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Meinungsfreiheit als Straftat?

Veröffentlicht von PSM.Media

Die Schönheit des Rechts

Nach der Ergänzung des Paragrafen 130 dient das Recht nun der Bekämpfung von Herrschaftskritik — die Herrschenden glauben indes, über dem Gesetz zu stehen.

Jeder habe das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern, wird im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland behauptet. Und ebendort auch gleich wieder eingeschränkt, denn dieses Recht findet seine „Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze“ (1). Zur weiteren Einschränkung des oben behaupteten Rechts hat der Deutsche Bundestag am 20. Oktober 2022 eine Ergänzung des § 130 Strafgesetzbuch (Volksverhetzung) beschlossen. Ein neuer Absatz 5 wurde eingeführt (2). Dort wird sich bezogen auf die §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches. Diese behandeln Straftaten gegen das Völkerrecht, nämlich Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen (3).

Meinungsfreiheit als Straftat

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe soll nun bestraft werden, wer öffentlich oder in einer Versammlung von seinem Grundrecht auf die freie Äußerung seiner Meinung Gebrauch macht.

Dazu muss man sich in seiner Rede auf eine Handlung beziehen, wie sie in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches beschrieben wird, also zum Beispiel § 7, Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dort heißt es in Absatz 1, Satz 1:

„Wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung einen Menschen tötet, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.“

Deshalb sitzen auch Gerhard Schröder wegen des Angriffs gegen die Zivilbevölkerung Jugoslawiens und George W. Bush wegen des Angriffs gegen die Zivilbevölkerung des Irak im Gefängnis! Denn welchen Wert hätte schon ein Recht, wenn es nicht angewandt würde (4)?

Die Zerstörung des Irak durch die USA und ihre Verbündeten führte dazu, dass in Deutschland jetzt aus ihrem Land geflohene Menschen versuchen, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Doch um Stimmen aus einer bestimmten Wählerschaft zu gewinnen, werden diese Menschen von politischen Parteien zum Sündenbock für Probleme gemacht, die genau diese Parteien erst geschaffen haben. Dadurch wird ganz gezielt gegen diese Gruppe zum Hass aufgestachelt, um bei der nächsten Wahl mehr Stimmen zu bekommen.

Nahezu die gesamte politische Dienstklasse Deutschlands billigt die Angriffe auf die Menschen im Irak, in Jugoslawien, in Syrien, in Libyen, in Afghanistan, im Jemen und überall dort, wo die USA sich das Recht nehmen, Menschen zu ermorden. Alle von der NATO begangenen Verbrechen werden entweder gebilligt oder gröblich verharmlost.

Kommen jetzt etwa fast alle Mitglieder des Bundestags vor Gericht? Und falls ja, vor welches?

Durch diese Art Gesetzgebung wird niemand vor den aufgelisteten Verbrechen geschützt. Auch schützen sie niemanden vor Hass oder Gewalt. Dazu müsste die politische Dienstklasse vielmehr davon absehen, sich an den imperialen Kriegen der USA zu beteiligen. Denn diese sind die hauptsächliche Ursache für all die Übel, die man mit dieser Gesetzgebung vorgeblich bekämpfen will.

Was man aber tatsächlich bekämpft, das ist der soziale Frieden in einer freiheitlichen Gesellschaft. Denn durch eine solche Gesetzgebung wird Meinungsfreiheit strafbar, und das Ergebnis einer solchen Gesinnungsjustiz ist die Kriminalisierung des Denkens.

Die politische Nebenwelt

Die politische Dienstklasse hat sich eine Welt neben der Welt, eine Nebenwelt, geschaffen. Durch diese mysteriöse Schöpfung ist jede Handlungsfähigkeit aus der Welt der gesellschaftlichen Arbeit, in der alle realen Werte geschaffen werden, in die Welt der politischen Verwaltung des Staates, wo nichts Reales geschaffen wird, ausgelagert worden. Der marxistische Philosoph István Mészáros führt aus, dass durch diese Art der staatlichen Verwaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse die Gesellschaft insgesamt jeder bedeutenden Entscheidungsgewalt enteignet wird (5).

Man könnte diese Welt der politischen Verwaltung auch als Nebelwelt bezeichnen, denn in ihr werden alle wirklichen Vorgänge vernebelt und verschleiert. Zieht man einmal den Schleier weg, dann lichten sich die Nebel, und man erkennt, wie es wirklich ist.

Voraussetzung dafür ist, das es uns allen grundsätzlich möglich ist, zur Erkenntnis der objektiven Wirklichkeit zu gelangen, und, dass es diese objektive Wirklichkeit tatsächlich gibt. Aber in der Nebelwelt der Politik und der Medien ersetzt ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit die tatsächliche Wirklichkeit. Die Folgen sind Verrücktheit, Wahnhaftigkeit und die Zerstörung der Vernunft.

In diesem geistigen Klima gedeihen dann Verschwörungstheorien und Vernichtungsfantasien. Ein Sündenbock wird ausgemacht, und auf ihn werden die eigenen hässlichen Eigenschaften projiziert: Der andere bedroht uns, er will uns vernichten, er ist böse, er hasst uns. Wir müssen vor dem anderen beschützt werden. Unsere Beschützer sind gut. Wir müssen gegen den bösen anderen kämpfen. Wir müssen ihn besiegen und — vernichten! Dann wird alles gut.

Offenbar befinden sich die politische und die mediale Dienstklasse in dem oben beschriebenen Wahnsystem und sind nicht mehr in der Lage, die objektive Wirklichkeit zu erkennen. An die Stelle der tatsächlichen Realität setzen sie eine künstlich erzeugte Scheinwirklichkeit. Weil sie ihre Gedanken nicht mit der tatsächlichen Realität abgleichen, wird durch ständige Wiederholung der Schein zur Wahrheit, und die Wahrheit kann dann nur noch eine Verschwörungstheorie sein.

Wenn man zum Beispiel lange genug fantasiert, dass die Ukraine den Krieg mit Russland gewinnt, dann muss man jeden Gegenbeweis widerlegen und irgendwann selbst den Gedanken unter Strafe stellen. Nichts anderes ist der Sinn der oben beschriebenen Gesetzgebung. Der Wahn wird dann zur Wahrheit und die Wahrheit gesetzlich verboten. Alles schon beschrieben in George Orwells Klassiker „1984“.

Funktionale Intelligenz

Die Menschen, geprägt durch unsere kapitalistische Gesellschaft, sehen die Aufgaben, die sich ihnen stellen, wie sie als verdinglichte Tatsachen vor ihnen stehen. Mit funktionaler Intelligenz und Schicksalsergebenheit bewältigen sie noch jede Herausforderung. Kein Problem scheint unlösbar. Die genaue Betrachtung zeigt, dass die Menschen im gesellschaftlichen Verhältnis, entsprechend ihrer Position in der Gesellschaft, mehrheitlich ohne Bewusstsein über den Inhalt ihrer Tätigkeit aktiv sind.

Die Verwaltung der Überflüssigen in unserer Gesellschaft, also derjenigen, deren Arbeitskraft keiner nachfragt, weil ihre Vernutzung keinen Mehrwert erzielt, obliegt den zynisch so genannten Jobcentern.

Mit typisch deutscher Gründlichkeit wird der für den Markt Überflüssige in skrupulöser Weise datentechnisch erfasst und in dafür geschaffenen Maßnahmen einer Umerziehung unterzogen. Er soll für den Job fit gemacht werden, den es für ihn niemals gibt. Als Langzeitarbeitsloser hat er aber dann wenigstens gelernt, pünktlich zu sein!

Inhalt der Tätigkeit ist also die Verwaltung der Überflüssigen. Der funktional intelligente Mitarbeiter löst diese Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit — der herrschenden Klasse.

Die Abgeordnete im deutschen Bundestag stimmt dem Krieg gegen eine fremde Bevölkerung zu, obwohl deren Land gar keinen Krieg gegen Deutschland führt. Als funktional intelligente Juristin kennt sie den Paragrafen acht, Satz eins, Absatz eins des Völkerstrafgesetzbuches, Kriegsverbrechen gegen Personen:

„Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.“

Tatsächlicher Inhalt des Krieges gegen Russland ist die Zerstörung des russischen Staates — Russland ruinieren. Auf dem Weg dahin sollen so viele Russen wie möglich getötet werden, und zwar nicht nur russische Soldaten. Die diesem zustimmende Abgeordnete wird also ihr weiteres Leben in Haft verbringen.

Davor schützt sie jedoch, dass kein Richter sie verurteilen wird.

Die Schönheit des Rechts besteht eben darin, dass es nur angewandt wird gegen die Feinde derjenigen, die ihre Herrschaft auf Gewalt gründen. Julian Assange ist das beste Beispiel dafür. Diejenigen hingegen, die diese Herrschaft ausüben oder sie fördern und unterstützen, stehen über dem Recht, können es brechen, beugen und zynisch missachten.

Eine friedliche Welt wird es deshalb erst dann geben, wenn die Grundlage der Herrschaft, also die Staaten im Weltsystem des Monopolkapitalismus, durch eine bessere und friedlichere Form der menschlichen Vergesellschaftung ersetzt wird. Oder anders gesagt: Sozialismus — oder Barbarei.

Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_5.html
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__130.html
(3) https://www.gesetze-im-internet.de/vstgb/index.html#BJNR225410002BJNE000700000
(4) https://www.bundestag.de/resource/blob/932912/85466e6b815d64a719a501bc3c87f050/Stellungnahme-Prof-Dr-Norman-Paech-data.pdf
(5) Obviously, that kind of separate, state-imposed resolution of the vital issues of societal reproduction means in reality expropriating and usurping the vital decision-making powers from the social body as a whole.

Über den Autor:

Patrick Münch, Jahrgang 1969, arbeitet seit vielen Jahren als prekär beschäftigte Lehrkraft in Maßnahmen des Jobcenters und hat auf diese Weise das System der Menschenverwaltung von innen kennengelernt. Die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse erkennt er als falsch. Ihre Veränderung hält er für möglich.

 

Patrick Münch/Initiative zur Demokratisierung der Meinungsbildung gGmbH, Foto: Systembild: Das Recht fällt in die Hände der Politiker © Geralt