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Professor Sucharit Bhakdi- Mythen, Wahn und Wirklichkeit

Veröffentlicht von PSM.Media

Gefährliche Verführungen

Bericht: “Medizinprofessor Sucharit Bhakdi ist der namhafteste Kritiker des Shutdowns in Deutschland. Auch von der Schweiz ist er enttäuscht. Sie gehe nicht mehr eigenwillig ihren Weg wie früher, sagt der Diplomatensohn, der seine Kindheit in Bern verbrachte.

 

Sucharit Bhakdi ist ein Phänomen der neuen Zeit, obwohl er schon 73 Jahre alt ist. Seit eineinhalb Monaten unterhält er einen Youtube-Kanal und erreicht damit ein Millionenpublikum. Bei vielen Journalisten sorgen seine Videos für Unbehagen. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen schafft er es höchstens in die Rubrik «Faktencheck»

 

Mit buddhistischer Sanftmut kritisiert Bhakdi, ein gebürtiger Thailänder, die Shutdown-Politik der Regierungen. Sein Deutsch ist akzentfrei und druckreif, obschon er die Sprache erst als Jugendlicher erlernte. Wenn er einen offenen Brief an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel verliest, wirkt er wie ein elder statesman. Nie fällt er aus der Rolle.

 

Als emeritierter Professor für medizinische Mikrobiologie kann Bhakdi in der Corona-Debatte mit der Autorität eines Experten auftreten. Umso kunstvoller sind die Verrenkungen, die mancherorts zu beobachten sind, wenn die Sprache auf seine akademischen Meriten kommt. Der Bayerische Rundfunk schreibt über Bhakdi: «Er wird zwar immer wieder zitiert, aber es gibt viele andere Forscher, die genauso viel oder mehr Resonanz erfahren als er.» Der Südwestrundfunk weiss über seine Malaria- und Dengueforschung zu berichten: «Das sind zwar auch Infektionskrankheiten, aber wissenschaftlich betrachtet ist es eine ganz andere, weit entfernte Sache.»

 

Bhakdi selber sagt im Telefongespräch mit der Weltwoche: «Ich staune, mit welcher Selbstverständlichkeit die Journalisten meine Arbeiten abqualifizieren, als verstünden sie etwas davon.» Allzu sehr scheint ihn die Kritik aber nicht zu beeindrucken: «Wissen Sie, die meisten Reaktionen, die ich auf meine Videos erhalte, sind positiv, auch aus der Fachwelt.»

 

Prof. Dr. Bhakdi- Corona Quarantäne- der Selbstmord einer Gesellschaft

Empfehlung von Wirtschaftsführer

 

Tatsächlich kommt Bhakdi mit seiner ruhigen, doch entschiedenen Art beim Publikum gut an. Zuletzt gab er dem österreichischen Privatfernsehsender Servus-TV ein einstündiges Interview. Der CEO eines SMI-Unternehmens verschickte per Mail den Link zur Sendung mit den besten Empfehlungen. Bhakdi fesselt offenbar auch Wirtschaftsführer, die genug anderes zu tun haben, als lange Talkshows zu schauen.

 

Ob in den eigenen Videos oder in den Gesprächen mit Aussenseitermedien wie Ken FM oder Punkt.Preradovic – seine Botschaften sind stets dieselben: Die Fallzahlen seien verzerrt; es werde nicht unterschieden, ob ein Toter an oder mit dem Coronavirus verschieden sei; Covid-19 sei keine gemeingefährliche Krankheit; der Shutdown bringe nichts; es genüge, sich an Distanz- und Hygieneregeln zu halten; einzig die Risikogruppen müssten geschützt werden – kurz: Die Politik beschliesse auf der Basis mangelhafter Daten sinnlose Massnahmen.

 

Nun sehen das längst nicht alle Wissenschaftler so. In Deutschland, wo Bhakdi lebt, ist es vor allem der Virologe Christian Drosten, der mit seiner Expertise den Kurs der Regierung stützt. Bhakdi verliert im Gespräch mit der Weltwoche kein schlechtes Wort über den Kollegen, auch wenn er andernorts schon zu verstehen gab, dass er Drosten für einen Arzt ohne grosse Erfahrung im Umgang mit Patienten hält.

 

Lehrer Walter Siegenthaler

 

Die einzigen Personen, die er namentlich kritisiert, sind der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn sowie Lothar Wieler, der Chef der deutschen Bundesbehörde für Infektionskrankheiten (Robert-Koch-Institut). Auf die Frage, ob er eine Antwort auf seinen Brief an die Kanzlerin erhalten habe, lacht Bhakdi: «Wieso sollten sich die Politiker mit mir unterhalten wollen? Ich habe nicht den Eindruck, dass Leute wie Spahn oder Wieler an Widerspruch interessiert sind.»

 

In höchsten Tönen spricht er dagegen vom Mediziner John Ioannidis, der seine praktische Ausbildung in Harvard machte, heute in Stanford lehrt und vor allem mit Methodenkritik internationale Bekanntheit erlangte. Kürzlich veröffentlichte Ioannidis eine Studie, laut der Covid-19 etwa so gefährlich sei wie die Grippe. Bhakdi sieht sich durch das Ergebnis in seiner Analyse bestätigt.

 

Enttäuscht zeigt er sich von der Schweiz: «In dieser Krise ist Schweden der kluge Aussenseiter, der beharrlich seinen eigenen Weg geht. Das war immer die Rolle der Schweiz.» Bhakdi kennt das Land aus früher Kindheit, als sein Vater thailändischer Botschafter in Bern war. Deutsch lernte er aber erst in Deutschland, wohin er zum Studium kam, nach weiteren Stationen in Thailand und Ägypten. Geboren wurde er in Washington. Er ist ein Kind weitgereister Eltern und bezeichnet Englisch als seine erste Sprache.

 

Die Mutter, die an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore studiert hatte, begeisterte ihn früh für Medizin. «Sie war eine hervorragende Ärztin», sagt Bhakdi. Er selber schrieb sich an der Universität Bonn ein, wo seinerzeit der Schweizer Walter Siegenthaler lehrte. Eine Zeitlang arbeitete Bhakdi als dessen Privatassistent; rückblickend nennt er ihn «einen der bedeutendsten Internisten Europas». Wenn er über prägende Figuren seines Lebens spricht, kann er, der jetzt als Kritiker bekannt wird, ausgiebig loben.

 

Grösste Leistung seiner Laufbahn

 

Seine Karriere führte ihn über Freiburg, Kopenhagen und Giessen an die Universität Mainz. Als seine grösste Leistung beurteilt Bhakdi jedoch keine seiner Forschungsarbeiten, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde, sondern eine Untersuchung am Mainzer Universitätsklinikum. Im August 2010 starben dort drei frühgeborene Babys, weil sie verunreinigte Nährlösung verabreicht bekommen hatten. Bhakdi konnte nachweisen, dass die Spitalapotheke sauber gearbeitet hatte und die Verunreinigungen vom Transport herstammten. Andernfalls, so gibt er sich heute überzeugt, würde es die Klinik in ihrer jetzigen Form nicht mehr geben.

 

Vor acht Jahren ging Bhakdi in Pension. Inzwischen lebt er in Kiel, wo seine deutlich jüngere Frau an der Universität eine Professur für Dermatologie und Allergologie bekleidet. 2016 veröffentlichte er mit ihr ein populärwissenschaftliches Buch: «Schreckgespenst Infektionen: Mythen, Wahn und Wirklichkeit».

 

Die Skepsis, die im Titel durchscheint, kennzeichnet Bhakdis öffentliches Wirken seit langem. So warnte er einst vor dem «BSE-Wahnsinn» und beurteilte später die Angst vor Sars oder der Schweinegrippe als unbegründet. Auch die Gefahr eines Terroranschlags mit Biowaffen, wie sie nach den Attentaten vom 11. September 2001 diskutiert wurde, hielt er für übertrieben. Bhakdi beriet damals den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) und organisierte in Mainz ein zweitägiges Symposium, wo Wissenschaftler und Politiker miteinander diskutierten und Fragen der Bevölkerung beantworteten. Für Leistungen in Lehre, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit erhielt er den Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz.

 

Einmal im Mittelpunkt

 

Er selber bezeichnet sich als politisch unabhängig. Um seinen gegenwärtigen Forderungen mehr Durchschlagskraft zu verleihen, vernetzt er sich mit anderen regierungskritischen Wissenschaftlern, darunter dem Ökonomen Stefan Homburg. Bald soll ein Verein entstehen, der die gemeinsamen Botschaften in die Öffentlichkeit trägt.

 

Auf die Frage, weshalb so viele Mediziner die Massnahmen der Regierung unterstützen würden, wo sie doch seiner Meinung nach nichts brächten, erwidert Bhakdi: «Eitelkeit und Gier sind die gefährlichsten Verführungen.» Es gefalle vielen Wissenschaftlern, für einmal im Mittelpunkt zu stehen, zudem lasse sich mit der Pandemie gutes Geld verdienen.

 

Als grösste medizinische Gefahr der gegenwärtigen Krise nennt er eine allgemeine Impfpflicht gegen Covid-19. Es sei anzunehmen, dass der Impfstoff vorher nicht richtig getestet, sondern im Schnellverfahren zugelassen würde.

 

Eine Impfpflicht könnte aber auch politische Folgen haben. «Was ist, wenn ich ohne Immunitätsnachweis nicht mehr voll am öffentlichen Leben teilhaben darf?», fragt Bhakdi. Es bestehe die Gefahr, dass Grundrechte für lange Zeit eingeschränkt würden. «Ich komme aus Thailand, einem Land, wo die Freiheit kein selbstverständliches Gut ist wie im Westen. Ich will sie hier nicht auch noch verlieren.»

 

Letzte Frage des einstündigen Gesprächs: Würde er, trüge er die politische Verantwortung, das öffentliche Leben tatsächlich ohne grössere Einschränkungen sofort wieder hochfahren?

«Ohne zu zögern», antwortet Bhakdi.”

 

© Erik Ebneter/Weltwoche Verlags AG, 10.05.2020, Foto: Sucharit Bhakdi © Screenshot Youtube Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi