: Allein die Frage, was Bill Gates damit bezweckt, müsste diese Verschwörungstheorie zum Einsturz bringen. Allerdings: Wer bereit ist, einen solchen Unfug zu glauben, ist kaum umzustimmen, weil er eine Verschwörungstheorie mit einer anderen (“Bill Gates will sich zum Herrn der Welt machen”) begründet.

Etliche Menschen verstehen ihre Impfgegnerschaft als politischen Protest: Viele von ihnen machen aus Prinzip das Gegenteil vom Regierungskurs. Allerdings kann man diese Impfgegner fragen, ob eine Opposition, die sie selbst und möglicherweise andere Menschen das Leben kosten kann, wirklich verantwortungsvoll ist. Steht die Gegnerschaft zum Bundeskanzler höher als die eigene Gesundheit? Im Fall von Covid-19-Erkrankungen geht es schließlich nicht um Meinungen, sondern um Leben und Tod.

Das freilich zweifeln manche Impfgegner an. Tatsächlich ist es schwer, mit Argumenten an sie heranzukommen. Sie befinden sich in einer Informationsblase, in der die Überzeugung herrscht, Covid-19 sei im Prinzip eine Grippe, die man als Gesunder mühelos übersteht. Allerdings sei ihnen zu bedenken gegeben: Weiß jeder, der behauptet, er sei gesund, über seinen gesundheitlichen Ist-Zustand tatsächlich Bescheid? Dass sich das als fatale Fehleinschätzung erweisen kann, zeigen die Corona-Toten, die jung waren und (scheinbar) gesund.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die COSMO-Studie der Universität Erfurt vom 14. Juli 2021: Ihr zufolge setzen sich die Argumente der grundsätzlichen Verweigerer zusammen aus einer Unterschätzung der Gefährlichkeit von Covid-19 und Sicherheitsbedenken bei den Impfstoffen. Einen durch die Impfungen zu erreichenden Gemeinschaftsschutz (“Herdenimmunität”) betrachten sie als weniger wichtig als das eigene (vermeintliche) Wohlergehen.

Blauäugig sind Impfgegner, die die Verantwortung abschieben: Wenn sich genug andere impfen lassen, braucht man selbst keine Impfung. Wenn freilich nur jeder Dritte oder Zweite so denkt, kann man sich selbst wohl nur mit der Impfung aus der Gefahrenzone bringen.

Impfgegner führen freilich auch Argumente ins Treffen, die man kaum entkräften kann: Obwohl sich die Wahrscheinlichkeit von Spätfolgen bei den mRNA-Impfstoffen bei null bewegt, kann man die Feststellung nicht wegargumentieren, es gäbe zwangsläufig keine validen Studien über langfristig auftretende Folgen.

Allerdings hat dieses Argument einen Haken: Sowohl bei längst erprobten wie auch bei nach herkömmlichen Verfahren zugelassenen Impfstoffen und Medikamenten fragt niemand nach Folgen, die Jahrzehnte nach der Zulassung eintreten könnten. In der Regel vertraut man darauf, dass Hersteller und Zulassungsstellen wissen, was sie tun. Zumal ein schlampig hergestellter Wirkstoff das jeweilige Pharmaunternehmen in den sicheren Ruin führen würde. Gerade die den Pharmafirmen von Impfgegnern vorgeworfene Gier ist der Garant, dass auch im Fall der Covid-19-Impfstoffe sauber gearbeitet wurde. Keiner der vom Markt abhängigen Impfstoffhersteller hat Lust auf eine Pleite.

Viele Impfgegner fürchten auch akute Nebenwirkungen: Häufig wird dabei die Wirkung der Impfung mit Nebenwirkungen verwechselt. Das ist ein klarer Fall für Aufklärung: Zwei Tage Kater wie nach einem Biergelage, eventuell auch ein kurzer Fieberschub, zeigen, dass der Körper eine Immunantwort entwickelt. Diese zwei bis vier Tage (vier, wenn auch nach dem zweiten Stich eine starke Reaktion eintritt) sind also gut: Sie sichern dem Geimpften mit höchster Wahrscheinlichkeit einen glimpflichen Verlauf im Infektionsfall.

Zumutbare Tatsachen

Denn, ja: Selbst eine vollimmunisierte Person kann sich infizieren und erkranken. Diese Tatsache ist Impfskeptikern zumutbar. Man braucht ihnen lediglich zu verdeutlichen, dass es bei der Corona-Impfung nicht darum geht, das Virus von vorneherein auszuschalten, sondern im Fall einer Infektion einen milden Verlauf zu garantieren. Zu 100 Prozent sicher im Sinn einer Überlebensgarantie im Krankheitsfall ist übrigens keine einzige Impfung. Auch bei lange auf dem Markt befindlichen Impfungen gegen Masern und Mumps kann es zu solchen Impfdurchbrüchen kommen.

Dennoch gilt gerade im Fall des Coronavirus, dass die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit schwerem bis tödlichem Verlauf ohne Impfung wesentlich höher ist als ein Impfdurchbruch. Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit höher, durch eine Covid-19-Erkrankung zu sterben als durch einen Impfschaden. Das österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen meldet im Zeitraum von 7. Dezember 2020 bis 23. Juli 2021 lediglich 151 Todesfälle in zeitlicher Nähe zur Impfung. Hier gilt eine Variation des Arguments, das Impfgegner auf Covid-19-Todesfälle anwenden: Es ist fraglich, ob die Personen mit oder an der Impfung gestorben sind.

Bleibt die Frage, wie Impfgegner doch zu überzeugen wären. Die zuvor erwähnte COSMO-Studie gibt prinzipielle Impfgegner verloren, nicht aber Impfskeptiker.

Überzeugungsarbeit

Aus den Antworten der Befragten gehen drei Punkte hervor:

– Wer vor der Impfung mehr Angst als vor einer Covid-19-Erkrankung hat, den kann man “aufklären und die Angst vor möglichen Nebenwirkungen nehmen”.

– Die Impfung muss unbürokratisch zu bekommen sein. Der Zweitstich soll an jedem Impfort stattfinden können, den der Impfwillige bevorzugt.

– Die Freiheiten für Geimpfte müssen deutlich hervorgehoben werden.

Was Impfanreize für Skeptiker sein könnten: Soziale Verantwortung hat eine hohe Bedeutung für Eltern. Sie kann man auch mit dem eigenen Nutzen überzeugen, der ebenfalls für Menschen mit niedrigerem Bildungsstand, Freiberufler und Migranten wesentlich ist. Der Abbau von Barrieren dürfte für alle Impfskeptiker eine wesentliche Rolle spielen.

Wie man es auch dreht: Ein Herabsetzen und Lächerlichmachen der Impfgegner und Impfskeptiker führt zur Verhärtung der Fronten. Aufklärung und Argumente sind am wichtigsten. Vor allem muss im Zentrum stehen: Sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft ist jede Impfung ein Fortschritt. Nicht die Impfgegner stehen für Freiheit, sondern die Impfwilligen. Denn im Moment kann man das Virus nur im Zaum halten mit Impfung, Masken, Testen (auch für Geimpfte) und einem Einhalten der Abstände, soweit möglich. Am wichtigsten davon ist die Impfung.

 

APA/DPA/WienerZeitung/PSM/Presse.Online, Foto: Impfgegner sind in allen Schichten der Bevölkerung zu finden © IStock